Dabei hat es Kluge seinen Gegnern leicht gemacht. In einem abgelegen publizierten Aufsatz von 1985 mit dem Kluge-typischen Langtitel "Die Macht der Bewusstseinsindustrie und das Schicksal unserer Öffentlichkeit" kündigte er sein trojanisches Medienprogramm im Bauch der Riesen von SAT-1 und RTL detailliert an. Dieser Aufsatz ist ein Schlüsseldokument bundesrepublikanischer Mediengeschichte. Er hätte an vorderster Stelle in den Sammelband hineingehört, denn eine Diskussion über "Kluges Fernsehen" kann ohne ihn nicht seriös stattfinden. Die eifrig um Vernebelung und Jargonvertiefung bemühten Medienwissenschaftler scheinen ihn im Gros gar nicht zu kennen, nur an zwei Stellen findet er in Fußnoten Erwähnung. Kein Zufall: Beide Male signalisiert das eine lohnende Lektüre. Und ebenfalls kein Zufall: In beiden dieser lesenswerten Aufsätze - von Winfried Siebers und von Knut Hicketier - geht es um historische Fragestellungen. Einmal darum, wie Kluge geschichtliche Themen in seine Sendungen integriert, und einmal um die medienhistorische Bedeutung Alexander Kluges selbst. Für den siebzigjährigen Jubilar, einen der wenigen konsequenten Selberdenker im deutschen Kulturbetrieb, muss es allerdings tief frustrierend sein, dass sein eigenes Werk andere so sehr zum Schwafeln und so wenig zum Denken anregt. Aber vielleicht ist Kluge doch einfach klüger als seine Exegeten.
Kluges Fernsehen
Nachts, wenn die werktätige Bevölkerung die Fernbedienung sinken lässt, schlägt die Stunde der Intellektuellen. Bei einer Quote zwischen 0,1 und 0,3%, dürfen sie das Fernsehen endlich als ihr Medium betrachten. Kulturkritik, philosophische Kamingespräche und hin und wieder eine Reportage, die mehr Geist als spektakuläre Bilder verbreitet. Obwohl sich Privatfernsehen und öffentlich-rechtliche Programme bis zur Verwechselbarkeit ähneln, gibt es doch einige Sendungen, die so niemals in der ARD oder dem ZDF laufen würden. Ihr Eigensinn ist nicht gremientauglich und würde in den parteiendurchseuchten Rundfunkräten schärfstes Entsetzen hervorrufen. Da betreibt einer eine One-Man-Show ohne Rücksicht auf Zuschauerverluste, schert sich nicht um thematische wie politische Ausgewogenheit und ist sich selbst ganz offensichtlich Maß aller Dinge. Über den Krieg redet er so gerne wie über Mythologie und über die Oper. Sein Name: Alexander Kluge.
Dabei hat es Kluge seinen Gegnern leicht gemacht. In einem abgelegen publizierten Aufsatz von 1985 mit dem Kluge-typischen Langtitel "Die Macht der Bewusstseinsindustrie und das Schicksal unserer Öffentlichkeit" kündigte er sein trojanisches Medienprogramm im Bauch der Riesen von SAT-1 und RTL detailliert an. Dieser Aufsatz ist ein Schlüsseldokument bundesrepublikanischer Mediengeschichte. Er hätte an vorderster Stelle in den Sammelband hineingehört, denn eine Diskussion über "Kluges Fernsehen" kann ohne ihn nicht seriös stattfinden. Die eifrig um Vernebelung und Jargonvertiefung bemühten Medienwissenschaftler scheinen ihn im Gros gar nicht zu kennen, nur an zwei Stellen findet er in Fußnoten Erwähnung. Kein Zufall: Beide Male signalisiert das eine lohnende Lektüre. Und ebenfalls kein Zufall: In beiden dieser lesenswerten Aufsätze - von Winfried Siebers und von Knut Hicketier - geht es um historische Fragestellungen. Einmal darum, wie Kluge geschichtliche Themen in seine Sendungen integriert, und einmal um die medienhistorische Bedeutung Alexander Kluges selbst. Für den siebzigjährigen Jubilar, einen der wenigen konsequenten Selberdenker im deutschen Kulturbetrieb, muss es allerdings tief frustrierend sein, dass sein eigenes Werk andere so sehr zum Schwafeln und so wenig zum Denken anregt. Aber vielleicht ist Kluge doch einfach klüger als seine Exegeten.