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Knast ohne Funkverbindung

Mobilfunk. – Mit immer kleineren Handys können Strafgefangene auch aus dem Gefängnis heraus rechtswidrigen Kontakt zur Außenwelt halten. In der schweizerischen Justizvollzugsanstalt Lenzburg im Aargau lässt die Anstaltsleitung daher ein Störsystem errichten, mit dem selbst SMS nicht mehr möglich ist.

Von Peter Welchering | 04.01.2008
    Justizvollzuganstalt Lenzburg im schweizerischen Kanton Aargau. Direkt unter dem Dach im Gefängnisflügel gleich gegenüber der früheren Anstaltskapelle, die gerade zu einem Fitnessraum umgebaut wird, arbeiten zwei Techniker eines israelischen Mobilfunkspezialisten an der Feineinstellung einer so genannten Jamming-Anlage, mit der Anstaltsdirektor Marcel Ruf Mobilfunkgespräche in die Anstalt hinein und aus der Anstalt heraus unterbinden will.

    "Wir haben ein Jamming-System eingebaut, so dass jeder Flügel einzeln durch ein Jammer-Gerät gestört wird. Man versucht, den Verbindungsaufbau festzustellen, detektiert diesen, und gibt dann ein entsprechend langes Störsignal aus, damit kein Verbindungsaufbau gemacht werden kann."

    Seit eineinhalb Jahren wird das Mobilfunkstörsystem im Lenzburger Gefängnis aufgebaut, erprobt und ausgebaut. Dabei haben die Verantwortlichen gelernt, dass das Aufspüren von Mobilfunksignalen über sogenannte Detektionskabel direkt mit den ganz schmalbandigen auf einzelne Mobilfunkkanäle ausgerichteten Störkabeln verbunden sein muss. Direktor Marcel Ruf:

    "Also, der Hersteller wollte ursprünglich auch breitbandig stören, hat dann aber festgestellt, dass das nicht funktioniert, damit er alle Resultate erreichen kann, und hat jetzt kanalspezifisch schmalbandig gestört. Die drei Netze."

    Und das sind in der Schweiz 900 und 1800 Megahertz für das GSM-Netz und 2200 Megahertz für das UMTS-Netz. Die Frequenzabstimmungen für die Störkabel sind eine ausgesprochen mühselige und aufwändige Angelegenheit, die viele Probleme mit sich brachte. Deshalb war in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg richtig viel Pionierarbeit in Sachen Mobilfunk-Jamming angesagt. Ruf:

    "Ein Problem, wo wir hatten, war bei den DECT-Telefonen, also bei den Haustelefonen, die etwa auf 1850er-Frequenzen arbeiten, da hatte er das Problem, die Kurve, die bei 1820 runterkommt, relativ steil machen musste, damit wir unsere Haustelefone nicht gestört bekommen."

    Ein weiteres Problem ist das Aufspüre von SMS-Nachrichten. Denn um eine SMS zu bemerken, hat das Störsystem nicht viel Zeit. Ruf:

    "Das Gerät muss auch SMS detektieren können. Wir hatten ja früher, seit 1999 die Mobifinder im Einsatz, das sind diese kleinen mobilen Geräte. Da hatte man noch genügend lange Zeit, denn die Gefangenen telefonierten fünf oder zehn Minuten, sie zu finden. Unterdessen haben sie umgestellt auf Kurztelefonate, auf SMS, und mit diesen sind sie dann fast nicht mehr zu finden. Aber unser Jamming-System muss beides können. Sonst würden wir es auch nicht akzeptieren."

    300.000 Franken kostet das in Lenzburg installiert Jammingsystem. Ob das eine gute Investition war, wird sich in den nächsten Monaten entscheiden. Denn dann messen die Mobilfunkanbieter rund um das Gefängnis, ob der normale Mobilfunkbetrieb durch die Jamminganlage gestört wird. Aber Direktor Marcel Ruf ist sich sicher, dass die 30sekündigen Störsignale, die das System aussendet, nachdem innerhalb des Anstaltsareals ein Mobilfunksignal erkannt wurde, innerhalb der Gefängnismauern bleiben. Die sind nämlich in der über 140 Jahre alten Anlage in Lenzburg teilweise mehr als einen Meter dick. Für den Gefängnisalltag hat das Jamming-System schon heute Konsequenzen. Ruf:

    "Das eine ist, wir finden seit einem Jahr weniger Handys als vorher. Und das zweite ist, das hört man auch aus Gefangenen, die einem ab und an etwas zutragen: Der Marktpreis ist von vorher 1000 Franken, also etwa 700 Euro auf unter 150 Euro gefallen."

    Auch unter Gefangenen gelten offensichtlich marktwirtschaftliche Verhältnisse. Ein Handy, dessen Funktion mit einer Jamminganlage gestört wird, fällt im Preis und wird für die Gefangenen unattraktiv. Ohne ständige Frequenzüberprüfung und sorgfältige Abstimmungsarbeiten auf die von den Mobilfunkanbietern genutzten Kanäle wird solch ein Mobilfunkstörsystem allerdings schon noch kurzer Zeit wirkungslos. Werden nämlich Antennen neu ausgerichtet oder aufgebaut, Funkzellen neu zugeschnitten oder den topografischen Verhältnissen angepasst, verändern die Provider oftmals geringfügig die Frequenzen und Kanäle. Das passiert auch ohne Anlass, um die Sende- und Empfangsleistung zu optimieren. Ruf:

    "Die Mobilanbieter können ja, und das machen sie auch, wir hatten das diesen Herbst gemerkt, dass ein Anbieter die Frequenz leicht verändert hatte. Da muss man ein bis zweimal im Jahr diese Messungen noch zusätzlich durchführen zum Sichersein, dass die Einrichtung immer noch korrekt im Verhältnis zu den Mobilantenne betrieben wird."

    Auch dann bleiben immer noch zahlreiche Möglichkeiten, die Störanlage auszutricksen. Das ändert aber, Marcel Ruf zufolge, nichts an ihrer abschreckenden Wirkung.

    "Ich sage immer: Das System muss nicht unbedingt immer 100 Prozent funktionieren. Es muss einfach eine so hohe Unsicherheit mit sich bringen, dass ich nicht auf die Idee komme, etwas hereinzuschmuggeln, weil ich damit rechnen muss, dass es nicht geht."