Samstag, 20. April 2024

Archiv


Knollen der Begierde

Geologie. - Auf der Suche nach alternativen Energiequellen wächst das Interesse an Methanhydraten. Diese Gemische aus Erdgas und Wassereis kommen vielerorts im Meeresboden vor. Ihr Abbau könnte sich überdies mit der Deponierung des Klimagases CO2 verbinden lassen. Was an dieser Idee dran ist und wie sich die Hydrate am besten fördern lassen, will ein Konsortium aus Forschung und Industrie herausfinden.

Von Dagmar Röhrlich | 30.01.2008
    Methanhydrate - das ist Erdgas, das bei hohen Drücken und tiefen Temperaturen in Käfigen aus Wassereiskristallen gefangen ist. Stimmen die Bedingungen, können sich diese brennbaren Eisklumpen in großen Mengen im Meeresboden bilden:

    " Das Methan entsteht so in ein oder zwei oder drei Kilometern Tiefe durch Bakterien, durch die so genannte tiefe Biosphäre, die brütet das aus. Und dann steigt es aus diesen paar Kilometern Tiefe zur Oberfläche auf und friert in den oberen paar 100 Metern der Sedimentsäule als Hydrat aus. "

    Klaus Wallmann, Leiter der Arbeitsgruppe "Marine Geosysteme" am IFM-Geomar in Kiel. Dass an den Kontinentalabhängen der Weltmeere gewaltige Mengen dieses brennbaren Eises liegen, hat die Begierde der rohstoffhungrigen Welt geweckt:

    " Die letzten Zahlen, die es gibt, die liegen so bei 3000 Gigatonnen Kohlenstoff in diesen Methanhydratvorkommen. Meine Schätzungen ist, das wir rund zwischen 10 und 50 Prozent dieser 3000 Gigatonnen abbauen können. "

    Bei zehn Prozent wäre das immer noch dreimal mehr Gas als in den heute bekannten und ökonomisch abbaubaren Erdgaslagerstätten steckt. Bei derzeitigen Rohstoffpreisen lohnt sich der Abbau überall dort, wo es in massiven Lagen vorkommt. Wallmann:

    " Groß und massiv bedeutet, dass man Lagen hat aus Gashydrat, die, sagen wir mal, mindestens 20 Meter mächtig sind, und die dann ungefähr zur Hälfte aus Hydrat tatsächlich bestehen, und sich dann auch über Flächen von vielen 100 Quadratkilometer oder sogar vielleicht 1000 Quadratkilometer erstrecken. Davon haben die Inder jetzt gerade mehrere Lagerstätten gefunden und auch die Chinesen in ihren Hoheitsgewässern, und davon gibt es wahrscheinlich sehr viele. "

    Die Volksrepublik China und Indien, Südkorea, Taiwan suchen mit viel Geld nach Methanhydratlagerstätten. China wurde in großem Maßstab fündig, ebenso Indien. Die Chilenen hoffen auf Methanhydratlagerstätten, ebenso die USA, Kanada und Norwegen. Was noch fehlt, ist die Fördertechnik. Aber das dürfte kein so großes Problem sein, glaubt Hydratexperte Gerhard Bohrmann von der Universität Bremen:

    " Das ist im Prinzip eine Technologie, die aus der Erdölproduktion kommt, die muss noch angepasst werden an diese großen Tiefen, und das sollte eigentlich kein Problem sein. "

    Allerdings gleichen die Förderbedingungen in einer Gashydratlagerstätte eher denen im Kohleflöz: Man muss die Gas über eine große Fläche fördern. Dafür gibt es mehrere Methoden. Eine wäre, über das Bohrgestänge eine warme Flüssigkeit in die Lagerstätte zu schießen, die die Eiskäfige des Hydrats auftaut und das Methan freisetzt. Viel problematischer ist die Förderung für das Klima. Werden diese gigantischen Methanmengen tatsächlich verbrannt, entstehen ebenso gigantische Mengen an Treibhausgasen. Damit das Klima nicht endgültig aus den Fugen gerät, wollen Forscher aus der Not eine Tugend machen, denn in den Eiskäfigen der Hydrate lässt sich nicht nur Methan einschließen, sondern auch Kohlendioxid. Wallmann:

    " Und wenn das gelingen würde, da könnte man auf der einen Seite das Methan nutzen und auf der anderen Seite das CO2 verklappen. "

    Denn stimmen die Druckverhältnisse, löst eindringendes Kohlendioxid die Eishülle auf und verdrängt das Methan, ehe sich der Eiskäfig erneut schließt, diesmal um das Kohlendioxid. Wallmann:

    " Das heißt, wenn man flüssiges CO2 da reinbringt, oder auch gasförmiges CO2, dann zersetzt sich das Methanhydrat spontan in Erdgas, und das CO2 wird sicher als Feststoff, als eisartiges Hydrat fixiert. "

    Damit die Reaktion läuft, braucht man sehr viel Kohlendioxid. Wenn es funktioniert wie gehofft, fördert man den wertvollen Brennstoff Methan und versenkt dafür dauerhaft viele Millionen Tonnen klimaschädliches CO2 tief hinein in die Kontinentalabhängen der Welt.

    " Wir wollen es am Ende so machen, das wir also dann größere Bereiche im Sediment mit diesen CO2-Hydrate verfüllen, als sie vorher mit Methanhydrat verfüllt waren, so dass sie am Ende mehr CO2 deponieren als wir Erdgas gewinnen. "

    Weil Kohlendioxidhydrate haltbarer sind als die mit Methan, sollen ihnen selbst die durch den Klimawandel steigenden Meerestemperaturen nichts ausmachen. Ob all' das wirklich funktioniert, muss sich noch zeigen. Allerdings würden China und Indien lieber mit konventionellen Methoden so schnell wie möglich ins Geschäft einsteigen. Eine Frage müssen sie zuvor jedoch auf jeden Fall klären: Nämlich die, ob der Meeresboden trotz Förderung stabil bleibt.