Donnerstag, 28. März 2024

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"Koalitionen sind nie Liebesheiraten"

Wenn man wichtige Gesetze machen wolle, dann komme man um eine Große Koalition nicht herum, sagt Karl-Josef Laumann, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft mit Blick auf die Mehrheiten im Bundesrat. Den Verhandlungspartnern rät er, erst einmal das Thema Steuererhöhungen auszuklammern.

Karl-Josef Laumann im Gespräch mit Christine Heuer | 04.10.2013
    Christine Heuer: Nun hat es die SPD also erwischt. Sie will zwar nicht noch einmal mit CDU und CSU im Bund regieren, ist allenthalben zu hören, aber sie kann sich dem Wählerwillen auch nicht einfach so versagen. Heute Mittag sondiert die Union mit den Sozialdemokraten. – Am Telefon ist Karl-Josef Laumann, der zwar nicht selbst dabei ist heute in Berlin, der aber in der CDU Gewicht hat. Er ist Vorsitzender der CDA, der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Präsidiumsmitglied seiner Partei im Bund und ihr Fraktionschef im wichtigen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Herr Laumann.

    Karl-Josef Laumann: Guten Morgen.

    Heuer: Sie sind – das kann ich schon verraten – für die Große Koalition. Wieso eigentlich?

    Laumann: Ja gut, man muss ganz einfach sehen, dass wir ja auch einen Bundesrat haben, und im Bundesrat haben die Sozialdemokraten und SPD-geführte Länder zurzeit eine Mehrheit, und zwar eine klare. Und wenn man wichtige Gesetze machen will, wie etwa ein Gesetz, wie wir die Energiewende machen, wie wir das EEG reformieren – ich will nur mal dieses eine Beispiel nehmen -, dann brauchen Sie dafür auch eine Bundesratsmehrheit.

    Wenn heute Leute sagen, Schwarz-Grün wäre ja auch ganz schön – ich kann nur sagen, es gibt kein einziges Bundesland, was so regiert wird, und man hätte nicht mal eine Stimme im Bundesrat.

    Also man muss beides sehen. Deutschland braucht eine stabile Regierung. Wir haben ein Wahlergebnis, was ganz klar sagt, dass die Menschen möchten, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin bleibt. Ich glaube, wenn etwas anderes dabei herum käme, würde das die Wähler anderen Parteien sehr übel nehmen. Und deswegen glaube ich auch, dass man vernünftig miteinander reden muss, auch zwischen CDU und SPD, um eine Regierung zu bilden, die im übrigen dann auch für Europa wichtig ist. Denn eine stabile Regierung in Deutschland, glaube ich, in der jetzigen Situation Europas wäre ja auch etwas Positives.

    Heuer: Herr Laumann, Sie nennen taktische oder strategische Argumente. Eine Liebesheirat mit der SPD wäre das nicht, oder?

    Laumann: Koalitionen sind, glaube ich, nie Liebesheiraten. Liebesheiraten kennt man eher privat zwischen Männern und Frauen. Es kommt in Koalitionen einfach darauf an, dass man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, dass man einen Koalitionsvertrag macht, in dem drinsteht, was in den nächsten vier Jahren gemacht wird, und dann wird das abgearbeitet. Ich finde auch nicht, dass man sich in der Politik jetzt besonders mögen muss, sondern man muss entscheiden können, dass man Verantwortung für das Land hat. Dass man natürlich auch seine eigene Wählerklientel sehen muss, die Wahlprogramme sehen muss, die man hat, das ist vollkommen klar. Aber man hat auch auf der anderen Seite als Minister die Verantwortung, dass man nicht sagen kann, das ist jetzt ein Wahlergebnis, was mir nicht gefällt, und jetzt mache ich mal Schmollwinkel oder überlege nur, was ist für mich schön, nämlich über den Bundesrat letzten Endes doch eine Große Koalition zu haben, ohne Verantwortung nach außen zu übernehmen. Also ich denke, wenn man eine gewisse Staatsräson unterlegt in dieser Frage, dann darf man vor Verantwortung nicht weglaufen.

    Steuerthema erst mal ausklammern
    Heuer: Aber Morgengaben gehören schon dazu, wenn man eine Koalition eingeht, auch wenn das keine Liebesheirat ist. Was ist denn beim Streitpunkt Steuererhöhungen? Die SPD möchte sie. Gehen Sie mit?

    Laumann: Steuererhöhungen sind für uns nicht denkbar, weil der Staat die höchsten Steuereinnahmen hat und es ein zentraler Punkt auch unseres Wahlkampfes war. Deswegen, finde ich, muss man auch nicht Koalitions-Sondierungsgespräche anfangen mit den schwersten Themen, sondern man muss erst mal die Themen abarbeiten, finde ich, die wichtig für Europa sind, die wichtig für Deutschland sind, wo man auch mehr Übereinstimmung hat.

    Heuer: Da kommen wir gleich zu, Herr Laumann. Nur die Bürger interessieren sich natürlich sehr für dieses Steuerthema und Sie sagen jetzt, die Steuererhöhungen seien ausgeschlossen. Das klang aus der CDU seit der Bundestagswahl auch schon mal ein bisschen konzilianter.

    Laumann: Ja gut. Aber ich habe hier eine ganz klare Vorstellung. Das ist eine zentrale Frage, die man im Wahlkampf bearbeitet hat, wo sich ja auch nichts an der Tatsache geändert hat, dass wir die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten haben, weil die Wirtschaft Gott sei Dank gut läuft. Da, finde ich, gibt es überhaupt keinen Grund, an dieser Aussage wackeln zu lassen, und ich finde, in so einer Frage muss man auch ganz klar aufgestellt sein.

    Heuer: Nun will die SPD ja nicht die Steuern für alle massiv erhöhen, sie will vor allen Dingen einen höheren Spitzensteuersatz. Wenn wir das jetzt mal Reichensteuer nennen, Herr Laumann, was haben Sie als Vertreter des CDU-Arbeitnehmerflügels eigentlich dagegen?

    Laumann: Die Frage ist immer, wo fängt reich an. Ich sage Ihnen noch einmal ganz klar: Wir haben in der Steuerfrage in der CDU eine klare Äußerung gemacht im Wahlprogramm, die ist auch zwischen allen Parteiflügeln abgestimmt, und ich halte diese Äußerung, die wir damals gemacht haben, für richtig und ich halte sie heute noch für richtig.

    Heuer: Auf irgendeinen Kompromiss werden Sie sich aber einlassen müssen mit der SPD, wenn das klappen soll mit der Koalition. Wie wäre es denn dann mit einem höheren Spitzensteuersatz und im Gegenzug wird die Kalte Progression abgebaut?

    Laumann: Also Sie können es ja ruhig noch mal versuchen. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir in dieser Frage klar aufgestellt sind und dass ich an dieser Aufstellung der Union nicht rütteln werde.

    Gewerkschaften und Arbeitgeber sollen Mindestlohn festlegen
    Heuer: Gut. – Dann kommen wir zu einem anderen Streitpunkt: Mindestlohn. Die SPD verlangt 8,50 Euro gesetzlichen Mindestlohn. Gehen Sie da mit?

    Laumann: Es ist so, dass beim Mindestlohn der Unterschied in den Wahlprogrammen zwischen CDU und SPD darin besteht: Der Unterschied besteht darin, dass wir nicht möchten, dass die Politik die Höhe des Mindestlohnes festlegt, sondern dass dieses Gewerkschaften und Arbeitgeber tun. Dass die Zahl, die dann Gewerkschaft und Arbeitgeber nennen, politisch zum Mindestlohn gesetzlich normiert werden muss, das ist vollkommen klar. Also beim Mindestlohn liegen, finde ich, CDU und SPD ziemlich nahe beieinander. Wenn man dann noch mal die Meinungen der großen Gewerkschaften mit dazunimmt, dann, finde ich, müsste man sich in dieser Frage schon verständigen können.

    Heuer: Auch auf die Höhe von 8,50 Euro?

    Laumann: Nein. Ich habe nicht gesagt, dass wir uns jetzt über eine Höhe unterhalten, sondern wir werden uns darüber unterhalten, dass wir einen Mindestlohn wollen und dass es doch schlau ist, dass die Frage der Höhe nicht CDU und SPD aushandeln, sondern Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften aushandeln. Mit dieser Position, finde ich, muss man erst einmal in Gespräche gehen. Und da ja auch zum Beispiel ein erfahrener Gewerkschaftsführer wie Herr Huber von der IG Metall dabei ist und sagt, ja, ihr könnt die Gewerkschaften in dieser Frage nicht außen vor lassen, warten wir es doch mal ab, wie eine solche Frage ausgeht. Entscheidend ist doch, dass es in Deutschland einen Mindestlohn gibt, auf den die Leute sich verlassen können.

    Heuer: Und da macht die CDU mit?

    Laumann: Da macht die CDU mit, weil das genau unser Beschluss vom Leipziger Parteitag ist.

    Betreuungsgeld und Pkw-Maut
    Heuer: Nun stellt ja neben der CDU und der SPD auch die CSU Forderungen. Zum Beispiel möchte sie unbedingt das Betreuungsgeld behalten. Würden Sie darauf verzichten?

    Laumann: Nein, weil das Betreuungsgeld eine Leistung ist, die eingeführt ist. Ich finde auch, wir sind ein Land, das sagt, wir wollen eine Wahlfreiheit haben zwischen der Frage, ob ein Kind in die Kita geht, oder ob es zuhause erzogen wird, dass wir dann auch eine Leistung zuhause anerkennen müssen. Und wir müssen ja auch eine zweite Sache sehen, das müssen im übrigen auch Sozialdemokraten sehen. Wir haben gerade in einem Riesenkraftakt für 30 Prozent der Kinder, die geboren werden, einen Kita-Platz. Das heißt, 70 Prozent werden immer noch außerhalb einer Kita betreut, vor allen Dingen zuhause, und ich finde, diese Zahlen darf man ja auch nicht ganz ignorieren.

    Heuer: Was ist denn mit der Pkw-Maut für Ausländer, auch eine Forderung der CSU? Auf irgendwas muss die Union ja am Ende verzichten. Darauf?

    Laumann: Ja gut. Aber dann sehen Sie doch mal folgende Frage in dieser Angelegenheit: Wir hatten vor zwei Tagen eine große Verkehrsminister-Konferenz in Deutschland, an der der Bundesverkehrsminister beteiligt war, die 16 Landesverkehrsminister beteiligt waren. Ich finde, die haben doch gute Vorschläge gemacht, wie man mit der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland umgehen kann. Und da ist auch der Punkt drin, dass man ernsthaft prüfen muss, wie man zu einer Pkw-Maut kommen kann, ohne die deutschen Autofahrer zusätzlich zu belasten.

    Heuer: In der nächsten Legislaturperiode, haben Sie gesagt, Herr Laumann, werde es sozialpolitische Reformen geben, die mit der FDP nicht möglich waren. Sie hoffen da offenbar auf die SPD. Freuen Sie sich, den alten Koalitionspartner los zu sein?

    Laumann: Nein. Ich glaube, Koalitionspartner sind ja nie Liebesheiraten, sondern es geht darum, dass man für eine bestimmte Zeit ein gemeinsames Programm macht. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass die FDP in den Bundestag kommt. Dann hätten wir zurzeit die Probleme ja nicht, über die wir heute Morgen miteinander reden, dass eine Regierungsbildung so schwierig ist.

    Heuer: Aber in der Sozialpolitik sind Sie persönlich der SPD ja viel näher als der FDP.

    Laumann: Ja gut. Die Sozialpolitik ist ein Bereich. Es war ein Fehler der FDP, dass sie beim Mindestlohn so lange nein gesagt hat. Ich bin fest davon überzeugt, wenn die FDP hier nachgegeben hätte, wäre sie auch heute noch im Bundestag, denn ich kenne unheimlich viele Selbständige, die sagen, wir sind diesen Preisdruck, diesen Kampf um die niedrigen Löhne schlicht und ergreifend leid, wir wollen den Wettbewerb über Qualität, über Vertrauen, über Innovation, aber nicht über die Frage, wer findet den billigsten Arbeitnehmer. Hier hat die FDP einfach überzogen und hat damit im übrigen auch kaltherzig und unsozial gewirkt.

    Erst Koalitionsverhandlungen, dann Personalfragen
    Heuer: Herr Laumann, angeblich wird ja jetzt bei dieser Sondierung noch nicht über Personalfragen gesprochen. Hinter den Kulissen wird das aber eine Rolle spielen und man hört, Thomas Oppermann wolle Wolfgang Schäuble, also Finanzminister werden. Ist dieser Posten für Sie verhandelbar?

    Laumann: Ach wissen Sie, das ist ja nun das verkehrteste, was man machen kann.

    Heuer: Aber wird gemacht!

    Laumann: Ja. Aber ich wette, dass heute in Berlin, ohne dass ich dabei bin, nicht über Personal geredet wird. Es gibt eine gute Tradition bei Koalitionsverhandlungen, dass man erst einmal sondiert, kann man überhaupt zu ernsthaften Gesprächen kommen, denn wenn man sich auf Koalitionsverhandlungen einlässt, ist es ja gar nicht so einfach, wieder auszusteigen. Also will man wirklich über wichtige politische Fragen ernsthaft miteinander reden, auch in die Richtung, dass keiner 100 Prozent seines Wahlprogramms umsetzen wird? Und dann gibt es Koalitionsverhandlungen und ganz am Ende stehen die Personalfragen, und dabei sollte man es auch belassen.

    Wenn man wichtige Gesetze machen wolle, dann komme man um eine Große Koalition nicht herum, sagt Karl-Josef Laumann, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft mit Blick auf die Mehrheiten im Bundesrat. Den Verhandlungspartnern rät er, erst einmal das Thema Steuererhöhungen auszuklammern.

    Heuer: Aber Sie fänden es schon gut, wenn Wolfgang Schäuble im Amt bliebe?

    Laumann: Ich finde, jedes Ressort, was die CDU besetzen wird, ist ein gutes Ressort, und dass Wolfgang Schäuble ein klasse Finanzminister ist und dass er ein Riesenansehen in Europa hat und deswegen eine gute Arbeit für Deutschland macht, ich glaube, das muss jeder so sehen. Deswegen würde ich mir sehr wünschen, dass er dieses Amt behält.

    Heuer: Kurz zum Schluss, Herr Laumann. Sie selbst haben keine Sehnsucht nach Berlin? Sie kennen das ja, Sie waren ja mal sozialpolitischer Sprecher im Bundestag.

    Laumann: Der Deutsche Bundestag ist natürlich immer eine interessante Bühne. Aber ich habe mich nun mal vor Jahren entschieden, hier in die Landespolitik zu gehen, und ich habe hier eine wichtige Aufgabe und ich finde, die ist schwierig genug, aber auch wichtig genug, dass man da schon auch Spaß daran hat und eine Verantwortung hat, das zu machen.

    Heuer: Und als Minister Spaß und Verantwortung in Berlin, das wollen Sie nicht?

    Laumann: Ich glaube, dass wir dabei bleiben sollen, dass wir heute nicht über Personal reden. Aber ich glaube, dass ein Fraktionsvorsitzender im Landtag eine wichtige Aufgabe hat, zumal wenn er der Oppositionsführer ist.

    Heuer: Karl-Josef Laumann von der CDU – haben Sie Dank fürs Gespräch.

    Laumann: Danke schön! Auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.