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Koalitionsausschuss
Hasselfeldt: Frauen sollen besser bezahlte Berufe wählen

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hat den Kompromiss der Koalitionsspitzen zur Lohngerechtigkeit von Männern und Frauen verteidigt. Man habe abwägen müssen zwischen mehr Transparenz für Mitarbeiter und dem Aufwand für Unternehmen, sagte Hasselfeldt im Deutschlandfunk. Die Einigung sei gelungen.

Gerda Hasselfeldt im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 07.10.2016
    Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt
    Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt (dpa / picture-alliance / Wolfgang Kumm)
    Hasselfeldt kündigte an, die Pläne würden noch in den eigenen Reihen diskutiert. Man habe abwägen müssen zwischen mehr Transparenz für Mitarbeiter und dem Aufwand für Unternehmen, sagte Hasselfeldt im Deutschlandfunk. Die Einigung sei gelungen. Zuvor hatte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten, den Kompromiss kritisiert. Der CDU-Politiker sagte der "Bild"-Zeitung, im Koalitionsvertrag sei ein Auskunftsanspruch für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern vereinbart. Nun habe man sich auf die Marke von 200 Beschäftigten festgelegt. Das dürfe so im Bundestag nicht beschlossen werden.
    Hasselfeldt betonte, im Vergleich zu den, was Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) geplant habe, halte sich die Bürokratie in dem Kompromissvorschlag in Grenzen. Sie sagte zudem, Lohngleichheit könne man nicht allein mit einem Gesetz regeln.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon begrüße ich zunächst Gerda Hasselfeldt von der CSU. Sie ist erste stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Vorsitzende der CSU-Landesgruppe. Schönen guten Morgen, Frau Hasselfeldt.
    Gerda Hasselfeldt: Guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Frau Hasselfeldt, die Koalition verteilt Wohltaten über Steuersenkungen und Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags. Ansonsten vertagt sie wichtige Themen wie die Rente und einigt sich auf einen lauen Kompromiss zur Entgeltgleichheit. Ist es das gewesen, was von der Koalition noch zu erwarten ist bis zur Wahl?
    Hasselfeldt: Wir haben nicht etwas vertagt, sondern wir haben auch ausgiebig über die Rente gesprochen. Das Problem ist allerdings so kompliziert, dass man es nicht in wenigen Stunden einfach dann schon abschließen kann, sondern wir haben uns darauf verständigt, dass wir bei der Rentenfrage die Gesamtversorgung im Blick haben und deshalb über alle Themen von der gesetzlichen Rente über die betriebliche Rente, die private Zusatzversorgung, die Ost-West-Angleichung, die Erwerbsunfähigkeitsrente und all diese Punkte noch einmal im kleinen Kreis uns austauschen und dann aber in wenigen Wochen auch zu einem Ergebnis kommen. Das Thema ist so umfangreich, dass es sich lohnt, auch wirklich intensiv nicht nur einmal darüber zu reden. Im Übrigen ja auch andere Probleme wie beispielsweise die Sicherheitsfragen oder die Entgeltgleichheit.
    "Entgeltgleichheit wird nicht durch Gesetz allein erledigt"
    Heckmann: Zur Entgeltgleichheit wollte ich gerade kommen. Da gilt ja das Recht der Mitarbeiter, informiert zu werden über das Gehalt von Kollegen, nur für Unternehmen mit über 200 Mitarbeitern. Das heißt, viele Arbeitnehmer, die wird das gar nicht betreffen. Sind Sie zufrieden, dass Sie die SPD an dieser Stelle ausgebremst haben?

    Hasselfeldt: Es war hier die Aufgabe, dass wir eine Lösung finden, die auf der einen Seite mehr Transparenz bringt, was die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern betrifft, und zum zweiten aber auch den für die Unternehmen damit verbundenen Aufwand in Grenzen hält. Und das dritte ist dann auch noch die Stärkung der Tarifpartner. Ich denke, das alles ist in einem Kompromiss gut gelungen. Wir haben die Bürokratie in Grenzen gehalten im Vergleich zu dem, was die Familienministerin zunächst einmal vorgesehen hat. Der Bürokratieaufwand ist deutlich reduziert worden und es sind dabei die Tarifparteien und der Betriebsrat gestärkt worden, was ein ganz wichtiger Aspekt ist. Im Übrigen wissen wir alle, dass die Gleichheit, die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern nicht durch ein Gesetz alleine erledigt werden kann, sondern dass auch die Frauen selbst gefordert sind, hier selbstbewusst zu verhandeln und auch sich in Berufsfeldern zu bewegen, die gut bezahlt werden.
    Heckmann: Aber, Frau Hasselfeldt, dass es sich dabei um einen guten Kompromiss handelt, das sieht der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, der CDU-Politiker Christian von Stetten, völlig anders. Da gibt es entsprechenden Widerstand. Er hat der "Bild"-Zeitung heute gesagt, im Koalitionsvertrag sei dieser Auskunftsanspruch für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern erst vereinbart. Die Koalition hat sich jetzt auf eine Schwelle ab 200 Beschäftigten festgelegt. Und weiter: Das dürfe so im Bundestag nicht beschlossen werden. Haben Sie sich also von der SPD dann doch in gewisser Weise über den Tisch ziehen lassen?
    Hasselfeldt: Im Laufe der Gespräche ist uns ja auch bekannt geworden, dass es bereits einen Auskunftsanspruch bei Betrieben mit Tarifverträgen und Betriebsrat beispielsweise jetzt schon ab 200 Mitarbeitern gibt. Deshalb war dann die Orientierung, an der man sich auch für die anderen orientierte, bei 200 Mitarbeitern. Ich glaube, das müssen wir auch ein Stück weit in den eigenen Reihen natürlich noch diskutieren.
    Heckmann: Glauben Sie, dass das Christian von Stetten noch nicht richtig verstanden hat?
    "Die Interessenslage ist bei dem Thema sehr unterschiedlich"
    Hasselfeldt: Nein, das will ich ihm gar nicht unterstellen, sondern dass natürlich die Interessenslage bei diesem Thema unterschiedlich ist, das liegt ja auf der Hand und das muss man auch respektieren. Andererseits muss man aber auch respektieren, dass wir einen Kompromiss finden mussten, der verschiedene Aspekte unter einen Hut bringt, beispielsweise die größere Transparenz in den Unternehmen und den Aufwand in Grenzen zu halten. Das alles muss in eine gemeinsame Linie dann gebracht werden und ich denke, das ist gelungen. Dass dazu Gespräche noch notwendig sind, ist ja ganz normal.
    Heckmann: Die Interessenlagen sind unterschiedlich, sagen Sie, Frau Hasselfeldt. Christian von Stetten würde natürlich für sich in Anspruch nehmen, dass er die Interessen des Mittelstandes vertritt. Sie nicht?
    Hasselfeldt: Natürlich auch. Bei dem Gespräch sind ja auch im Vorfeld der Gespräche auch die Sozialpartner mit einbezogen worden und wir diskutieren den Gesetzentwurf mit Sicherheit noch intensiv auch während der parlamentarischen Beratungen. Es ist ja auch noch nicht so, dass der Gesetzentwurf voll ausformuliert auf dem Tisch liegt. Das was wir besprochen haben und als Grundlage für den Gesetzentwurf jetzt erarbeitet haben sind Eckpunkte, an denen sich der Gesetzentwurf zu orientieren hat.
    Heckmann: Da sind noch einige Änderungen möglich aus Ihrer Sicht, auch im Sinne der Mittelstandskollegen?
    !Hasselfeldt: Nicht im Grundsatz. Die Grundsatzfragen sind mit der Entscheidung gestern so getroffen worden und sie sind nach intensiven Diskussionen der letzten Wochen auch mit Sozialpartnern getroffen worden und dann werden wir, so wie das üblicherweise im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren der Fall ist, natürlich dann den Gesetzentwurf zuerst im Kabinett und dann auch in den parlamentarischen Beratungen beraten.
    Heckmann: Frau Hasselfeldt, zum Grundsatz gehört, dass sich Arbeitnehmer in Zukunft über das Gehalt der Kollegen informieren können, wenn es sich um vergleichbare Tätigkeiten handelt. Da ist natürlich die Frage, was ist vergleichbar, und dazu soll ein kompliziertes Punktesystem eingeführt werden. Ist das nicht eine unglaubliche Bürokratie, die da auf die Wirtschaft zukommt?
    Hasselfeldt: Das werden wir dann im parlamentarischen Verfahren uns genau anschauen. Das kann man ja erst entscheiden, wenn man den Gesetzestext vor sich hat, und deshalb werden auch noch natürlich Beratungen und Gespräche stattfinden. Das ist ganz normal.
    Hesselfeldt: Forderung Seehofers kein persönlicher Angriff
    Heckmann: Kommen wir zum Abschluss noch mal zu Horst Seehofer selbst, Frau Hasselfeldt. Der heizt die Personalspekulationen ja derzeit heftig an. Er meint, in Zukunft muss der CSU-Chef in Berlin am Kabinettstisch sitzen, damit die CSU wieder schlagkräftig in Berlin vertreten ist. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber wie sehr nehmen Sie das eigentlich persönlich?
    Hasselfeldt: Ich nehme das überhaupt nicht persönlich. Wir hatten das übrigens auch schon in früheren Jahren, dass der Parteivorsitzende Mitglied das Kabinetts war. Wir hatten in der Geschichte der CSU schon alle möglichen verschiedenen Konstellationen und das hängt im Übrigen ja immer davon ab, welche Personen zur Verfügung stehen und welche Aufgaben in welcher Koalitionskonstellation zu lösen sind. Ich lege meinen Schwerpunkt der Arbeit darauf, dass ich das, was ich jetzt an Verantwortung habe, gut wahrnehme, und ich denke, wir sind alle miteinander gut beraten, wenn jeder an seiner Stelle seine Arbeit gut macht, denn schließlich haben wir ja noch ein Jahr in dieser Koalition.
    Heckmann: Sie sehen das nicht als Misstrauenserklärung Ihres Parteichefs?
    Hasselfeldt: Ich habe keinen Grund zu dieser Annahme, weil ich mit Horst Seehofer eine gute, intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit pflege.
    Heckmann: Gut, Frau Hasselfeldt. An der Stelle müssen wir einen Punkt machen. Gerda Hasselfeldt war das von der CSU, stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Schönen Dank für Ihre Zeit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.