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Koalitionsklausur in Meseberg
"Jetzt ist die Zeit, konkrete Politik umzusetzen"

Öffentlicher Streit um den Islam oder Hartz IV - der Start der Großen Koaltion sei holprig gewesen, sagte Parteienforscherin Christine Landfried im Dlf. Ein Grund: "Im Koalitionsvertrag wurden viele Konflikte nur zugedeckt", so Landfried. Die Kabinettsklausur sei daher wichtig, um Ungereimtheiten aus der Welt zu schaffen.

Christine Landfried im Gespräch mit Christiane Kaess | 10.04.2018
    Die Politikwissenschaftlerin und Parteienforscherin Christine Landfried
    Die Politikwissenschaftlerin und Parteienforscherin Christine Landfried (Bert Brüggemann)
    Christiane Kaess: Ob das etwas aussagen soll, wissen wir nicht. Aber es ist zumindest ein schönes Detail: Angela Merkel übernachtet bei der Klausur in Meseberg in dem Barockschloss aus dem 18. Jahrhundert; der Rest des Kabinetts nebenan. Ohnehin werden die Nächte wohl kurz sein, denn tagsüber bestimmt auf Schloss Meseberg ein vollgepackter Zeitplan die Kabinettsklausur.
    Am Telefon ist jetzt die Politikwissenschaftlerin Christine Landfried. Guten Tag!
    "Einige Ungereimtheiten können ausgeräumt werden"
    Christine Landfried: Guten Tag, Frau Kaess.
    Kaess: Was erwarten Sie sich denn von diesem viel zitierten Geist von Meseberg? Bringt das was, sich zusammen an den Tisch zu setzen, um die Kontroversen der letzten Wochen auszuräumen?
    Landfried: Ja, das bringt etwas, denn es sind ja auch einige neue Mitglieder in dieser Regierung, und im täglichen Geschäft hat man ja wenig Zeit, mal in Ruhe über Dinge zu sprechen, und ich denke schon, dass man mal einen Abend zusammensitzen kann und auch mal in einer nicht so formellen Atmosphäre. Das ist doch ein Kennenlernen und da kann man vielleicht doch dann einige Ungereimtheiten, wie sie ja jetzt in der Öffentlichkeit zutage getreten sind, ausräumen. Insofern ist eine solche Klausur ganz bestimmt sinnvoll.
    Kaess: Sie sprechen von Ungereimtheiten. Auch Sie finden, dieser Regierungsstart ist nicht so ganz gelungen?
    Landfried: Dieser Start war nicht gelungen, aber das konnte man im Grunde auch nicht erwarten, denn im Koalitionsvertrag wurden ja viele Konflikte einfach nur zugedeckt. Es waren ja eine Art Formelkompromisse und das hat sich nun sehr schnell gezeigt. Bei der Frage der Migrationspolitik konnte man das im Grunde voraussehen. Dass nun aber so schnell dieses zu einem Streitpunkt, zu einem öffentlichen Streitpunkt kommt, das war dann vielleicht doch etwas überraschend.
    Ich denke mal, das sind jetzt Punkte, das darf nicht einfach so weitergehen. Dieses Holprige am Anfang - für die letzte Große Koalition haben wir das auch gesehen -, das ist nichts Ungewöhnliches, aber es ist jetzt Zeit, dass wirklich konkrete Politiken umgesetzt werden und nicht einfach nur in der Öffentlichkeit über Schlagworte diskutiert wird.
    "Die Profilierung der Partner in dieser Koalition schwierig"
    Kaess: Bleibt dabei nicht dieser Bremsklotz der Großen Koalition, dass sich beide Seiten stärker profilieren wollen, voneinander absetzen wollen als in der letzten Legislaturperiode?
    Landfried: Das ist ein Problem, das ist klar. Wenn sich eine Partei, wie ja die Sozialdemokraten das oft betont haben, erneuern möchte, aber in der Regierung ist, ist das nicht einfach. Und die Profilierung ist natürlich für beide Seiten, da sowohl die Union als auch die SPD ja geschwächt in diese Koalition gegangen sind, innerhalb der Koalition schwieriger geworden. Insgesamt hat auch diese Große Koalition weniger, eine geringere Mehrheit, und deswegen, denke ich, ist die Profilierung der Partner in dieser Koalition schwierig.
    Kaess: Sollte es jetzt zu einer Zurechtweisung kommen von den Ministern Spahn und Seehofer? Das fordert man ja in der SPD.
    Landfried: Zurechtweisung – das klingt ein bisschen nach Strafe. Das ist sicher kein guter Umgang miteinander. Es ist ja eine Koalition, es sollen ja Partner sein. Aber es wäre richtig, dass diese Art und Weise, öffentlich miteinander zu diskutieren, jetzt zur Sprache kommt.
    Kaess: Und die Kanzlerin sollte sich da ein bisschen mehr hervortun?
    Landfried: Ja, denn die Kanzlerin bestimmt die Richtlinien der Politik.
    "Merkel muss letztlich alle Fäden in der Hand haben"
    Kaess: War sie da zu passiv bisher?
    Landfried: Ich halte es für klug, jetzt abzuwarten, bis man sich da jetzt getroffen hat. Aber dann kommt die Kanzlerin nicht darum herum, Stellung zu beziehen, und ich denke schon, das ist das Wichtige. Sie muss ja letztlich alle Fäden in der Hand haben.
    Kaess: Glauben Sie, das ändert sich nach der bayerischen Landtagswahl, dass Horst Seehofer dann vielleicht etwas gemäßigter auftreten wird?
    Landfried: Bei Horst Seehofer gehe ich davon aus, dass er eine ganz bestimmte Richtung in der Migrationspolitik vertritt, und die wird sich auch nach der Landtagswahl in Bayern nicht ändern.
    Kaess: Wie hinderlich ist der Kampf um die Nachfolge Angela Merkels? Da sagt man ja Jens Spahn nach, der wird sich weiterhin damit versuchen zu profilieren.
    Landfried: Das halte ich im Moment nicht für ein vorrangiges Thema, denn diese Nachfolge ist jetzt nicht so akut, dass dieses das zentrale Problem dieser Großen Koalition wird.
    "Kompromisse gehören zu einer Koalition"
    Kaess: Aber die Nachfolgedebatte schwelt doch unterschwellig.
    Landfried: Sie schwelt. Aber ich muss wirklich sagen, das ist im Moment nicht das aktuelle Problem, und dieses wird bestimmt nicht der Punkt sein, an dem hier die wichtigsten Hürden für die Zusammenarbeit in der Großen Koalition liegen.
    Kaess: Noch kurz den Blick auf die SPD zum Schluss. Die hat ja gerade ihre Pläne zur Erneuerung der Partei vorgestellt. Und da sagt Generalsekretär Lars Klingbeil, er will, dass die SPD eine mutige Partei ist, die nicht immer versucht, den Kompromiss vorzudenken. Geht so was überhaupt in einer Regierungskoalition?
    Landfried: Kompromisse gehören zu einer Regierungskoalition. Und dass natürlich die Partei sich davon absetzen will, das kann man verstehen. Mut ist ein sehr allgemeines Wort, aber das hat nichts damit zu tun, dass das mit Kompromissen gleichzusetzen ist. Kompromisse gehören zu einer Koalition und ich finde, das hat gar nichts mit Mut zu tun. Insofern ist diese Gegenüberstellung, die hier von der SPD versucht wird, völlig falsch.
    Kaess: … sagt die Politikwissenschaftlerin Christine Landfried. Danke für das Gespräch heute Mittag.
    Landfried: Auf Wiederhören, Frau Kaess.
    Kaess: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.