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Köln
Gedicht-Performance im öffentlichen Raum

Mehr als 20 Jahre hat der verstorbene Schriftsteller, Autor und Journalist Jens Hagen an seinem experimentellen Gedicht gearbeitet. Der gesamte Text von "Nie ankommen - Köln Poem" ist inzwischen erschienen. Die Theatergruppe Drama Köln hat eine Art Live-Hörspiel daraus entwickelt, in dem Hagens Beobachtungen auf Kölns Gegenwart treffen.

Von Julia Batist | 16.07.2014
    Die Skyline von Köln - aufenommen bei leichtem Dunst.
    Jens Hagen soll bevorzugt nachts durch Köln gelaufen sein. (picture alliance / dpa - Henning Kaiser)
    "Hier kommt man an, hier trifft man sich, fährt ab, steigt um. Bewegungen im Rhythmus der Ampeln und Bahnen. Die Kinos warten, die Geschäfte, Kneipen, Restaurants (...)
    Alte Straße in der Stadt schon zur Römerzeit gepflastert, Hauptstraße, Lebensader (...)"
    Zufällig ausgewählte Passanten lesen Lyrik. Mitten auf dem Rudolfplatz auf dem sonst jeder schnell seiner Wege geht. Menschen wollen von A nach B. U-Bahn-Stationen, Bushaltestellen, einige Geschäfte. Drum herum tobt der Stadtverkehr. An der steinernen Hahnentorburg, ein Teil der mittelalterlichen Stadtmauer, hängen Plakate. Sätze wie "Nachts wenn alle Katzen grau sind". An Bäumen sind Schilder mit Wörtern befestigt.
    "Fragmente für den Rudolfplatz" heißt ein Teil des Köln Poems von Jens Hagen. Er wird hier auf einer interaktiven Bühne präsentiert. Die Zuschauer verfolgen das Stück mit Kopfhörern. Im Hintergrund steht die Regisseurin an einem Mischpult, mixt Stimmen durcheinander, übereinander und mit Musik. Drei Schauspieler lesen Teile des Gedichts, Passanten, plötzlich auch die Stimme des Dichters.
    "Vier Schritte einatmen, vier Schritte ausatmen."
    Hagens Gedicht trifft heute auf die Gegenwart
    40 Jahre lang lebte Jens Hagen in Köln. Er hat die Stadt als Fotograf, Journalist und Autor beobachtet. Sein Gedicht lebt von Momentaufnahmen, Rhythmen und Bildern. Der Titel "Nie ankommen" ist Programm. Immer in Bewegung, nicht festfahren. Zehn Jahre nach seinem Tod treffen Hagens Beobachtungen auf die Kölner Gegenwart. Ein Rennradfahrer fährt langsam über das Kopfsteinpflaster und schaut interessiert. Schnell kommt er mit einer Performerin ins Gespräch.
    "Würdest Du mich damit beschimpfen, mit dem Text, nur damit?"
    "Hey, hey! Du bist so furchtbar mutig. So kompromisslos rabiat. Du fährst mit deinem City Bike gegen die Einbahnstraße, neben dem Fahrradweg."
    Regisseurin Philine Vellhagen verfolgt ein klares Ziel.
    "Das war der Versuch, das zurückzugeben an den Platz oder an die Menschen, die den benutzen und dann anzufangen quasi mit dem Gedicht zu sprechen. Dass die auch was dazu sagen oder ob sie es verstehen oder ob das was in ihnen anregt."
    Unter der Hahnentorburg ist ein langer roter Teppich ausgerollt. Das Schild "Bitte betreten" sieht nur wer näher tritt. Jeder darf hier das Gedicht vortragen.
    "Ich find's schön und ich lass mich auch überraschen. Über alles Neue auch wenn es noch so skurril ist. Wie irgendwelche Typen, die mit der Rolltreppe hochfahren und Schilder hochhalten. Nie ankommen. (...) Da kommen noch mehr hoch die Rolltreppe. Nie ankommen. (...) vorne kamen, hinten kommen. Kann man links oder rechts rum machen."
    "Die Zeile ist 'Nie ankommen, kamen nie an, den innersten Kern der Dinge oder ans Ende des Knäuels der Ariadne. Der hat da so ganz viele Beispiele von Unmöglichkeiten.' Da hat natürlich jetzt das Dreidimensionale noch mal mehr Möglichkeiten das zu zeigen. Weil es sich dann mit der Stadt verbindet. Ich find das so schön, dass im Hintergrund alles immer weiter macht. Die Straßenbahn fährt weiter, die Leute machen weiter. Ja nie ankommen."
    Ein musikalische unterlegtes Schauspiel
    Die Performer tragen den Text auf Schildern über den Platz. Für zufällige Beobachter ein skurriler StummfiIm, für Zuschauer mit Kopfhörern ein musikalisch unterlegtes Schauspiel.
    "Ich bin die ganze Zeit ein bisschen rumgelaufen, hab halt geguckt und so. Weil es ja auch ganz interessant ist, sich zwischendurch mal die Kopfhörer abzunehmen und zu gucken wie die Leute halt auch reagieren."
    Weggefährten von Jens Hagen sind heute Abend auch dabei. 70 Jahre wäre der Dichter jetzt alt.
    "Der Jens Hagen hatte einen ganz bestimmten Tagesrhythmus. Der ist immer erst gegen Mittag aufgestanden, hat aber dann die Nacht durchgearbeitet. Der ist sehr viel nachts durch die Stadt spaziert. Nachts wenn alle Katzen grau sind, erinnerte mich dann sofort daran."
    "Was ich ganz schön finde, dass die Gedichte jetzt diese Gegenwart haben. Und ich bin erstaunt, wie die sich übertragen aufs Jetzt und aufs Hier sein. Diese Beobachtung, die man in den Gedichten hört, die findet man wieder."
    "Man hat eigentlich eine neue Wirklichkeit hier eine Zeit lang erleben dürfen."