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Köln
Künstler sollen weg von der Domplatte

Maler, Pantomime, Musiker: Die Kölner Stadtverwaltung will künftig alle Straßenkünstler rund um den Dom verbannen. So sieht es zumindest eine neue Stadtordnung vor, über die demnächst entschieden wird. Zu laut und zu qualitativ uneinheitlich sei die Klangvielfalt auf dem Vorplatz, so die Begründung. Doch gegen das Vorhaben regt sich Widerstand.

Von Moritz Küpper | 17.11.2016
    Der Straßenmusiker Klaus Wrochem spielt auf seiner Geige vor einem Schaufenster auf der Kölner Domplatte.
    Straßenkünstler Klaus Wrochem alias "Klaus, der Geiger" auf der Kölner Domplatte. (Deutschlandradio / Moritz Küpper)
    "Hier sind zwei Herren, sehr unauffällig, vom Ordnungsamte, von der Stadt Köln."
    Klaus von Wrochem, besser bekannt, als "Klaus, der Geiger", steht gegenüber des Kölner Doms. Er trägt eine braune Lederhose, einen ebenfalls braunen Anorak, sein Geigenkasten ist aufgeklappt. Es ist ein verregneter Werktag, doch der wohl bekannteste Straßenmusiker Deutschlands, kümmert sich darum nicht.
    "Wir sollen wachen, über die Sachen."
    Seit einem halben Jahr spiele er eigentlich nicht mehr auf der Straße, er werde bald 77 Jahre alt, hat er gesagt. Doch nachdem bekannt wurde, dass die Stadt Köln künftig alle Straßenkünstler rund um den Dom verbannen will, macht "Klaus, der Geiger" eine Ausnahme.
    "Und da kommt der Musiker, naja, der Geiger, und singt fiese Lieder. Und diese hier ist, sein fieses Lied."
    Straßenkünstler Wrochem kämpfte jahrelang per Anwalt um sein Recht
    Obwohl es regnet und ungemütlich ist, bleiben Leute stehen, werfen Münzen in den Geigenkasten, ein asiatischer Tourist legt einen zehn-Euro-Schein hinein. Rund zwanzig Meter entfernt, drücken sich vier Beamte vom Ordnungsamt herum.
    "Rufen Sie zur Revolution auf?"
    "Du meine Güte. Schön wäre es, wenn das so einfach wäre."
    Er blickt in seinen Geigenkasten.
    "Hey, ich hab sogar was verdient."
    Vor allem in den 80er-Jahren hat von Wrochem viel am Dom und in der Kölner Innenstadt gespielt. Schon damals gab es Auseinandersetzungen mit den Behörden. Der Musiker berichtet davon, dass er regelmäßig abtransportiert wurde. Er lehnte sich damals auf, kämpfte jahrelang mit einem Anwalt um sein Recht. Doch jetzt, bei den aktuellen Plänen der Verwaltung, fehle ihm die Kraft, all das erneut durchzukämpfen – auch, wenn er eine klare Meinung habe:
    "Dumm, kulturlos und typisch kölsch, was das Ordnungsamt anbetrifft."
    Dabei sei die Domplatte eigentlich kein guter Standort:
    "Normalerweise ist hier sehr viel Wind, keine Akustik. Also, es ist eigentlich kein guter Standort. Aber, es ist eben schön, es ist schön. Es ist frei und es hat was."
    Die Vielfalt und die Lautstärke der Instrumente hat extrem zugenommen
    Für von Wrochem ist klar: Im Fall der neuen Verordnung werde die Gunst der Stunde genutzt: "Die Silvesternacht, das haben sie alle benutzt, um sozusagen mehr Kontrolle übers Volk zu kriegen."
    Doch – es gibt auch Widerspruch:
    "Die Quantität hat extrem zugenommen, die Art der Instrumente und deren Lautstärken-Grad." Rainer Tüschenbönner sitzt in seinem Büro. Es liegt exakt zwei Stockwerke über jener Stelle, an der "Klaus, der Geiger" eben gespielt hat. Der Leiter des Domforums kann von Steel-Drummern berichten, von Nasenflötisten, von Gitarrenverstärkern und vor allem kleinen Lautsprechern mit großer Wirkung:
    "Dieses ganze Ensemble, was da so zusammenkommt, abgehackt, nicht qualitätvoll gespielt, sondern als Geschäftsmodell nur betrachtet, macht uns kirre langsam."
    30 Minuten spielen, eine halbe Stunde Pause machen, 200 Meter weiterziehen
    Tüschenbönner hat eine Aufstellung gemacht. "Synopse Straßenmusik" ist die Tabelle überschrieben, in der er im vergangenen Jahr einmal die Regelungen hinsichtlich der Straßenmusik in München, Bonn, Düsseldorf, Hamburg und Köln zusammengefasst hat. Während in den anderen Städten in den Rubriken "Erlaubnisse einholen", "Begrenzungen", "Anzahl der Auftritte" oder "ausgewählte Orte" jeweils etwas vermerkt ist, sind dieser Felder bei Köln leer. Einzig der Beginn zu vollen Stunden, dann 30 Minuten spielen sowie danach eine halbe Stunde Pause machen und 200 Meter weiterziehen, sind vermerkt. Doch das reicht Tüschenbönner nicht:
    "Lebensgefühl und Leben auf der Domplatte gehört dazu, aber, wenn Sie sich vorstellen, manchmal an Sommertagen oder in der Adventszeit, vier von diesen Instrumenten und Musikern spielen zeitgleich, das ist eine Sache, da wird man drüber wahnsinnig."
    Entweder es gebe eine Qualitätsprüfung der Straßenmusiker, wie in München oder…
    "Wenn die einzige Möglichkeit ist, hier eine Regelung um den Dom rum zu schaffen und die dann zum Inhalt hat, dass gar nichts mehr geht, dann bin ich da bereit, dass auch mitzutragen."
    Und diese Entscheidung, liegt jetzt beim Stadtrat.
    Keine Solidarität unter Straßenmusikern
    Zurück auf der Domplatte, zurück bei "Klaus, der Geiger". Der sammelt das Geld aus seinem Geigenkasten ein, freut sich über einen Ring:
    "Das ist ja wohl wild."
    Er ist gespannt, wie das Thema ausgehen wird. Eine Solidarität unter den Straßenmusikern gebe es nicht, daher wird von dieser Seite kein Widerstand zu erwarten sein. Seine Hoffnung liege eher bei den Menschen:
    "Wenn dann das Volk sagt: Nee Kinners, das ist keine gute Entscheidung, dann werden sie es nicht machen."
    Dann steigt er auf sein Fahrrad und radelt von dannen.