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Kölner Fans in Weißrussland
Reise mit schwierigem Ziel

Der 1. FC Köln hat in Weißrussland bei Bate Borisov in der Europa League die nächste Niederlage kassiert. Für die Fans war es trotzdem ein Erlebnis, denn es war wohl eine der abenteuerlichsten Reisen mit ihrem Klub - mit einem schwierigen Ziel.

Von Chaled Nahar | 21.10.2017
    Kölner Fans in Weißrussland - beim Europa League Spiel Bate Borisov gegen FC Köln am 19.10.2017.
    Kölner Fans in Weißrussland - beim Europa League Spiel Bate Borisov gegen FC Köln am 19.10.2017. (dpa / picture alliance / Federico Gambarini)
    "London kann jeder" – das war das Motto bei den Kölner Fans. Borisov, das etwas mehr als eine Stunde mit dem Auto von Minsk entfernt liegt, war wohl die bisher weiteste und spannendste Reise, die man als Anhänger des 1. FC Köln in der jüngeren Vergangenheit machen konnte.
    Draußen grölen und trinken? Nicht in Minsk
    In den Kneipen war es zwar laut und das Bier floss – aber auf den Straßen gab es eine deutliche Zurückhaltung. "In den Busch zu pinkeln oder einen Aufkleber an die Laterne zu kleben – solche Sachen würde ich hier definitiv unterlassen", sagt Jonas aus Köln. Tim, der aus der Gegend um Hamburg stammt und von dort dem FC hinterher reist, fügt hinzu: "Man würde wohl gerne mal singen, aber man hält sich doch zurück."
    Es war eine spannende Reise mit einem schwierigen Ziel. Die Lage der Menschenrechte in Weißrussland ist absolut kritisch. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt das Land auf Platz 153 von 180. Alle mitreisenden Journalisten mussten sich beim Außenministerium Weißrusslands speziell anmelden.
    Kölner Fans in einer Minsker Kneipe.
    Laut gefeiert wird in Minsk lieber in der Kneipe - statt auf der Straße. (Chaled Nahar / Deutschlandfunk)
    Unzufriedenheit bei städtischer Bevölkerung
    Präsident Alexander Lukaschenko regiert Weißrussland – das offiziell Belarus heißt – autokratisch. Die Situation für Minderheiten, Regierungskritiker oder Homosexuelle ist sehr schwierig. Eine regierungskritische Demo im März wurde regelrecht niedergeknüppelt. Weißrussland ist der einzige Staat Europas, in dem die Todesstrafe ausgesprochen und vollstreckt wird. Der Präsident hat seine Basis auf dem Land, in Minsk gibt es aber Unzufriedenheit.
    Timur, der 23 Jahre alt ist und in Minsk lebt, sagt: "Gemäß unserer Verfassung haben wir Meinungsfreiheit – die es faktisch aber nicht gibt. Wenn Du auf die Straße gehst und sagst, was du denkst, wirst du in den meisten Fällen bei der Polizei enden." Er beklagt außerdem die wirtschaftliche Situation. "Unsere Lehrer, unsere Ärzte, eigentlich fast alle Menschen leben hier unter der Armutsgrenze", sagt er. Timur sagt, dass er davon träume, auszuwandern. Breslau in Polen oder Amsterdam seien seine Wunschziele. Belarus – das sei die Sowjetunion in einer Konservendose.
    FC-Fan im Gefängnis
    Dass die Ordnungsmacht rigoros vorgeht, musste auch ein FC-Fan erleben. Viel Bier sorgte für ein Problem – der junge Mann urinierte kurzerhand in der Öffentlichkeit und suchte sich dafür auch noch ein Denkmal aus. Er wurde erst zwei Tage nach dem Spieltag wieder aus dem Gefängnis entlassen.
    Deutlich respektvoller verhielten sich andere Fans. Eine Gruppe zeigte sich geschichtsbewusst. Minsk und Borisov haben stark unter den Nazis gelitten, in Borisov gab es ein Massaker an der jüdischen Bevölkerung, rund 7.000 Menschen wurden damals ermordet. In Gedenken daran haben einige FC-Fans einen Kranz an dem Mahnmal niedergelegt.