Donnerstag, 25. April 2024

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Kölner Hooligan-Krawalle
"Die Gesellschaft ist gefragt"

Die Gewaltauswüchse rechter Hooligans in Köln könnten ein Problem im Profifußball werden. "Die politische Rechte rekrutiert gerne in den Stadien", sagte Konfliktforscher Martin Winands im Deutschlandfunk. Gleichzeitig würden dort ideologische Konflikte stattfinden.

Martin Winands im Gespräch mit Sandra Schulz | 28.10.2014
    Bei einer Demonstration der Gruppe "Hooligans gegen Salafismus" in Köln wird ein Polizeiauto umgeworfen.
    Bei einer Demonstration der Gruppe "Hooligans gegen Salafismus" in Köln wird ein Polizeiauto umgeworfen. (dpa / Thilo Schmülgen)
    Martin Winands, Mitarbeiter beim Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld, verwies darauf, dass die Demonstration "Hooligans gegen Salafisten" von einem Politiker der rechtsextremen Partei "Pro NRW" angemeldet worden war. "Zahlreiche Personen waren dem rechten Spektrum zuzuordnen."
    Die Verbindung zwischen Hooligans und Rechtsextremen ist nicht neu. Hooligans waren nie unpolitisch, sie haben immer wieder mit rechter Symbolik kokettiert." Er befürchte weitere Aktionen dieser Art. "Ich vermute, dass die Demonstration als Erfolg verbucht wird", sagte Winands.
    Konflikte innerhalb der Fan-Szenen
    Die Bewegung könnte nun ein Problem in den Stadien werden. "Wir beobachten an verschiedenen Standorten innerhalb den Fan-Szenen ideologische Konflikte", sagte Winands. Alternative Ultragruppierungen wie in Aachen oder Bremen haben in der Vergangenheit Angriffe von rechten Hooligans erlebt.
    Als Reaktion auf die Demo in Köln sei nun "in erster Linie die Gesellschaft und die soziale Arbeit angesprochen. Denn es waren auch junge Leute dabei". Es müsse die Frage gestellt werden, warum sich so viele junge Leute daran beteiligt haben und zu der Bewegung hingezogen fühlen.

    Das Interview mit Martin Winands in voller Länge:
    Sandra Schulz: Heftigste Auseinandersetzungen in Köln am Sonntag bis tief in die Nacht: Feuerwerkskörper fliegen, Flaschen, Steine, die Polizisten antworten mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Reizgas. Die Bilanz: Fast 50 verletzte Polizisten, Dutzende eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung und eine fassungslose Republik. Darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon begrüße ich Martin Winands, Forscher beim Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Guten Morgen!
    Martin Winands: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: Herr Winands, Sie waren am Sonntag dabei, natürlich nicht als Demonstrant, sondern als Beobachter. Wie haben Sie die Situation erlebt?
    Winands: Ja. Zum einen ist mir aufgefallen, dass es sich um eine recht große Gruppe handelt. Das kann nicht so ganz überraschen, weil ja schon bei den Mobilisierungen im Internet zu sehen war, dass sich mehrere Tausend Leute für die Demonstration anmelden. Zum anderen ist die Gruppe recht martialisch und auch homogen im Auftreten aufgetreten. Es waren doch Gewaltbereitschaft und Aggressivität zu verspüren und auffällig war zudem, dass zahlreiche Personen vor Ort waren, die auch dem rechten Spektrum zuzuordnen waren, und die Teilnehmer waren sowohl jüngere wie auch ältere Teilnehmer. Aus dem Ruder gelaufen ist die Demonstration ja dann, nachdem die Kundgebung am Breslauer Platz vorüber war.
    "Wir wissen relativ wenig über die Zusammensetzung"
    Schulz: Lässt sich das noch ein bisschen genauer sagen? Die Gruppierung, über die wir jetzt sprechen, die nennt sich "Hooligans gegen Salafisten". Angemeldet hatte die Demonstration aber offensichtlich die rechtsextreme Partei Pro NRW. Was ist das für ein Bündnis?
    Winands: ..., wobei man zunächst sagen muss, dass ja die Person, die die Demonstration angemeldet hat, von Pro NRW, von der Partei zurückgepfiffen worden ist. Bei dem Bündnis - wir wissen bislang noch relativ wenig über die Zusammensetzung. Sicherlich ist es eine Verknüpfung zwischen rechtsextremen Gruppen auf der anderen Seite und Hooligans auf der einen Seite. Die Verbindung ist nicht so ganz neu, muss man auch sagen, denn Hooligan-Gruppen waren insgesamt nie in ihrer Gänze unpolitisch. Es gab auch schon früher, vor 20 Jahren durchaus an einzelnen Standorten immer wieder Verknüpfungen zwischen rechten Gruppen und den Hooligans. Zudem kokettierten auch einige Hooligan-Gruppen immer wieder mit rechter Symbolik. Auch dieses Motto, getrennt in den Farben, vereint in der Sache, ist so neu nicht. Das beobachten wir ja auch bei Länderspielen oder bei internationalen Tournieren, bei denen Hooligans aus Deutschland dann beispielsweise zusammenarbeiten, in dem Fall dann vereint für die Nation, in dem gestrigen Fall vereint gegen den Salafismus.
    Schulz: Neu sind offensichtlich auch die Kommunikationswege, diese Massivität. Wie kommen da mehrere Tausend Schläger zusammen?
    Winands: Ja. In der Tat hat bereits im Internet auf der Facebook-Seite der Gruppe vor Wochen eine Mobilisierung eingesetzt. Mich hat es auch etwas gewundert, dass in den klassischen Medien erst recht spät über die Demonstration berichtet wurde, denn im Internet konnte man schon sehr lange beobachten, dass sich da doch sehr viele Leute aus verschiedenen deutschen Städten zusammengeschlossen haben und sich auch für diese Demonstration angemeldet haben.
    Schulz: Und die Behörden hätten das auch wissen können?
    Winands: Möglicherweise. Die Seite war ja frei einsehbar. Nun weiß ich natürlich nicht, was man bei den Behörden bereits wusste. Da habe ich keinen Einblick. Aber Fakt ist, dass die Mobilisierung schon seit Wochen feststellbar ist, und es gab ja auch eine Demonstration der Gruppe vor einigen Wochen, nein Monaten in Dortmund, bei der bei Weitem nicht so viele Teilnehmer gewesen sind. Insofern war das am Sonntag schon überraschend, dass letztlich doch mehrere tausend Personen gekommen sind.
    Schulz: Braut sich da was zusammen, oder hat sich was zusammengebraut, oder würden Sie sagen, das war jetzt ein einmaliger Vorfall?
    Winands: Letztgenanntes glaube ich eher nicht, denn ich vermute, dass die Demonstration von den Teilnehmenden beziehungsweise den Organisatorinnen und Organisatoren als Erfolg verbucht wird. Wir beobachten an vereinzelten Standorten in Deutschland auch innerhalb der Fanszenen der Vereine hier und da politisch-ideologische Konflikte und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass auch in naher Zukunft wieder solche Demonstrationen von dieser Gruppe, oder andere Aktionen angemeldet werden, denn dazu war die Gruppe zu massiv am Sonntag aufgetreten und in zu großer Gruppenstärke.
    Die Gruppen sind nie gänzlich verschwunden
    Schulz: Können Sie uns das auch noch ein bisschen sortieren helfen: Hooligans und Fußball, was hat das miteinander zu tun?
    Winands: Ja, das ist eine lange Geschichte, die wahrscheinlich den Rahmen der Sendung sprengen würde. In aller Kürze: Es gab vor circa 20, 25 Jahren bereits in Deutschland zahlreiche Hooligan-Gruppen, eine Bewegung, die seinerzeit aus England nach Deutschland importiert worden ist. Sie hatten ihre Hochzeit in den 1980er-, 1990er-Jahren und zu dieser Zeit löste sich die Gewalt unter den Zuschauern auch erstmals vom eigentlichen Spielgeschehen ab, dass Hooligans zur sogenannten dritten Halbzeit eintrafen und sich dann mit Hooligan-Gruppen rivalisierender Vereine geprügelt haben. Das heißt, dass die Gewalt im Hooliganismus schon zentral gewesen ist, nichts desto trotz sehr viele dieser Hooligans aber auch aus einem Fußball-zentrierten Umfeld gekommen sind beziehungsweise kommen, und die Gruppen sind ja nie gänzlich verschwunden. Man hat sie nur kaum noch gesehen. Die Ultragruppen haben die Dominanz in den Stadien übernommen. Aber dass die Gruppen, auch diese sogenannten Althooligan-Gruppen nach wie vor noch existieren, das zeigt ja auch die jüngere Vergangenheit.
    Schulz: Stehen die Vereine jetzt auch wieder stärker in der Pflicht?
    Winands: Ja. Wir werden sicherlich beobachten müssen, wie sich die Situation weiter entwickelt, ob die Bewegung auch verstärkt in die Fußballstadien transportiert wird, denn es ist ja auch bekannt, dass der Fußball ein Mobilisierungsfeld ist, auf dem auch die politische Rechte sehr gerne rekrutiert. Und wie ich eben schon sagte: Es gibt an vereinzelten Standorten bereits Konflikte, auch politisch-ideologischer Natur, in die nicht zuletzt Althooligan-Gruppen involviert sind, und es ist gut möglich, dass ebenso der Profifußball künftig stärker mit diesem Thema konfrontiert sein wird, und ich rate auch dazu, die Teilnehmenden nicht als stumpfe Schläger vorab abzustempeln, sondern man muss sich schon näher damit beschäftigen, womit wir es da eigentlich genau zu tun haben, um verstehen zu können.
    Viele junge Leute fühlen sich zu dieser Bewegung hingezogen
    Schulz: Wer oder was hilft gegen diese Schläger, gegen diese Gewalt?
    Winands: Na ja, wenn es zu so massiven Gewaltauswüchsen kommt, wie es am Sonntag ja der Fall gewesen ist, ist sicherlich auch hier die Polizei gefordert. Aber in erster Linie ist auch die Gesellschaft angesprochen, ist auch die soziale Arbeit angesprochen, denn an der Demonstration haben ja nun keineswegs ältere Leute nur teilgenommen, sondern es waren ja auch junge Leute dabei und es muss schon die Frage gestellt werden, warum sich doch auch recht viele junge Leute zu dieser Bewegung hingezogen fühlen, was sie daran fasziniert und warum sie an diesen Gruppen teilhaben.
    Schulz: ..., sagt der Fanforscher Martin Winands von der Uni Bielefeld.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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