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Kölner Karneval
Jeckes Treiben im Mittelalter und heute

Ritterspiele für Volk und Patrizier - überlieferte Schriften über den Kölner Karneval ab 1341 zeugen davon. Auch damals begann das närrische Treiben auf dem Kölner Alter Markt und hielt sechs Tage an. Heute ist das Massenspektakel längst zum Marken-Event der Stadt geworden.

Von Beatrix Novy | 05.03.2016
    Merkel als Nussknackerin: Motivwagen beim Kölner Rosenmontagsumzug.
    Merkel als Nussknackerin - Motivwagen beim Kölner Rosenmontagsumzug. Heutzutage greift der Kölner Karneval politische und gesellschaftliche Themen auf. (dpa/picture alliance/Oliver Berg)
    Diese Geräusche sind uralt. Sie führen Menschen seit Jahrtausenden in den Krieg oder in die Ekstase - bei einem Bacchanal im alten Griechenland, bei den römischen Saturnalien und natürlich im Kölner Karneval.
    Der Kölner Karneval - ein Mittelalterspektakel
    Ja, wenn die Trommel geht, am Weiberfastnacht-Morgen, dann werden die Eingeborenen unruhig. Der Klang fährt ihnen in die Knochen, eine unbezwingbare Lust befällt sie, mit Wildfremden in spontanen Schunkelkreisen verblödete Lieder zu singen, sechs Tage lang, bis Aschermittwoch. Wann das angefangen hat, ist unklar. Es muss sehr lange her sein, denn die erste schriftliche Erwähnung des Kölner Karnevals als einer schon bewährten Veranstaltung ist 675 Jahre alt. Der Brauchtumsforscher Michael Euler-Schmidt:
    "Im zweiten Eidbuch der Stadt Köln vom 5. März 1341, also einem Protokollbuch, finden wir den ersten Hinweis auf den Kölner Karneval: 'Weiterhin soll der Rat zu Fastabend – also zum Karneval – keiner Gesellschaft aus städtischem Gut Zuschüsse gewähren ...'"
    Ausdrücklich wurde den "Gesellschaften" die Finanzierung ihrer tollen Tage gekündigt, also den Bruderschaften und sonstigen Zusammenschlüssen jener tonangebenden Kreise, zu denen gerade die Ratsherren gehörten. Sie kürzten sich selbst die Mittel. Diesen ungewöhnlichen Vorgang erklärten die Autoren einer Stadtbiographie aus den 50-er Jahren so:
    "Wie in der Gegenwart, nicht immer zu Unrecht, über manche Auswüchse des Karnevals geklagt wird, so geschah es auch bereits im Mittelalter. Schon damals wurde an diesen Tagen unter dem Schutz der üblichen Verkleidung mancherlei Unfug getrieben. Das veranlaßte den Rat, dessen Mitglieder gewissermaßen zwei Seelen in der Brust trugen, des öfteren gegen das Fastnachtstreiben einzuschreiten."
    Und das Einschreiten fand gar kein Ende.
    "Diese Eintragung zieht sich in den Eidbüchern durch das ganze 14. Jahrhundert hindurch."
    Närrisches Treiben für das einfache Volk und die Patrizier
    Das 14. Jahrhundert hielt erstmals schriftlich fest, was der Karneval immer war: eine Geschichte obrigkeitlicher Verbote und ihrer hartnäckigen Übertretungen. Immerhin gab es bereits festordnende Elemente in der Dramaturgie der tollen Tage. Ritterturniere zum Beispiel, damals schon folkloristische Höhepunkte, brachten Patrizier und einfaches Volk auf dem Kölner Altermarkt zusammen: auf den Tribünen die einen, auf der Straße die anderen. Wie heute.
    "Dann gab es ja über viele, viele Jahre, Jahrhunderte nur diese völlig zügellosen Banden an Karneval, die durch die Straßen liefen …"
    … und sich so schlecht benahmen, dass wieder etwas verboten werden musste, nämlich,
    "dass auf der Straße keiner einen anderen festhalten oder fangen soll, um Geld von ihm zu erlangen."
    Stadtsoldaten, die Strümpfe stricken - die "Roten Funken"
    Als 1794 die strümpfestrickenden Stadtsoldaten, die "Roten Funken", das einst so reiche und mächtige Köln den französischen Revolutionstruppen widerstandslos überließen, hatte die Stadt einen langen Niedergang hinter sich. Nicht gelitten hatte der Karneval, das Treiben der Jecken in nicht gerade feinen Masken, seit dem 18. Jahrhundert aber auch von den oberen Klassen auf höfisch-venezianische Art gefeiert. Die republikanische Besatzung, die im Karneval aristokratische Tendenzen witterte, wollte ihn unterbinden, gab jedoch bald entnervt auf.
    "Il est permis au citoyen Bellejeck de faire son tour!
    Es ist dem Bürger Bellejeck erlaubt, seinen Umzug zu machen!"
    Der Rosenmontagszug - eine Erfindung der preußischen Regierung
    Ausgerechnet den ungeliebten Preußen, die nach Napoleons Sturz das Rheinland übernommen hatten, verdanken die Kölner ihren Karneval in seiner heutigen Form - ein Treppenwitz.
    "Und das wurde dann neugeordnet mit der preußischen Regierung ab 1823 mit dem Rosenmontagzug, der dann eben klar strukturiert und reglementiert durch die Straßen ging."
    Widerstand gegen bestehende Strukturen
    Kleine subversive Schmähaktionen waren da inbegriffen, etwa das kurze Hochhalten eines Stockfischs mit Lorbeerkranz aus der dichten Menge, verbunden mit dem Absingen von "Heil Dir im Siegerkranz". Dieser Widerstand adelte den Karneval für seine links-alternativen Erneuerer in den 1980er Jahren, die sich heute längst mit dem einst bekämpften bierernsten Narrenkappen-Establishment kölntypisch in den Armen liegen.
    Heute ist der Karneval eine Event-Marke, deren massenanziehender Erfolg ihn bedrohen könnte. Aber die Tanz-, Sanges- und Bastelfreude hingebungsvoller Jecken in den Stadtvierteln, vom Kleinkind bis zur Oma, hat noch alles überlebt.
    Und seit 1341 hat es ja schon öfter schlecht ausgesehen.