Donnerstag, 25. April 2024

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Kölner Kommunalpolitik
"Wir lassen uns den Umgang mit dem Bürger nicht verbieten"

Der Prozess gegen den Attentäter der damaligen Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker hat heute in Köln begonnen. Passiert ist das Ganze bei einem Wahlkampfauftritt. Der Kölner CDU-Vorsitzende Bernd Petelkau, der das Attentat selbst miterlebt hat, hält daran fest, dass der direkte Kontakt mit dem Bürger das Wichtigste für einen Kommunalpolitiker sei.

15.04.2016
    Rosen liegen an einem Tisch des CDU-Wahlkampfstands, dem Tatort.
    Kommunalpolitiker sind ganz nah dran am Bürger, aber Polizeischutz für jeden von ihnen ist unmöglich (dpa / Federico Gambarini)
    Bernd Petelkau: Es war, ich sage mal, ein sehr bedrückender Tag, der eigentlich sehr gut begonnen hatte. Es sollte ja quasi der letzte Tag der Wahlkampagne sein und wir hatten uns das Rosenverteilen an diesem Morgen aufs Programm geschrieben. Der Stand, an dem wir uns dort befanden, war gerade aufgebaut.
    Frau Reker als unsere Spitzenkandidatin war auch gerade kurz zuvor eingetroffen. Frau Reker begrüßte die ersten und dann geschah das nach wie vor Unfassbare, dass der Täter sie nach einer Rose fragte und ihr dann, ich sage mal, als sie ihm die reichen wollte, ein Messer in den Hals rammte und dann weitere Kolleginnen und Kollegen aus den drei Parteien, die uns unterstützt haben im Wahlkampf, auch noch schwer verletzt worden sind. Es waren nach wie vor, ich sage mal, schlimme Eindrücke, die man dort mitgenommen hat. Es ist für alle Beteiligten auch schwierig, so was final zu vergessen.
    Zerback: Vor allen Dingen die Frage nach dem Motiv, nach dem Warum, die wurde natürlich schnell gestellt, und es wurde auch direkt vermutet, dass ein rechtsextremer Hintergrund dahinterstecken könnte. Mittlerweile wissen wir auch, dass der Angeklagte sich in der rechten Szene bewegte. Sie selbst haben auch gesagt und vermutet, dass der Mann geistig verwirrt sein könnte. Das wird auch jetzt gerade in Düsseldorf eine Rolle spielen, diese Frage zu klären. Was glauben Sie denn mittlerweile? Was steckte dahinter?
    "Ich habe es für euch getan!"
    Petelkau: Ich glaube nach wie vor, dass zu so einer Tat auch ein hohes Maß an geistiger Unzurechnungsfähigkeit sicherlich mit dazugehört. Wie das jetzt gerichtlich zu werten ist, ob die Schuldfähigkeit besteht oder nicht, das ist Aufgabe jetzt der Gutachter, dies festzustellen, und dass das Thema einen rechtsextremen Hintergrund habe, das war relativ klar, weil die Beteiligten hatten ihn.
    Nachdem er dann abgelassen hatte, doch auch angeschrien und von ihm gefordert, warum, und da kam dann auch diese Antwort, ich habe es letztlich für euch getan, damit also dieser Versuch, dann im Nachgang die Tat zu rechtfertigen als etwas, wo er gegen die Veränderungen in der Gesellschaft durch Migration ein Statement setzen wollte. Inwieweit das noch im Rahmen der Schuldfähigkeit liegt oder nicht, müssen die Gerichte und die Gutachter feststellen, und das wird man dann am Ende des Prozesses sehen.
    Zerback: Klar ist ja auch seitdem, es ist ein Trend deutlich: Seit immer mehr Menschen hier ankommen, da nehmen auch Drohungen und rechtsextreme Hassparolen zu, besonders gegen Politiker, die sich in der Flüchtlingskrise engagieren, wie es Henriette Reker auch schon als Sozialdezernentin getan hat. Das hat natürlich auch eine Debatte ausgelöst um Personenschutz auch für Kommunalpolitiker, wo das bisher ja nicht selbstverständlich ist. Hat sich da was in der Kommunalpolitik in Köln verändert? Gehen Sie jetzt damit anders um?
    Für uns als Kommunalpolitiker ist der Kontakt zum Bürger das Wichtigste
    Petelkau: Grundsätzlich hat man sicherlich in der Zeit direkt nach dem Attentat etwas stärker hingesehen, wenn man auf größere Veranstaltungen hingegangen ist. Aber Fakt ist: Wir lassen uns hier auch von Einzeltätern oder Gruppierungen entsprechend nicht den Umgang verbieten.
    Für uns als Kommunalpolitiker ist der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern das Wichtigste und wir sind sehr nahe dran an den Themen und deshalb werden wir das nicht ändern. Wir haben als CDU auch im Nachgang des Attentats viel intern diskutiert. Es war einheitliche Auffassung, dass wir hier gemeinsam weiter streiten werden und uns nicht entsprechend unterkriegen lassen. Rein physisch ist es auch gar nicht möglich, die vielen tausenden ehrenamtlichen Politiker, die wir auf der kommunalen Ebene haben, einzeln zu schützen.
    Demokratie lebt von vielen ehrenamtlichen Politikern
    Das wird nicht funktionieren. Was sicherlich wichtig ist, dass hier die Verfassungsorgane, Verfassungsschutz auf den Länderebenen und auch auf der Bundesebene enger noch zusammenarbeiten, um solche Dinge im Vorfeld schon zu erkennen. Ob das für den Kölner Fall möglich gewesen wäre, das ist ein Thema, was man nicht komplett sagen kann, aber ich glaube, dass das ganz wichtig ist, dass wir hier in dem Bereich die Tätigkeit verstärken. Gleichzeitig lebt unsere Demokratie ja auch von den vielen ehrenamtlichen Politikern und wir werden weiterhin für die Demokratie und unsere Gesellschaft kämpfen.
    Zerback: … sagt der Kölner CDU-Vorsitzende Bernd Petelkau über das Attentat auf Henriette Reker einen Tag vor ihrer Wahl zur Kölner Oberbürgermeisterin. Heute beginnt der Prozess in Düsseldorf vor dem Oberlandesgericht. Vielen Dank für das Gespräch!
    Petelkau: Nichts zu danken.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.