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Kölner Stadtplanung
Katastrophaler Kahlschlag

Kochender Asphalt, Abgaswolken, kaum Schatten: Kölner Straßen zeigen bei Sommerhitze ihre unschönen Seiten. Doch die Stadt ignoriert seit Jahren Aspekte wie Klimaschutz und Luftqualität. Entsprechend hoch sind die Feinstaubwerte. Nun könnten neue Planungen die Situation noch verschlechtern.

Von Britta Fecke | 06.07.2017
    Abgeholtze Bäume in Köln vor einer Mauer.
    Kölner Kahlschlag: Bäume haben es hier nicht leicht, wie dieser abgesägte Stumpf zeigt. (Deutschlandradio / Britta Fecke)
    Der Bus zwängt sich durch die engen Straßen der Kölner Südstadt, einem beliebten Ausgehviertel. Hier an der Severinstraße schieben sich Autos, Radfahrer und Fußgänger mühsam aneinander vorbei. Einige bleiben mit rotem Kopf stehen, die Hitze macht ihnen zu schaffen, denn sie kommt von beiden Seiten: Oben scheint die Sonne und unten strahlt der heiße Asphalt die gespeicherte Wärme ab. Schatten wäre schön, gibt es aber nicht.
    Die Severinstraße ist nach langen Jahren des U-Bahnbaus wieder saniert, doch Bäume wurden nicht gepflanzt. Holger Sticht, NRW-Landesvorsitzender des "Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland", blickt nachdenklich in die Straßenflucht: Soweit er schauen kann, nur Asphalt und Steine. Hinter ihm ein historisches Stadttor, hier standen noch ein paar wenige Sträucher und auch zwei Eichen, geblieben ist nackte Erde:
    "Das ist natürlich für eine Stelle, die überhaupt kein Grün mehr hat, besonders problematisch. Man hat die Bäume komplett auf Stümpfe reduziert, man hat ansonsten alles Grün rausgerissen. Damit wäre diese schöne grüne Insel. Weg, einfach weg!"
    "Ökologisch ist das katastrophal"
    Mit seiner Entrüstung ist der Umweltschützer nicht allein. Ottmar Lattorf versucht mit einer Bürgerinitiative schon seit Jahren, Kölner Straßenbäume vor den Kettensägen zu retten.
    "An allen Teilen, Ecken und Kanten dieser Stadt wird gesägt, das beginnt mit Gebüschen, die radikal in allen Parks auf Stock gesetzt werden. Und das hat keinen Sinn. Ökologisch ist das katastrophal."
    In diesem Frühjahr staunten die Kölner nicht schlecht, als in verschiedenen Parks, aber auch am Rheinufer die Sträucher – vom Flieder bis zum Weißdorn – radikal herunter geschnitten wurden. Das nimmt den Städtern nicht nur den Sicht- und Lärmschutz, sondern auch den Vögeln ihre Brutplätze.
    Manfred Kaune, Leiter des Grünflächenamtes auf die Frage, warum viele Parks in Köln aussehen wie nach einem Kahlschlag:
    "Unsere Grünanlagen werden nach bestimmten Plänen gepflegt, wenn auf Stock erst mal gesetzt wird, dann sieht das tatsächlich im ersten Jahr so aus, als wäre kaum noch etwas da."
    Viel zu hohe Feinstaubwerte
    Tatsächlich dauert es Jahre, bis die Gewächse in den Grünanlagen wieder so dicht und grün sind, dass sie die Lebensgrundlage für Insekten, Vögel und kleine Säugetiere bilden. Wie es scheint, stehen die ökologischen Ansprüche nicht im Vordergrund bei der Grünpflege. Holger Sticht vom BUND:
    "Es macht den Eindruck, als gäbe es Teile der Stadt Köln, die sich bisher auch durchgesetzt haben, die allein den Verkehr und die Beschäftigung diverser Unternehmen, die von der Stadt profitieren, im Auge haben. Aber die biologische Vielfalt, den Klimaschutz überhaupt nicht auf dem Schirm haben."
    Allerdings müssen sich die Städte überlegen, wie sie den Luftreinhalteklagen der Deutschen Umwelthilfe begegnen. Der europäische Grenzwert für Stickstoffdioxid liegt bei 40 mg. Köln überschritt diesen Wert 2016 etwa am Clevischen Ring im Jahresmittel um mehr als die Hälfte. Er lag bei durchschnittlich 63 mg. Dieselfahrverbote wären eine Möglichkeit, die Luftqualität zu verbessern, mehr Bäume und Blätter filtern Feinstaub und andere Abgase aber zusätzlich aus der Stadtluft.
    Manfred Kaune, Leiter des Grünflächenamtes versucht nun auch mit Hilfe von europäischen Förderprojekten mehr Bäume in die Stadt zu holen:
    "Das letzte Förderprojekt: 'Grünflächen vernetzen', da haben wir einen positiven Bescheid bekommen, werden also da 4,4,Millionen Euro investieren können in den nächsten Jahren, um mehr Qualität in den Grünbereich auch rein zubringen."
    300 Bäume sollen gefällt werden
    Über neue Grünflächen freut sich auch Baumschützer Ottmar Lattorf, doch ihm stellt sich die Frage, warum bestehende Grünanlagen nicht erhalten werden. Rund 300 großgewachsene Kastanien oder Platanen sollen auf der Bonner Straße gefällt werden. Die vierspurige Straße ist die südliche Verlängerung der Severinstraße. Hier soll eine Straßenbahntrasse angelegt werden. Ottmar Lattorf:
    "Das eigentliche Ziel dieser Planung hier ist ja die Reduzierung des Autoverkehrs. Das ist ein ökologisches Ziel, und dafür fällt man erst einmal 300 Bäume! Obwohl die Bäume nicht gefällt werden bräuchten, wenn man anders planen würde!"
    Was machen eigentlich die Kölner Grünen?
    Will man in Köln aber nicht, all den massiven Bürgerprotesten zum Trotz. Doch es wäre zu kurz gedacht, die Verantwortung bei der Verwaltung zu suchen. Wo bleibt eigentlich das politische Korrektiv? Holger Sticht:
    "Die Grünen haben ja auch ein Profilproblem, weil man sie nicht mehr als Grüne wahrnimmt. Die Stadtratsfraktion ist anscheinend in Köln - was das Grün betrifft - nicht interessiert. Anders kann man sich erklären, wie in einer Stadt, in der die Grünen eigentlich eine ganz gute Vertretung im Stadtrat haben, wie in so einer Stadt Grün schrumpft und so bewirtschaftet wird, dass es der biologischen Vielfalt überhaupt nicht zuträglich ist."
    Und der Luftqualität auch nicht. Bäume würden die Situation nachweislich verbessern, dennoch sollen diese 300 Exemplare gefällt werden. Ottmar Lattorf:
    "Wenn die weg sind, dann sind die einzigen Filter für Feinstaub und Stickoxide unsere Lungen."
    Die Plätze: keine Bäume, graue Tristesse
    Wie Kölner Stadtplanung aussieht, erkennt jeder Besucher, der den Hauptbahnhof über den nördlichen Ausgang verlässt. Vor ihm tut sich eine grau asphaltierte Fläche auf, die irgendwann einfach in die umliegenden Straßen übergeht. Auf dem Platz – der vielleicht besser als gepflasterte Fläche bezeichnet wird – sind nur noch eine Currywurstbude und ein Brunnen, bestehend aus wenigen dünnen Wassersäulen. Kein Baum, keine Mitte, nur graue Tristesse.
    Auf die Frage, warum bei der Neugestaltung des Platzes keine Bäume gesetzt wurden, antwortet die Stadt Köln:
    "Die Einbeziehung von Bäumen ist man zunächst "technisch" angegangen. Schnell stellte sich heraus, dass dies aufgrund der unter dem Platz liegenden U-Bahn-Station und der vielen Wasserver- und -Entsorgungsleitungen nicht zu realisieren ist."
    Am Ende stellt sich die Frage, warum sich die Stadt überhaupt für diesen Gestaltungsentwurf entschieden hat, wo doch mehrere wissenschaftliche Studien den Zusammenhang zwischen Grünanlagen, dem so verbesserten Stadtklima und der Reduzierung von hitzebedingten Todesfällen belegen. Auf dem Breslauer Platz steht kein Baum, dafür soll ein metallener Obelisk aufgestellt werden. Eine nicht nur ästhetisch fragwürdige Entscheidung.