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Koenigs: Hoffnungsvolle Zeichen im Syrien-Konflikt

Den Grünen-Außenpolitiker Tom Koenigs stimmen die jüngsten Äußerungen des syrischen Machthabers Assad "vorsichtig optimistisch". Offenbar sei Damaskus tatsächlich bereit, sein Chemiewaffenprogramm offenzulegen. Die Vernichtung der Chemiewaffen setze jedoch einen Waffenstillstand voraus, den eine UNO-Mission mit robustem Mandat sichern müsste.

Tom Koenigs im Gespräch mit Martin Zagatta | 21.09.2013
    Tom Koenigs war als UNO-Sonderbeauftragter in Afghanistan, Guatemala und dem Kosovo tätig.
    Tom Koenigs war als UNO-Sonderbeauftragter in Afghanistan, Guatemala und dem Kosovo tätig. (picture alliance / dpa / Marius Becker)
    Martin Zagatta: Gleich beschäftigen wir uns aber erst einmal mit dem Syrien-Konflikt. Da hat das Regime von Präsident Assad offenbar, wie von den USA und Russland gefordert, seine Chemiewaffenbestände aufgelistet. Ein Spiel auf Zeit? Oder kann es doch noch eine Verhandlungslösung geben? Das fragen wir dann gleich den grünen Politiker Tom Koenigs. Kann es also gelingen, die Chemiewaffen in Syrien unter internationale Kontrolle zu stellen und zu vernichten und vielleicht sogar, dem Bürgerkrieg dort ein Ende zu machen? Die USA und Russland hatten dem Regime von Präsident Assad am vergangenen Samstag eine Woche Zeit gegeben, seine C-Waffenbestände offenzulegen, kurz vor Ablauf dieser Frist soll Syrien jetzt tatsächlich mit der Offenlegung dieser Bestände begonnen haben, wie Hans-Michael Ehl berichtet wie Hans-Michael Ehl berichtet.

    Hans-Michael Ehl mit einem Bericht, den der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tom Koenigs mitgehört hat. Er leitet den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und er hat lange Jahre für die UNO gearbeitet, auch als UNO-Beauftragter im Kosovo. Er hat also Erfahrungen in Krisengebieten. Guten Morgen, Herr Koenigs!

    Tom Koenigs: Guten Morgen, Herr Zagatta!

    Zagatta: Herr Koenigs, ist das in der Praxis wirklich schon so eine gute Nachricht, dass Syrien da offenbar jetzt die Dokumente über seine Chemiewaffen vorlegt? Kritiker sagen ja, Assad ist ein übler Diktator, spielt damit auf Zeit, und das Morden geht weiter.

    Koenigs: Das ist bedauerlicherweise der Fall. Hier geht es um die Chemiewaffen und um den absolut völkerrechtswidrigen Angriff mit Chemiewaffen. Trotzdem ist es ein hoffnungsvolles Zeichen. Denn eine militärische Lösung dieses Konfliktes gibt es nicht. Ich glaube, man muss den Druck aufrechterhalten, das ist wichtig. Auf der anderen Seite aber die Vermittlungsangebote, die es inzwischen gibt – Russland und Iran sind plötzlich gesprächsbereit –, muss man nutzen. Denn auch das Androhen des Militärschlages führt ja nicht zu einem Ende des Mordens dort.

    Zagatta: Der Iran hat aber bisher ganz eindeutig auf der Seite des Regimes gestanden. Wenn die jetzt Vermittlung anbieten, oder Iran, wenn der jetzt Vermittlung anbietet – glauben Sie, dass das für die Gegenseite, für die Rebellen, überhaupt akzeptabel ist?

    Koenigs: Also Russland hat ganz eindeutig auf der Seite von Assad gestanden und hat ihn immer mit Waffen beliefert. Das muss man auch in die Berechnung einbeziehen. Aber wenn beide jetzt Zeichen setzen, die auf Konstruktivität deuten, dann muss man das erst mal so nehmen, wie es ist. Und ich glaube, die Generalversammlung der Vereinten Nationen, die gerade tagt, gibt die Möglichkeit, da auch über eine friedliche Lösung des sonstigen Konfliktes zu reden. Denn es kann ja nicht im Sinne irgendeiner der dortigen Mächte sein, dass es ein völlig unkontrolliertes Schlachten unterschiedlichster Fraktionen gibt, das letzten Endes zum Zerfall dieses Landes führt. Das kann noch nicht mal im Interesse von Iran sein.

    Zagatta: Sie haben ja Erfahrung in Krisengebieten. Wäre es denn möglich, die Chemiewaffen mithilfe internationaler Experten zu zerstören, wenn gleichzeitig da die Kämpfe weitergehen?

    Koenigs: Das ist auch ein Punkt, der vorsichtig optimistisch macht. Das ist nämlich nicht möglich. Auch ein Abtransport dieser Chemiewaffen ohne einen Waffenstillstand ist nicht denkbar. Es ist aber denkbar, dass sich alle Beteiligten nicht nur auf einen Waffenstillstand, sondern auf eine friedliche Lösung einlassen. Die Äußerungen von Assad, dass dieser Krieg auch militärisch, auch von seiner Seite offenbar nicht zu gewinnen sei, zeigen ja, dass es ein Patt gibt. Die Aufständischen glauben sicher auch nicht, dass sie obsiegen werden. Das gäbe die Möglichkeit, durch Druck von außen Verhandlungen zu führen. Und wenn es auf der Generalversammlung in New York gelingen würde, die UN wieder in den Fahrersitz dieses Prozesses zu bringen, wäre schon viel erreicht. Ich glaube, da können alle Nationen etwas zu beitragen. Die UN ist die einzige Organisation, die letzten Endes diesen Konflikt lösen oder wenigstens eingrenzen könnte.

    Zagatta: Jetzt sagen Experten selbst, wenn das so hoffnungsvoll verläuft, wie Sie ja jetzt auch hoffen, wenn das so gut verläuft, dass dann diese internationalen Experten, die nach Syrien müssen, dass die auf alle Fälle militärisch, also wahrscheinlich von Blauhelmen geschützt werden müssten. Das wäre klar, das wäre ein gangbarer Weg?

    Koenigs: Ich glaube, jede Mission nach Syrien im Augenblick muss gut geschützt sein. Es müssen alle Beteiligten für die Sicherheit garantieren. Und da sind auch einige Zumutungen noch für die Aufständischen notwendig. Wie weit die kontrollierbar sind, ist die Frage, aber auf jeden Fall muss das eine robuste Mission sein. Und wenn man vom Ende denkt: Das Ende kann ja nur eine gut ausgerüstete und auch robuste, auch mit Militär verteidigte Peace-Keeping-Mission in Syrien sein, die die kämpfenden Fraktionen, die sehr unterschiedlich kämpfenden Fraktionen voneinander hält. Das ist die Hoffnung. Und da könnte dieser Abtransport der Chemiewaffen wenigstens einen Teil dazu beitragen.

    Zagatta: Herr Koenigs, die Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik, die die Bundesregierung ja beraten, die gehen davon aus, dass Deutschland bald vor der Entscheidung stehen wird, Bundeswehrsoldaten zur Sicherung dieser Chemiewaffenbestände oder im Rahmen eben einer solchen UN-Friedenstruppe nach Syrien zu entsenden. Würden Sie als Politiker der Grünen dann grundsätzlich ablehnen? Oder sagen Sie, dann muss man in diesen sauren Apfel beißen?

    Koenigs: Bedauerlicherweise ist die Bundeswehr wahrscheinlich dazu kaum in der Lage. Aber wenn die Bundeswehr gefordert wird, ist das natürlich eine Aufgabe, die unter dem Kommando der Vereinten Nationen gemacht werden muss. Das ist eine sehr noble Aufgabe, und natürlich müsste sich Deutschland dazu bereiterklären. Nicht ein Kampfauftrag, sondern das, was dort nötig ist unter der Führung der Vereinten Nationen.

    Zagatta: Auch deshalb, weil deutsche Firmen und die Bundesregierung ja im Verdacht stehen, dem Regime – oder frühere Bundesregierungen in dem Verdacht stehen, dem Regime von Präsident Assad bei der Produktion von C-Waffen eventuell geholfen zu haben mit der Lieferung von Grundstoffen. Ergibt sich daraus auch eine Verpflichtung?

    Koenigs: Ich glaube, die Verpflichtung ergibt sich insgesamt aus der Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und dem Wunsch, dort zum Frieden etwas beizutragen. Aber dass Deutschland schon wieder verdächtig ist und das auch nicht abweisen kann, dort zur Produktion von Giftgas mit beigetragen zu haben wie schon einmal 1992, das ist natürlich besonders ärgerlich. Mich wundert auch, dass man das nicht nachvollziehen kann und jetzt sagen kann, ja, das war so, oder nein, das war nicht so. Da muss die Rüstungskontrolle, glaube ich, sehr viel besser werden, auch bei diesen Dual-Use-Produkten, was diese Chemikalien wohl sind.

    Zagatta: Da können Sie aber in Ihrer eigenen Partei auch nichts erfahren. Denn die Grünen sollen ja zu Regierungszeiten diesen möglichen Chemielieferungen an die Assad-Diktatur ganz genauso zugestimmt haben.

    Koenigs: Also das kann ich nicht jetzt nachvollziehen. Was mich etwas wundert, ist, dass das Wirtschaftsministerium nicht genaue Akten hat und sagen kann, das und das war da und das und das war da nicht. Und das zeigt, dass die Rüstungskontrolle offensichtlich nicht so ist, wie sie sein müsste. Ich würde mir da wünschen, sehr viel deutlicher zu dokumentieren, um dann nachher auch nachzuweisen, man war es nicht oder man war es. Auf jeden Fall muss da sehr viel besser kontrolliert werden.

    Zagatta: Herr Koenigs, wir haben es angesprochen, Sie haben ja auch lange für die UNO gearbeitet, die sich in diesem Syrien-Konflikt bisher jedenfalls wieder als völlig machtlos gezeigt hat. Da ist jetzt neue Bewegung reingekommen durch das Abkommen, das die Amerikaner und die Russen vergangenen Samstag geschlossen haben. Aber kann die UNO unter diesen Umständen, so wie sie sich in den letzten Monaten wieder präsentiert hat, kann die ihre Aufgabe überhaupt noch erfüllen?

    Koenigs: Die UNO ist nicht ein geheimnisvolles Wesen, das mal stark ist und mal schwach ist, sondern die UNO ist genauso stark, wie die Mitglieder sie machen. Und bedauerlicherweise ist auch die Bundesregierung nicht in der Lage gewesen, systematisch mit allen Entscheidungen diese Organisation zu unterstützen. Natürlich sind G20 Konkurrenzunternehmen. Natürlich kann man mehr für die Vereinten Nationen machen. Natürlich kann man die mehr unterstützen, und das bringt ihr dann auch mehr Prestige. Man darf nicht vergessen, die Obstruktionsrolle, die Russland immer gemacht hat, gelingt Russland auch deshalb nur, weil die anderen nicht entschlossen genug sagen, wir wollen hier zusammenarbeiten und nutzen alle Institutionen einschließlich der Generalversammlung, um die Vereinten Nationen zu stärken.

    Zagatta: Der Grünen-Politiker Tom Koenigs. Herr Koenigs, herzlichen Dank für das Gespräch!

    Koenigs: Danke sehr, Herr Zagatta!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.