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Kohlenstoffhandel im Untergrund
Bäume tauschen groβe Mengen Zucker untereinander aus

In ihren Blättern wandeln Bäume Kohlendioxid in Zucker um, den sie weiter in die Wurzeln transportieren. Experimente von Schweizer Forschern zeigen nun, dass Bäume diesen Zucker auch mit ihren Nachbarn austauschen - eine bislang unbekannte Tatsache.

Von Sabine Goldhahn | 15.04.2016
    Blick in einen Wald.
    Bäume wandeln Kohlendioxid in Zucker (picture alliance / Klaus Rose)
    Bäume sind die perfekten Netzwerker. Sie tauschen untereinander Informationen aus, warnen sich gegenseitig vor Schädlingen und bilden mit den Pilzgeflechten an ihren Wurzeln eine ideale Nutzgemeinschaft. Daneben betreiben sie aber auch einen regen Kohlenstoffhandel, wie Forscher jetzt in einem Freilandversuch entdeckt haben. Christian Körner von der Universität Basel:
    "Wir hatten einen groβen CO2-Begasungsversuch über Jahre laufen, das heiβt, wir hatten erwachsene Bäume künstlich mit erhöhten Kohlendioxidmengen versorgt."
    Das war in einem Naturwald bei Basel. Dort stehen über hundert Jahre alte Fichten, Lärchen, Föhren, Buchen und andere Arten in einem Mischwald. 40 Meter hohe Bäume. Mit Hilfe eines Baukrans hatte der Forscher die Kronen einiger Fichten mit unzähligen dünnen Schläuchen versehen. Daraus strömte über mehrere Jahre hinweg gereinigtes Kohlendioxid aus der Industrie in die Baumwipfel. Zwei Tonnen pro Tag. Christian Körner:
    "Das Besondere an dem Gas ist, dass die Kohlenstoffisotope im Kohlendioxid anders verteilt waren als in der normalen Luft. Das Industriegas enthielt weniger von dem schweren Isotop C13."
    Für die Bäume machte das keinen Unterschied. Doch die Forscher benutzten die Menge des C13-Kohlenstoffs als Signal, das sie bis zu den Wurzeln nachverfolgen konnten. Denn der so markierte Kohlenstoff wird in Zucker eingebaut. Und den liefern die Bäume an das unterirdische Pilzgeflecht. Rolf Siegwolf vom Paul Scherrer Institut in Villigen hat die Kohlenstoffisotope in den Wurzelproben untersucht:
    "Da ist ein Baum, den haben wir mit CO2 versorgt, das deutlich weniger von diesem C13 drinnen hatte, und darum konnte man das ja sehr gut unterscheiden. Dieser Baum, dass dessen Wurzeln natürlich dieses Signal hatten, das haben wir erwartet. Dass das auch den Pilzen, diesen Mykorrhizen, übertragen wurde, das war eigentlich auch erwartungsgemäβ, aber dass dann benachbarte Bäume, die nicht versorgt wurden mit diesem CO2, dieses Signal auch hatten, das haben wir nicht erwartet."
    Die Forscher erlebten eine Überraschung: Sie fanden den markierten Kohlenstoff nicht nur in den Fichten, sondern auch in Lärchen, Föhren und Buchen in der Nähe. Also in völlig anderen Baumarten. Doch wie können nicht markierte Bäume in ihren Wurzeln dasselbe Isotopensignal tragen wie die mit dem CO2 begasten Fichten? Christian Körner ging erst einmal auf Fehlersuche. Aber ohne Erfolg:
    "Ja und nachdem wir alles ausschlieβen konnten, blieb nur ein Weg, wie dieses Signal von der Fichte auf die Buche kommt, und das sind die sogenannten Ektomykorrhizapilze. Das sind also Pilze, die umspinnen die feinsten Wurzeln der Waldbäume und vernetzen eben auch unterschiedliche Baumarten."
    Gürtelfuβ, Milchling, Täubling, Ritterlinge. So heiβen die Pilze, die im Waldboden die Baumwurzeln verbinden. Über dieses unterirdische Netzwerk schieben die Bäume ihren Kohlenstoff hin und her.
    "Das Erstaunliche war, dieser Transport war nicht einseitig von der Fichte zur Buche, sondern der ging auch umgekehrt. Das heiβt, wir sind da einem Transportweg auf die Spur gekommen, der symmetrisch ist."
    Etwa 300 Kilogramm Kohlenstoff pro Hektar haben die teils mehrere Meter voneinander entfernten Bäume im Jahr untereinander ausgetauscht. Und zwar nicht, weil ein Baum zu viel an Kohlenstoff hatte und diesen nur loswerden wollte. Der Handel blühte in beide Richtungen.
    Welchen Vorteil dieses neu entdeckte Transportsystem hat, darüber können die Forscher nur spekulieren. Möglicherweise gewinnt das Ökosystem durch den Kohlenstoffhandel an Stabilität und ist damit bei Trockenheit oder Schädlingsbefall besser geschützt.