Freitag, 29. März 2024

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Kohlhaas, Wright, Wasserflaschen

Eine Neuverfilmung der Kleistschen Novelle über "Michael Kohlhaas", ein halb realer, halb animierter Film, der in die Abgründe von Hollywood steigt und ein dokumentarischer Blick hinter die Kulissen der Wasserindustrie - diese Woche neu im Kino.

Von Hartwig Tegeler | 11.09.2013
    "Michael Kohlhaas" von Arnaud des Pallières

    Es ist die universelle Geschichte über den Widerstand und Kampf des Einzelnen gegen staatliche Willkür. Aber Heinrich von Kleist hat 1810 die Geschichte seines Helden Michael Kohlhaas in der gleichnamigen Novelle auch als komplexes Porträt eines Mannes gezeichnet, in dessen moralischem Rigorismus sich auch die Abgründe eines Besessenen zeigen. 1969 hat Volker Schlöndorff die Kleistsche Novelle verfilmt. Jetzt, in der grandiosen Adaption des französischen Regisseurs Arnaud des Pallières ist Mads Mikkelsen in die Rolle des Pferdehändlers geschlüpft, dem ein Baron zwei Pferde als Pfand einbehält, also schlicht raubt. Als Michael Kohlhaas sie zurückholen will ...,

    "Ich suche meine Pferde, mein Herr. Es waren zwei Reitpferde."

    ... findet er nicht wunderschöne Rappen, sondern abgearbeitete heruntergekommene Tiere vor.

    "Ihr habt mich zum Besten gehalten. Jetzt will ich meine Pferde zurück. Ich ziehe vor Gericht, Herr."

    Doch die Klage des Mannes wird abgewiesen. Und nun verwandelt sich der prinzipientreue Mann, der glücklich mit Frau und Tochter auf seinem Hof lebte und Pferde züchtete, in einen Rächer, der in einem blutigen Aufstand für sein Recht streitet. Bald zittert der Adel vor der Macht des Volkes. Doch der Geistliche, der Michael Kohlhaas in dessen Lager die Leviten liest, kündigt prophetisch die Zukunft des Mannes an.

    "Kohlhaas, was dich hier auf Erden erwartet, ist das Schafott."

    Arnaud des Pallières hat die Handlung "seines" Michael Kohlhaas, die im 16. Jahrhundert spielt, aus Brandenburg und Sachsen in die französischen Cévennen verlegt. In dieser kargen, winddurchtosten Landschaft, ihren wie unendlich erscheinenden Weiten, durch die die Protagonisten reiten, schält sich das Universelle wie Archaische dieser Rachegeschichte heraus. Pallières´ Film erinnert natürlich auch an einen Western. Gnadenlose Rache, aber eben auch Kampf gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit, die diesen Michael Kohlhaas in ein moralisches Dilemma führen und das Mads Mikkelsen eindrucksvoll interpretiert.

    "Michael Kohlhaas" von Arnaud des Pallières - herausragend.

    "The Congress" von Ari Folman

    Zwei Filme in einem, aber zusammen kommen sie nicht. In "The Congress" erzählt Ari Folman von einer Schauspielerin namens Robin Wright, gespielt von der wirklichen Robin Wright, die von einem Hollywood-Studiochef ein Angebot bekommt, das sie nicht ablehnen kann, denn Robin braucht Zeit und Geld für ihren autistischen Sohn.

    "Wir wollen dich quasi abtasten, dich konservieren. Es soll uns gehören, dieses Ding, dieses Ding, das sich nennt Robin Wright."

    Robin wird digitalisiert ...

    "Und jetzt lächeln. Einfach glücklich. Lachen."

    ... damit das Studio mit ihr beziehungsweise ihrer digitalen Kopie jeden Film drehen kann, den Robin nicht drehen will. Dieser düstere Blick auf Hollywood in digitalen Zeiten ist Film Eins in "The Congress". Und ist Realfilm. Dann springt in dem zweiten Teil Robin nach Schlucken einer Tinktur zwanzig Jahre, nachdem sie ihre digitale Kopie verkauft hat, in eine ganz animierte Welt:

    "Und denken Sie bitte daran, Mrs. Wright. Abrahama City ist eine der Animation vorbehaltene Zone."

    Hier leben die Menschen in ihren durch Chemiecocktails erhofften Träumen und Wunschfiguren. Fernab jeglicher Realität. Die nämlich, am Ende erhaschen wir einen Blick von ihr, ist nämlich inzwischen wüst und leer. - 2008 beeindruckte Ari Folman mit den Animationen seines meisterhaften Antikriegsfilms "Waltz With Bashir". Doch "The Congress" ist wirres Durcheinander, weil, wie gesagt, der Blick ins Hollywood-Geschäft und die Animation einer Parallelwelt mit chemisch erzeugtem Glück nicht zusammenkommen wollen. Thematisch ist alles ziemlich überladen.

    "The Congress" von Ari Folman - langweilig, enttäuschend.

    "Bottled Life" von Urs Schnell

    "Je mehr ich nachgedacht habe, was ist eigentlich der einzige wichtigste Faktor, dass eine Firma noch einmal 140 Jahre besteht, bin ich ganz klar aufs Wasser gekommen","

    sagt Peter Brabeck, Chef des weltweit größten Nahrungsmittelkonzerns Nestlé, und beschwört in Urs Schnells Dokumentation "Bottled Life - Nestlés Geschäft mit Wasser" eine Welt des sauberen Trinkwassers in Plastikflaschen, das der Konzern verkauft. Wie wenig solche medienwirksamen Hochglanzvisionen mit dem aggressiven Geschäftsgebaren von Nestlé und den anderen Wassermultis zu tun haben, zeigt Urs Schnell in seiner eindrucksvollen Dokumentation.

    Im US-Bundesstaat Maine beispielsweise wehren sich die Anwohner inzwischen gegen die Ausbeutung ihrer kommunalen Trinkwasservorräte. Nestlé pumpt dort nämlich das Grundwasser ab - Kosten nahezu Null - und verkauft das, was in den Gemeinden aus dem Wasserhahn kommt, unter dem Namen "Polar Springs" an der Ladentheke. Der Profit -
    enorm. Und nur darum geht es den Wasserkonzernen - meint in der Doku "Bottled Life" Maude Barlow, bis vor Kurzem Chef-Beraterin der UNO in Wasserfragen:

    "Sie kommen in ein Gebiet hinein und betrachten das Wasser wie eine Bergbaufirma, holen sich das Grundwasser, bis es weg ist, und ziehen weiter",

    sagt Maude Barlow. Kritischen Fragen stellt sich der Konzern nicht, diese Erfahrung hat Filmemacher Urs Schnelle beim Dreh gemacht; erst kam die Interview-Absage von Nestlé-Chef Peter Brabeck, dann, erzählt Urs Schnell in seinem Film "Bottled Life":

    ""Dann bietet er uns an, einen Film im Auftrag von Nestlé zu drehen. Über den Wasserverbrauch der Landwirtschaft. Für alles andere würden uns die Tore bei Nestlé verschlossen bleiben."

    Und zwar weltweit. "Bottled Life" - eine Dokumentation von Urs Schnell: spannend, ziemlich düster. Herausragend.
    "Bottled Life" - spannend, ziemlich düster, herausragend.