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Kölsche Proletarierin mit Ambitionen

Die "Marke" Trude Herr, das war das füllige kölsche Maskottchen. Aber hinter der Komikerin im anspruchslosen Gute-Laune-Geschäft steckte eine unangepasste Frau.

Von Beatrix Novy | 04.05.2007
    "Komische Frauen gibt es sehr wenig und noch weniger komische Frauen, die singen."

    "Ich habe auch mal von einer Schallplatte eine Million verkauft!"

    Dass Trude Herr nicht ganz die harmlose Nudel war, als die sie sich lange hatte verkaufen lassen, das kann man diesem "Urschrei nach Selbstverwirklichung" aus dem Jahr 1957 schon anhören. Sie selbst hätte ihr Image aus der Wirtschaftswunderzeit gern abgelegt. Aber in nahezu 100 Unterhaltungsfilmen mitgewirkt zu haben, in einer Zeit, als dieses Genre in Deutschland am Tiefpunkt war, das blieb an vielen hängen, die gern Besseres geleistet hätten. Man kann sich fragen, was aus Trude Herr, die es mit sich selbst und mit anderen nie leicht hatte, unter anderen Umständen geworden wäre. Aber war es nicht gerade das, was ihr fehlte, Vernunft, Konzept, Disziplin, das sie ausmachte?. Einfach war ihr Start ins Leben nicht, am 4. Mai vor 80 Jahren, als sie im Kölner Arbeiterviertel Buchforst geboren wurde, eine kölsche Proletarierin.

    "Mein Vater war ein Kommunist, er kam sieben Jahre acht Monate ins Zuchthaus wegen Beihilfe zum Hochverrat. Wir waren nicht würdig, nicht einmal für einen Wohlfahrtssatz in der Nazizeit ."

    Das meist vaterlose Kind, umgeben von starken Frauen mit starken Stimmen, entwickelte eine unbändige Lust an der Darstellung. Dass ihre Karriere mit Schauspielschule und Stadttheater begonnen habe, wie sie immer erzählte, konnte später ihr Biograf Gerard Schmidt nicht nachweisen; aber dass sie sich zum Volkstheater des Willy Millowitsch durchschlug, ist amtlich, ebenso wie ihre kurze Laufbahn als Karnevalsbüttenrednerin. Da war sie schon die komische Dicke.

    "Ich war ein sehr dürres Kind, bis die Währungsreform kam, bis '48, und dann bin ich ein Gourmet geworden."

    Bekanntlich isst ein Gourmet nicht viel, aber gut.

    "Ich nehme eben eine kleine Suppe und eine Vorspeise, und zwei Sorten Fleisch, aber auch nicht sehr viel und Gemüse und Salat und ..."

    Auf dem Pummelchen-Image baute Trude Herr nolens, volens ihre Karriere auf. Ihr Wirtschaftswunderspeck machte sie als junge Liebhaberin unmöglich. Als ihre Filmerfolge schließlich nachließen, blieben ihr zwei Dinge: ihre Heimatstadt Köln - und die Wüste. Auf langen Touren begab sie sich in die Gefahr, die sie brauchte, zu Männern, die sie für eine Zeit lang liebte. Dort lernte sie auch den Geschäftspartner kennen, mit dem sie sich den Traum vom eigenen Theater erfüllte. Es war ihr gelungen, nach dem Ende der Filmkarriere als Volksschauspielerin in ihrer Heimatstadt Fuß zu fassen; aber auch hier gingen ihre Ambitionen weiter.

    "Ich wollte das Volkstheater reformieren, Stücke, die in der heutigen Zeit spielen, die heute glaubhaft sind. Gesellschaftskritisch bin ich auch engagiert."

    Theater, das Klischees in Frage stellt, statt sie zu betonieren. Sogar Schwule und Nutten schrieb sie in ihre Stücke. Über die spezifische beißschwache Unschärfe des Kölner Humors kam Trude Herr nicht hinaus, und ohne ihre immense Ausstrahlung funktionierten die Stücke sowieso nicht. Aber warum gab sie 1986 ihr Theater wieder auf? Weil sie alles immer wieder aufgeben musste?

    Anders als Willy Millowitsch war sie keine Berufskölnerin. Es war die Szene des neu aufgekommenen Lokalpatriotismus, der sie in den 80er Jahren entdeckte, und bevor sie mit großem Tamtam auf die Fidschi-Inseln auswanderte, sang sie mit BAP-Sänger Wolfgang Niedecken das Abschiedslied, das eine Hymne sentimental-kölscher Selbstvergewisserung wurde.

    Trude Herr kam zurück, auch die Fidschis hatten ihre Seele und ihre Gesundheit nicht heilen können. Aber sie blieb unsentimental und rastlos: Gestorben ist sie nicht in Köln, bei ihren Kölnern, die sie so gern vereinnahmt hätten, sondern in der Provence, am 15. März 1991.