Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Kolumbien
Der neue Friedensvertrag muss her

Der Weg zu einem Friedensvertrag zwischen Kolumbiens Regierung und der Farc-Guerilla gleicht einer Achterbahnfahrt. Nach dem überraschenden Nein beim Referendum soll heute der Fahrplan für den überarbeiteten Friedensvertrag unterzeichnet werden. Abstimmen sollen darüber dann aber nicht mehr die Bürger, sondern das Parlament.

Von Anne Herrberg | 24.11.2016
    Eine Frau weint während einer Demonstration für die Unterzeichnung eines Friedensabkommens mit der Farc.
    In Bogotá demonstrieren Kolumbianer für die Unterzeichnung des Friedensabkommens mit der Farc. (AFP / Luis Acosta)
    Die erste Unterzeichnung des Friedensvertrages Ende September: Eine pompöse Zeremonie mit Dutzenden Staatsgästen und riesigen Erwartungen – eine Woche später, das Nein im Volksentscheid. Dann – und trotz allem – der Friedensnobelpreis für Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und die Ansage: Es wird neu verhandelt. Der Weg zu einem Friedensvertrag zwischen Kolumbiens Regierung und der Farc-Guerilla gleicht einer Achterbahnfahrt. Nun soll der Fahrplan für den zweiten, überarbeiteten Versuch unterzeichnet werde, abstimmen sollen darüber dann aber nicht mehr die Bürger sondern das Parlament, verkündete Santos mit tiefen schwarzen Ringen unter den Augen
    "Die Alternative wäre ein neuer Volksentscheid. Aber die Mehrheit der zivilgesellschaftlichen Bewegungen, der Jugend, Kirche und politischen Parteien haben die Besorgnis geäußert, dass eine neue Kampagne für Ja oder Nein die Polarisierung im Land auf gefährliche Weise vorantreibt. Wir brauchen jetzt Zusammenhalt, nicht Spaltung."
    Rund 500 Änderungsvorschläge sind in die Neuverhandlung eingeflossen, doch die größten Gegner aus dem rechtspopulistischen Lager des Ex-Präsidenten Alvaro Uribe sind immer noch nicht zufrieden – wie Oscar Iván Zuluaga, der bei der Präsidentenwahl 2014 gegen Santos verloren hatte Eine Farce sei die Abstimmung im Parlament, so Zuluaga, schließlich hat die Regierung dort die Mehrheit.
    Farc will strikte Einhaltung garantieren
    "Es gab Fortschritte, das erkennen wir an, aber immer noch können die, die für schwere Verbrechen wie Entführungen und Drogenhandel verantwortlich sind, sich zur Wahl stellen bevor sie eine Strafe abgesessen haben. Uns wird hier ein Vertrag aufgezwungen, damit spaltet der Präsident das Land."

    Das Land war bereits vorher gepalten – viele Kritikpunkte sind aber tatsächlich überarbeitet worden. Allen voran das Thema Sonderjustiz: So soll das Oberste Gericht größere Einfluss erhalten und die Strafen für die Guerillakämpfer härter ausfallen. Außerdem wird das Vermögen der Farc für die Entschädigung der Opfer herangezogen. Nicht gerüttelt wird allerdings am Punkt politische Beteiligung. Denn: Nicht mehr mit Waffen, sondern mit legalen Mitteln zu kämpfen, genau das ist der zentrale Punkt des Verhandlungsteams der Farc unter Kommandant alias Timoschenko.
    "Wir haben einen soliden Vertrag, der alle einschließt und vertritt und umsetzbar ist. Daher ist das ein definitives Abkommen. Seitens der Farc garantieren wir für die strikte Einhaltung. Lasst uns für den Frieden arbeiten und für die soziale Gerechtigkeit."
    Heißt auch: weitere Änderungen sind mit der Guerilla nicht zu machen. Zwar herrscht nach wie vor ein Waffenstillstand, doch die Lage im Land ist insgesamt äußerst angespannt, bestätigt Todd Howland, vom UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte.
    "Die Ungewissheit hat ein Machtvakuum geschaffen, aber Mechanismen, um die Sicherheit der Rebellen, aber auch um Alternativen zum Kokaanbau zu gewährleisten, gibt es bisher nur auf dem Papier, während sich die Realität in vielen Regionen verändert.
    Im Norden sind zwei Farc-Guerilleros getötet worden, wohl durch die Armee. In verschiedenen Regionen bröckelt der Zusammenhalt der Farc-Basiseinheiten, es gibt Überläufer, Nachfolgekämpfe mit anderen kriminellen Gruppen und Mafias, vor allem dort, wo das Drogengeschäft blüht. Gleichzeitig hat die Gewalt gegenüber Bauernführern und Umweltaktivisten zugenommen, über 70 politisch motivierte Morde zählen Menschenrechtsorganisationen für dieses Jahr. Der Boden schwankt. Die Zeit drängt.