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Kolumbien
Friedensprozess auf wackligen Füßen

Der zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC vereinbarte Waffenstillstand gilt bisher nur bis Ende Dezember. Doch die Verhandlungen über die Details des Friedensvertrages gestalten sich seit dem knappen Nein der Kolumbianer schwierig. Bisher liegen allein 400 Änderungsanträge vor.

Von Burkard Birke | 05.11.2016
    Die beiden weißgekleideten Männer schütteln sich lächelnd die Hand. Dazwischen steht der kubanische Außenminister Bruno Rodriguez, der ebenfalls lächelnd applaudiert. Auch er trägt ein weißes Hemd.
    Der Unterhändler der kolumbianischen Regierung, Humberto de la Calle (r.) und der Kommandeur der FARC-Guerilla, Ivan Marquez (l.) besiegeln am 25.8.2016 in der kubanischen Hauptstadt Havanna die Einigung auf einen Friedensvertrag. (AFP / YAMIL LAGE)
    "Schluss mit der Polarisierung. Die Botschaft war unüberhörbar und für die Parlamentarier nachzulesen.
    "Versöhnung: Das ist unsere Botschaft an die Politiker, wir, die Jugendlichen verschiedenster Parteien, sind entschlossen, gemeinsam für Versöhnung und Frieden zu arbeiten."
    Der Appel des Grünen David und von zwei Dutzend Vertretern verschiedenster anderer Jugendorganisationen stieß bei einigen im Kongress freilich auf taube Ohren. Statt Versöhnung, viel Polemik:
    Er glaube nicht, dass Präsident Santos den Friedensnobelpreis verdiene, sagt etwa Senator José Obdulio Gaviria vom Centro Democrático. Für ihn und seine Parteifreunde, allen voran Ex-Präsident Alvaro Uribe, ist der Preis für den Frieden in dem ursprünglichen Vertrag zu hoch.
    Vorgesehen waren unter anderem eine Sondergerichtsbarkeit mit Maximalstrafen von acht Jahren Freiheitsentzug selbst für schlimmste Menschenrechtsvergehen, die Umwandlung der FARC in eine politische Kraft, Wiedereingliederungshilfen, eine Agrarreform und der Rückzug der FARC aus dem Drogengeschäft. Obwohl auch das Centro Democrático und andere aus dem Lager der Neinsager natürlich Frieden wollen, gibt es für sie Grenzen:
    "Gefängnisstrafen für schwere Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen",
    fordert Senator Alfredo Rangel,
    "nur nach Absitzen der Strafe soll politisches Engagement erlaubt sein, die Einnahmen aus dem Drogenhandel sollten zur Entschädigung der Opfer von der Guerilla bereitgestellt werden, die Drogenpolitik solle neu definiert werden, legal erworbene Grundstücke sollten nicht für die Landreform herangezogen werden."
    Schwierige Nachverhandlungen
    Mehr als 400 Änderungsvorschläge liegen auf dem Tisch: Im Grunde geht es bei den Nachverhandlungen in Havanna aus Sicht der Regierung mehr um Klar- als um neue Weichenstellungen. Über Sondergerichtsbarkeit und politisches Engagement werden die FARC wohl kaum mit sich reden lassen. Nur kosmetische Veränderungen will jedoch vor allem die stärkste Oppositionspartei Centro Democrático nicht hinnehmen.
    "Die FARC haben nicht wieder die Waffen aufgenommen, aber sie haben sich auch noch nicht politisch integriert. Wir befinden uns in einer Phase der Ungewissheit für die Kämpfer, die schnell abgestellt werden muss."
    Warnen indes Linke, wie Senator Ivan Cepéda.
    Frieden auf wackligen Füßen
    Nur bis Ende Dezember läuft offiziell der Waffenstillstand, darauf weist auch der Sonderbeauftragter der EU, der Ire Eamon Gilmore, hin. Nach seinen Gesprächen dieser Tage gibt er sich jedoch optimistisch:
    Er hoffe, dass lange vor diesem Termin Klarheit herrsche. Das ist auch die Hoffnung der gewaltgeplagten Kolumbianer: Mehr als 250.000 Tote, acht Millionen Opfer vor allem Vertriebene in mehr als fünf Jahrzehnten: Das Volk sehnt sich nach Frieden. Die Hoffnungen sind groß, dass auch mit der zweiten Rebellengruppe, dem etwa 1500 bis 2.000 Mann starken nationalen Befreiungsheer, ELN, endlich offiziell verhandelt wird. Bedingung dafür ist die Freilassung einer Geisel, des Ex-Abgeordneten Odin Sanchez.
    "Der wahre Frieden kommt, wenn man fühlt, was der Andere fühlt"
    "Ich habe den Eindruck, dass die Guerilla an diesem Punkt nachgeben wird, und Einsicht zeigt, denn sie sind jetzt in der politischen Arena und nicht nur im Wald",
    sagt der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, der Grünen-Abgeordnete Tom Koenigs nach einem Treffen mit dem ELN Verhandlungsführer. Behält er Recht, könnte nächste Woche in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito endlich der Startschuss für offizielle Verhandlungen fallen.
    "Der wahre Frieden kommt, wenn man fühlt, was der Andere fühlt und man sich in seine Haut hineinversetzen kann",
    meint die Studentin Sofia Melende auf der Plaza Bolivar in Bogotá und genau das sollten die Unterhändler aller Seiten jetzt mehr denn je beherzigen.