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Kolumbien
Kein Ende der Gewalt in Sicht

Zwei Guerilla-Gruppen kämpften fast 50 Jahre gegen Kolumbiens Regierungen. Wer sich wehrte, musste um sein Leben fürchten. Seit Ende 2012 laufen Friedensverhandlungen. Vor der Präsidentenwahl hat Präsident Santos jetzt seine Friedensbemühungen intensiviert.

Von Nils Naumann | 14.06.2014
    Unterwegs zu einem geheimen Ort. Irgendwo außerhalb der Hauptstadt Bogotá. Eine gute Stunde dauert die Fahrt auf der sechsspurigen Ausfallstraße. Rechts und links grüne Bergketten. Tiefblauer Himmel. Klare Luft. Dann ein Abzweig. Ein kleines Dorf. Hinter einer großen Mauer ein Anwesen. In einem kleinen Raum spielen rund ein Dutzend Jungen und Mädchen. Es sind Kinder von desertierten Guerilleros.
    "Diese Kinder waren sehr lange von ihren Eltern getrennt. Bei uns kommen die Familien wieder zusammen."
    Jose Londonho ist der Leiter des Hogar de Paz Villemaus, des Friedenshauses, einer Auffangeinrichtung für desertierte Guerilleros. Der kolumbianische Staat bietet Guerilla-Kämpfern Straffreiheit und finanzielle Unterstützung, wenn sie sich den Behörden stellen und keine Verbrechen begangen haben. Seit 2002 haben nach offiziellen Angaben mehr als 20.000 Guerilleros die Waffen niedergelegt. Nach ihrer Flucht können sie bis zu drei Monate in einem Hogar de Paz verbringen:
    "Die kommen häufig sehr verängstigt bei uns an. Sie sind unsicher was genau hier passieren wird. Wir bereiten sie auf das zivile Leben vor."
    Brigite Ribera ist Psychologin im Hogar de Paz. Rund 40 ehemalige Kämpfer der FARC und der kleineren ELN-Guerilla leben in der Einrichtung. Viele waren erst 12, 13, oder 14 Jahre alt, als sie sich der Guerilla anschlossen.
    "Die Anwerber erzählen ihnen von der Revolution. Viele der Jugendlichen sind aber vor allem von den Waffen der Guerilla fasziniert. Wer eine Waffe hat, wird von allen respektiert, hat mehr Chancen bei den Frauen. Sie geben dir Macht."
    Bei Gloria war das anders. Sie war fasziniert von einem Mann. Einem Guerillero. Ihr Liebhaber überzeugte sie, sich der FARC anzuschließen. Damals war Gloria 19. Doch schon nach kurzer Zeit wurde ihr Freund in eine andere Region versetzt. Gloria blieb allein zurück – in einem Leben, das sie sich so nicht vorgestellt hatte:
    "Das Essen ist schlecht, du kannst den Himmel nicht sehen, darfst nicht aus dem Wald raus, nicht in die Dörfer. Ich habe jahrelang kein Haus gesehen."
    Auf Fahnenflucht steht der Tod
    Elf Jahre blieb Gloria in der FARC. Einmal wurde sie von einem anderen Guerillero schwanger. Ihr Kommandant zwang sie zur Abtreibung – im fünften Monat. Kinder sind in der Guerilla nicht erlaubt – sie gelten als Gefahr für die Kampfkraft.
    "Ich habe das Baby schon gespürt. Das macht mich immer noch traurig. Aber in der Guerilla erfüllst du nur Befehle, du musst tun was sie dir sagen."
    2005 lernte Gloria Juan kennen. Groß. Kräftig. Dunkler Teint. Gutaussehend. Auch er ein Guerillero. Gloria verliebte sich. Die beiden wurden ein Paar. Doch der Krieg wurde immer bedrohlicher:
    "Manchmal wurden wir 15 Tage bombardiert. Mal landeten die Bomben 500 Meter entfernt, mal mitten im Lager. Ständig gab es Kämpfe mit dem Militär. Manchmal täglich."
    Gloria und Juan wurden immer unzufriedener:
    "Die politischen Programme der FARC hören sich sehr schön an. Aber viele Kommandanten halten sich nicht daran. Die geben das Geld der Truppe für sich und ihre Frauen aus."
    "Wir hatten dort keine Zukunft. Das war verlorene Zeit."
    Und die beiden wollten Familie.
    "Als ich wieder schwanger wurde sind wir geflohen. Damit sie nicht noch eine Zwangsabtreibung machen."
    Auf Fahnenflucht steht bei der FARC der Tod. Gloria und Juan müssen vorsichtig sein. Sich aus ihrem alten Umfeld fernhalten. Trotzdem hoffen sie auf eine bessere Zukunft für sich und ihren kleinen Sohn. Doch was den Friedensprozess angeht ist Juan skeptisch:
    "Der Krieg ist doch für beide Seiten ein gutes Geschäft – er bringt das Geld – mehr als alles andere."