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Kolumbiens Umweltbewusstsein
Klimaschutz als Kinohit

Der Film "Colombia magia salvaje" bricht gerade in Kolumbien alle Rekorde an den Kinokassen. Hinter dem 90-minütigen Kinohit steckt aber kein Blockbuster, sondern eine Dokumentation über die artenreiche Tier- und Pflanzenwelt Kolumbiens. Der Film ist sogar so erfolgreich, dass nun auch Politik und Bevölkerung anfangen, in Sachen Umweltschutz umzudenken.

Von Johannes Kulms | 13.06.2016
    Hohe Temperaturen, verursacht durch El Nino, reduzieren die Wasserbestände in den Stauseen erheblich.
    Kolumbien leidet immer öfter unter Dürren, verursacht durch das Wetterphänomen El Nino. (picture alliance / dpa / Christian Escobar Mora)
    "Colombia magia salvaje" – so lautet der Titel einer filmischen Reise, der sich ins Deutsche übersetzen ließe mit: "Wildes magisches Kolumbien".
    Die eineinhalbstündige Dokumentation kam im vergangenen September in die kolumbianischen Kinos - und ist zum erfolgreichsten Werk der Filmgeschichte des Landes geworden.
    In immer wieder atemberaubenden Aufnahmen zeigt der Film Landschaften, Tiere und Pflanzen, deren Vielfalt in Kolumbien so groß ist wie in nur wenigen Ländern der Welt.
    "Colombia magia salvaje" wird das Umweltbewusstsein im Land verändern, meint der Klimaexperte Ricardo Lozano. Lozano hat fünf Jahre lang das staatliche Institut für Wasserwirtschaft, Meterologie und Umweltstudien geleitet und ist nun als Umweltberater und Journalist tätig.
    Lozano sitzt an diesem Nachmittag in einem Café in der Hauptstadt Bogotá, während sich draußen der Feierabendverkehr vorbeischiebt.
    "Familien haben den Film gesehen, Kinder und Erwachsene. Der Film zeigt den Zuschauern die Landschaften und den Reichtum unseres Landes. Doch er macht auch die Gefahren für die Ökosysteme in Kolumbien deutlich. Zum Beispiel der illegale Bergbau, der die Urwälder im Amazonas oder an der Pazifikküste bedroht."
    Doch das sind nicht die einzigen Umweltprobleme, mit denen das südamerikanische Land kämpft. Hinzu kommen Überfischung, Ölverschmutzung oder der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft.
    Zudem führen die Klima-Phänomen El Niño zu starker Dürre, bzw. La Niña mit kräftigen Regenfällen zu Überschwemmungen.
    Die Auswirkungen sind vor allem auf dem Land zu spüren - zum Beispiel in Form von Ernterückgängen - aber auch in der Großstadt.
    "Durch El Niño standen wir kurz davor, den Strom zu rationieren, weil die Staudämme zu wenig gefüllt waren. Wir sind damit an unsere Grenzen gestoßen.”
    Kampange fürs Energiesparen
    Die kolumbianische Regierung antwortete auf die Engpässe mit einer Kampagne. Fernseh- und Internetspots sollten zum Stromsparen zu animieren, finanzielle Anreize bzw. Bestrafungen wurden dabei als Druckmittel genutzt.
    Die Kampagne sei nicht ohne Wirkung geblieben, glaubt Klimaexperte Lozano.
    Ein langer Weg
    Doch das Bewusstsein für Kolumbiens Umweltprobleme ist das eine – das konkrete Handeln oder gar Veränderungen des Lebensstils sind das andere. Hier hat das Land noch einen weiten Weg vor sich.
    Lozano muss nur durch die Fensterscheibe des Café schauen, um das zu sehen, was er als "Tragik des Allgemeinguts" bezeichnet: Autofahrer, die alleine in ihren Wagen sitzen und auf dem Weg nach Hause sind. Und doch lassen sich gerade auf den Straßen Bogotás auch Zeichen eines zumindest langsamen Umdenkens finden.
    An fast jeder Kreuzung ist mittlerweile ein Verkehrsmittel zu sehen, das in viele europäischen Städten fest verankert ist: das Fahrrad. Viele Strecken in der auf 2.600 Metern gelegenen Metropole lassen sich damit am schnellsten zurücklegen.
    In zahlreichen Stadtteilen haben sich Interessierte zu Gruppen zusammengeschlossen, um wöchentlich gemeinsam abendliche Radtouren durch die Viertel zu machen - so wie die Initiative "Teusacatubici"
    "Die Philosophie der Gruppe ist sehr interessant: nämlich das Fahrrad als umweltfreundliches Fortbewegungsmittel zu nutzen. Und Leute zusammenzubringen, die sich für Räder begeistern. Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft, die Leute sind sehr herzlich. Da will man nicht fehlen",
    sagt Cristian Montaño - ein junger Mann in den 20ern, im Hauptberuf Pilot. Er ist einer von etwa 150 Radfans an diesem Abend.
    Mehrere Bürgermeister haben in den letzten 15 Jahren versucht, das Fahrrad in Bogotá populärer zu machen. Auf rund 375 Kilometer summiert sich nach Behördenangaben mittlerweile das Netz an Radwegen in der Stadt.
    Zudem werden jeden Sonntag für einen halben Tag viele Hauptverkehrsstraßen in der Hauptstadt für Autofahrer gesperrt, um Fußgängern, Skatern und Radfahrern Vorfahrt zu geben.
    Mehr Informationen, mehr Geld, mehr Daten
    Die Bevölkerung und die Politik in Kolumbien seien sensibler geworden mit Blick auf den Umweltschutz, meint Klimaexperte Lozano. Es gebe mehr und mehr Gesetze und Gerichtsentscheidungen zugunsten des Naturschutzes. Doch das reiche nicht, so Lozano.
    "Wir brauchen mehr Informationen, mehr Geld, mehr Daten, aber auch mehr Leute, die auf diesem Feld tätig sind. Doch dafür brauchen wir die Hilfe und das Know-how anderer entwickelter Länder wie zum Beispiel Deutschland.
    In Kolumbien gibt es bis heute keinen Studiengang in Meteorologie oder Wasserwirtschaft. Deswegen gibt es nur wenige Fachkräfte auf diesem Gebiet. Wir brauchen auch Unterstützung bei der Technologie, zum Beispiel um die Wasserstände bei Flüssen zu überwachen."
    Dann steht Ricardo Lozano auf um sich auf den Heimweg zu machen. Er geht - zu Fuß.