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Kommentar
"Beratungsresistent. Uneinsichtig. Arrogant."

Von einem Miteinander scheinen Sport und Politik bei der Spitzensportreform weit entfernt zu sein. Der DOSB fordert mehr Geld und droht: Sollte es ausbleiben, würde dies in erster Linie auf die Athleten und Trainer zurückfallen. Der DOSB hat bisher aber offenbar zu wenig für die Reform getan.

Von Bianca Schreiber-Rietig | 12.05.2018
    Alfons Hörmann, Präsident Deutscher Olympischer Sportbund DOSB am 12. 04. 2018 in Berlin
    Alfons Hörmann, Präsident Deutscher Olympischer Sportbund DOSB am 12. 04. 2018 in Berlin (imago sportfotodienst)
    Gutsherrenart. Beratungsresistent. Uneinsichtig. Arrogant. Das fällt einem als erstes bei der Lektüre der "Frankfurter Erklärung zum Leistungssport" des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ein. Das Papier ist lächerliches Gedöns. Vor allem ist es eine Rechtfertigungs-Arie und eine Replik auf den Bericht des Bundesrechnungshofes zum Stand der Reform, der einer Bankrotterklärung für den DOSB gleichkommt.
    Die Prüfer monieren nämlich, dass der Sport keine seiner Aufgaben bisher erledigt habe. Keine Überraschung, dass der DOSB die Kritik weit von sich weist. Ganz im Gegenteil, man sei etwa bei der Reduzierung der Bundesstützpunkte fast vor dem Abschluss. Sport und Politik befinden sich wieder einmal in ihren diametral entgegengesetzten eigenen Realitäten, in die sie sich im Zuge der Spitzensportreform ständig gebeamt haben.
    Wahrnehmung entspricht nicht der Realität
    Wahrnehmung - damit haben der Sport und vor allem DOSB-Präsident Alfons Hörmann so ihre Probleme. Denn ihre Wahrnehmung entspricht immer der Welt, die sie gerne hätten, und selten der Realität. Wenn Hörmann Erklärungen abgibt, ist Vorsicht geboten: Manchmal wird das eine Märchenstunde. Frage also: Haben die deutschen Sportfunktionäre und -funktionärinnen den Schuss nicht gehört? Haben sie immer noch nicht kapiert, dass staatliche Spitzensport-Förderung kein Selbstläufer mehr ist? Der deutsche Steuerzahler als Geldgeber hat das Recht zu wissen, was mit den Millionen passiert, die in den elitären Spitzensport gebuttert werden.
    Seit vier Jahren streiten Politik und Sport um eine Reform, die der DOSB und sein Präsident von Anfang an so nicht wollten. Ihnen ging es nur um mehr Kohle. Okay, ein paar strukturelle Zugeständnisse, der Optik wegen. Aber: Transparenz, Kontrolle, Rechenschaft abgeben: Das ist für Sportfunktionäre eine Zumutung. Da verstehen sie keinen Spaß.
    Hörmann, der letzte Mohikaner
    Auch in der neuesten Erklärung, geht es - zusammengefasst - nur um mehr Geld. Um nicht ganz so gierig zu erscheinen, formulierten die Spitzenvertreter der Verbände die Begründung für den Mittelaufwuchs bewusst mit sozialem Touch: Athleten und Trainer, die bisher eher eine Nebenrolle spielten, sollen die wahren Profiteure des Geldregens sein. Ist das aber wirklich so?
    Hörmann ist sozusagen der letzte Mohikaner aus dem Quartett der Reformväter und versucht nun wie gehabt, sich durchzusetzen. CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière, dessen Credo: "Erst Reform, dann mehr Geld", war, musste seinen Stuhl für den CSU-Mann Horst Seehofer räumen.
    Vorher war der umstrittene DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper in Rente gegangen. Und CSU-Mitglied Hörmann hat es geschafft, mit Hilfe seines Parteifreundes und neuen Staatssekretärs Stephan Mayer den Minister dazu zu bringen, seinen vermeintlich größten Widersacher im BMI, den Abteilungsleiter Sport Gerhard Böhm, loszuwerden.
    Beigetragen, das Vertrauen zu zerstören
    Nach allem, was sich der DOSB-Präsident – vor allem im Zusammenhang mit der Reform - geleistet hat, wäre nun die Frage: Wie steht es um seinen Rücktritt? Er hat maßgeblich mit verbalen Querschlägen und Hinterzimmerpolitik dazu beigetragen, das Vertrauen zwischen Sport und Politik zu zerstören.
    Sein Verhalten, Auftreten und auch manche Entscheidungen erinnern an die Unberechenbarkeit Donald Trumps. Aber diese - ebenso wie Versprechungen, Drohungen oder Rausschmisse sind das letzte, was der Spitzensport jetzt brauchen kann.
    Gerne pocht der DOSB auf seine Autonomie und die Selbstreinigungskräfte des Sports. Die aber regelmäßig versagen, wie uns Beispiele bei Doping oder Korruption zeigen. Da sollten sich auch konservative Politiker mal an den Revoluzzer Lenin und seinen Satz "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" erinnern.
    Belohnung für schlechtere Leistung
    Der DOSB ist die einzige gesellschaftliche Organisation in dieser Republik, die, je schlechter die Leistungen sind, auch noch dafür belohnt wird: Das Totschlag-Argument des Sports lautet seit Jahrzehnten: Wir können nur mit der Weltspitze Schritt halten, wenn wir mehr Geld bekommen. Bisher wurde diese These nie hinterfragt, auch dann nicht, wenn sie jahrelang durch anhaltendes Sinken des Leistungsniveau widerlegt wurde.
    Nach Abschluss der Reform soll zu den 175 Millionen Euro in etwa der doppelte Aufschlag kommen. Was bitte rechtfertigt dies? Der einzige Grund, warum der deutsche Spitzensport heute noch staatlich gefördert wird, ist die Repräsentation. Doch angesichts nationaler und internationaler Skandale kann der Staat mit dem Sport keinen Staat mehr machen. Und in der Relation zu anderen gesellschaftlichen Organisationen verliert der DOSB mehr und mehr an Prestige. Auch deswegen ist es unangemessen und selbstherrlich, ständig mehr Geld zu fordern.
    Vom Staat gepampert
    Der DOSB, der wie viele andere Sportverbände keine Non-Profit-Organisation mehr ist, aber immer noch deren Privilegien hat und weiter beansprucht, wird sich für den Spitzensport nach neuen Finanzierungsmodellen umsehen müssen. Staatlich gefördert werden sollte in Zukunft nur noch der Sport für alle.
    Doch diesen "worst case", sich neue Geldquellen zu suchen, haben die meisten Sportführer nicht in ihren Denkschablonen. Es ist ja so schön bequem, wenn man vom Staat gepampert wird. Nach Böhms Rauswurf setzt der Sport auf die Karte: Alles läuft wie vor der Böhm-Ära. Seine Nachfolgerin, Ministerialdirektorin Beate Lohmann, nährt diese Hoffnung: Es wird kolportiert, dass sie dem DOSB zugesichert haben soll, Etatverhandlungen künftig nur noch mit dem Dachverband gemeinsam zu führen. Und dass der Konfrontationskurs vorbei sei.
    Keiner hat Lust, den desolaten Laden zu übernehmen
    Weiß das auch Alfons Hörmann? Neuanfang? Mit diesem Präsidenten? Seit langem wird Hörmanns Führungsstil und Verhalten intern wie extern heftig kritisiert. Aber öffentlich outen sich die wenigsten Kritiker aus dem Sport. Nun hat Hörmann am Mittwoch in Frankfurt mal wieder die Sportfamilie eingeschworen, den Schulterschluß geübt: Die Wagenburg steht.
    Rücktrittsforderung? Keiner will die Rolle des Brutus übernehmen, zumal man nun auch wieder ermahnt wurde, bloß nichts den bösen Medien durchzustechen. Und selbst wenn man den Boss nun absägte – es gäbe keinen, der Lust hätte, den desolaten Laden zu übernehmen.
    Alternativen hätte man schon, wenn man nur wollte. Aber der Sport will nicht. Es fehlt der Mumm zur Revolte. Und man hat es sich so schön eingerichtet. Bis zum nächsten Streit, der sicher kommen wird. Und den vielleicht Hörmann vom Zaun bricht. Wo dann auch den bisher hilfreichen Amigos sicher vors Schienbein getreten wird.
    Konservative Seilschafts-Politik im schlechtesten Sinne
    Reform heißt Erneuerung und Veränderung: Der Wille dazu ist bei den meisten Sportverantwortlichen auch nach vier Jahren Reformbestrebungen nicht zu erkennen. Ist das also die Stunde der Parlamentarier, des Sportausschusses und seiner Vorsitzenden Dagmar Freitag von der SPD? Bleiben sie - vor allem wegen der eigenen Glaubwürdigkeit - auf dem eingeschlagenen Kurs und zeigen dem Sport Grenzen, wo es nötig ist?
    Oder knicken auch sie wieder ein vor im schlechtesten Sinne verstandener konservativer Seilschaft-Politik? Mit Sperenzchen, Schaumschlägereien und Lügen muss es ein Ende haben. Es wäre vor allem Aktiven und Trainern zu wünschen, dass Hörmanns Lippenbekenntnis von "Wahrheit, Klarheit und Transparenz", die es im Spitzensport geben soll, tatsächlich umgesetzt wird.