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Weniger WM-Gefühl geht nicht

Eine Fußball-Weltmeisterschaft mit 48 Mannschaften? Nach den Plänen von FIFA-Präsident Gianni Infantino drohen ab 2026 auf solche Mammut-Turniere. Eine folgerichtige Entwicklung, findet unser Autor Jonas Panning, der an Infantinos Wahlversprechen für kleinere Verbände erinnert. Von der Aufstockung hätten aber weder die Exoten noch die Fans vor den Fernsehgeräten etwas.

Von Jonas Panning | 04.10.2016
    Gianni Infantino blickt vom Podium des FIFA-Kongresses in die Runde der Delegierten und hebt zum Dank für seine Wahl die Arme.
    FIFA-Präsident Gianni Infantino (dpa / ENNIO LEANZA)
    Eine Fußball-Weltmeisterschaft mitten in der Wüste. Das Endspiel kurz vor Weihnachten. Wer das für einen schlechten Scherz gehalten hat, wird im Jahr 2022 in Katar eines besseren belehrt. Vier Jahre später findet dann höchstwahrscheinlich die erste Mammut-WM statt – eine WM mit 48 statt wie bislang 32 Teilnehmern. Der Fußballweltverband ist nicht für Scherze bekannt. Auch, wenn seine Vorschläge und Entscheidungen häufig danach klingen - den Fußballfan allerdings eher kopfschüttelnd zurück lassen.
    Der neue Vorschlag des FIFA-Präsidenten ist folgerichtig. Er hat damit - schon vor seiner Wahl im Februar - um Stimmen geworben. Jetzt sieht er sich den kleineren Nationen gegenüber in der Bringschuld. Auch die haben ihn schließlich gewählt. Und darum geht es ihm - als erstes.
    Schon bei der EM war die Aufstockung problematisch

    Von seinen Plänen hat aber weder das exotische Nationalteam etwas, noch der Fan daheim im Fernsehsessel. Denn die Leidenschaft muss schon sehr groß sein, um sich Spiele anzuschauen wie Äquatorialguinea gegen Macau oder Neukaledonien gegen die Britischen Jungferninseln. Und das womöglich auch noch mitten in der Nacht. Schon bei der Europameisterschaft im Sommer hat das nicht geklappt. Auch hier waren erstmals mehr Mannschaften dabei. Aber die Partie Rumänien gegen Albanien zum Beispiel wollten da gerade einmal 750.000 Deutsche Fernsehzuschauer sehen.
    Macht das "mehr Länder und Regionen in der ganzen Welt" wirklich glücklich?, wie Gianni Infantino prophezeit. Die große Fußballbühne ist es jedenfalls nicht.
    Apropos Fernsehen. Auch die teuren TV-Rechte spielen beim Vorschlag des FIFA-Präsidenten eine Rolle. Noch vor dem Sponsoring sind sie die Haupteinnahmequelle des Fußball-Weltverbands. ARD, ZDF und BBC sollen angeblich hunderte Millionen für ein Turnier bezahlen. An TV-Sender in Länder, die erstmals bei einer Weltmeisterschaft dabei sind, kann die FIFA die Übertragungslizenzen gut und teuer verkaufen.
    Wie ein schlechter Scherz
    Mit seinem Vorschlag investiert Infantino also einerseits in seine eigene Zukunft. Andererseits im wahrsten Wortsinn in die Kassen der Fifa. Auch wenn es bis dahin noch dauert, dürften bei seiner Wiederwahl erneut Stimmen der Kleinen gefragt sein. Und die Einnahmen aus den TV-Geldern kann er direkt wieder an die Mitgliedsverbände zurückspülen. Auch das war eines seiner Wahlversprechen.
    Um "glückliche Teilnehmer" und "Spiele mit absolutem Finalcharakter" geht es nicht. Die Playoff-Spiele sollen nämlich vor Beginn der Gruppenphase beginnen und ein richtiges WM-Gefühl wird deshalb so früh noch nicht aufkommen. Die Hälfte der Teilnehmer müsste außerdem nach nur einem Spiel - nach einer Reise um die halbe Welt - mit Spielern, Betreuern, Journalisten und Fans wieder abreisen. Weniger WM-Gefühl geht nicht.
    Auch der Vorschlag von Gianni Infantino klingt bei näherer Betrachtung eher wie ein schlechter Scherz. Doch wer wissen will wie ernst er gemeint ist, sollte noch einmal nachschauen, wo 2022 die Weltmeisterschaft stattfindet.