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Kommentar zur Spitzensportreform
Geklärt ist so gut wie nichts

Gereizte Stimmung, hitzige Diskussionen – und immer ging es um die umstrittene Spitzensportreform. Der deutsche Olympische Sportbund hat in der zurückliegenden Woche diverse Auftritte im politischen Berlin gehabt und sich einmal mehr als Großbaustelle präsentiert, kommentiert Bianka Schreiber-Rietig.

Von Bianka Schreiber-Rietig | 25.06.2017
    Michael Damgaard (SC Magdeburg) zeigt seine olympische Goldmedaille von Rio.
    Aus Geld mach Gold? Wesentliche Streitpunkte in der Umsetzung der Spitzensportreform sind nach wie vor ungeklärt. (imago sportfotodienst)
    Rund läuft es im deutschen Sport schon lange nicht mehr. Und beim DOSB erst recht nicht. Verbaselte Olympiabewerbungen, von Gutachtern bescheinigte strukturelle und inhaltliche Defizite, steter Ärger mit dem Führungspersonal. Und nun: Chaos bei der Umsetzung der Spitzensportreform.
    Kein Wunder, dass sich Frust und Verärgerung bei den Mitgliedsorganisationen festgefressen haben. Gesprächsbedarf aller Orten. In Berlin hat man sich - hinter verschlossenen Türen natürlich - untereinander und mit den Partner aus dem Bundesinnenministerium ausgesprochen. Offziell haben sich alle wieder lieb. Und bekannten wieder mal einmütig ihren Willen zur Spitzensportreform. Die in letzter Zeit ja häufig in Frage gestellt wird, wenn es nicht so läuft wie der DOSB es will. Geklärt ist ansonsten so gut wie nichts: Die Betroffenen zeigen deutliche Anzeichen von Überforderung. Athleten, Trainer und Verbände sind nur noch genervt, weil sie nicht wissen, wie die naheliegende Zukunft in der Übergangszeit aussehen wird, geschweige denn die ferne Zukunft mit der Reform.
    Beziehungskrise zwischen Sport und Politik
    Großbaustellen in Reform-Sportdeutschland gibt es en masse: Die Bundesstützpunkte sind eine davon. Und das Reduzieren dieser Zentren wohl eine der schwierigsten Aufgaben. Denn: Schließt man einen Stützpunkt, löst das eine Kettenreaktion aus: Wo trainieren dann die Aktiven? Wer bezahlt mischfinanzierte Trainer? Gibt es genug Stellen, um das gesamte Personal umzusetzen? Wer sorgt für Studien- und Ausbildungsplätze? Wer bezahlt Umzüge und Wohnungen? Lösungen sind gefragt. Jeder Schritt im fragilen Gesamtkonstrukt Sport hat eine Wechselwirkung zur Folge. Da es keinen Umsetzungs-Leitfaden gibt, hängen nun alle in der Luft. Und so sehen mittlerweile eine Reihe von Verbänden zu, wo sie bleiben. Denn ihr eigenes Hemd ist ihnen näher als die Solidargemeinschaft Sport. So versuchen sie, ihre Angelegenheiten unter Umgehung des DOSB mit den jeweiligen Geldgebern zu klären.
    Bei manchen Verbänden ist der Wille zur Veränderung schwach ausgeprägt: Sie würden gerne alles so lassen, wie es ist. Oder nur kosmetische Veränderungen hinnehmen und trotzdem mehr Fördermittel bekommen. Ging ja bisher auch. Aber das war einmal - tempi passati. Neben Umsetzungs - und sportinternen Problemen gibt es da noch die Beziehungskrise zwischen Sport und Politik. Die hat sich zu einer Dauerfehde entwickelt, bei der es nicht nur ständig um Geld, sondern auch um Macht und Einfluss geht.
    DOSB-Präsident Hörmann unter Druck
    Sportpolitisch ist der DOSB mit seinem Präsidenten Alfons Hörmann heftig auf Schleuderkurs. Er schaffte es, zusammen mit seinem Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper in seiner knapp vierjährigen Amtszeit so viel Porzellan zu zerdeppern, wie kein Präsident vor ihm. Und das nicht nur auf dem hauptstädtischen Politik-Parkett. Und nun ist er mit der Reform in noch schwereres Fahrwasser geraten. Nicht zuletzt, weil seine Wahrnehmung und die daraus folgende Lage-Einschätzung oft kontraproduktive Folgen hat. Trotzdem blieb eine Diskussion über Teile des DOSB-Führungspersonals, fehlende sportpolitische Weitsicht, mangelndes Durchsetzungsvermögen und miserables Krisenmanagement in Berlin aus.
    Hörmann steht unter enormem Druck. Und versuchte Dampf aus dem Kessel zu lassen. Er setzte diesmal auf die Taktik: Harmonie und Teamgeist. Und holte sich bei einer überfälligen Personalentscheidung Rückendeckung - zumindest von den Sprechern der Spitzenverbände, indem er sie einbezog. Seit Freitag ist Hörmann nun das alleinige Alphamännchen. Denn der bisherige Vorstandsvorsitzende Michael Vesper geht zum Jahresende in den Ruhestand. Nun ist Veronika Rücker die Power-Frau an seiner Seite.
    Als Direktorin der Kölner Führungsakademie ist sie mit dem DOSB schon längst verbandelt. Und kennt die Verbandsszene. Sie soll nun den Laden zusammen- und Hörmann das Alltagsgeschäft vom Halse halten. Bei der Sportpolitik wird sie ihm nicht, wie ihr Vorgänger, in die Quere kommen. Ab sofort gilt - um es mit dem dilettierenden US-Präsidenten zu sagen: "Alfons Hörmann First!" Ein Alphamännchen ist aber noch kein sportpolitisches Schwergewicht. Und das wird der DOSB-Präsident auch nicht werden. Dafür hat er mit skurrilen Auftritten, kruden Aussagen, und verbalen Ausrastern schon zu viel Vertrauen und Reputation bei politischen Entscheidern und Repräsentanten verloren.