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Kommerzieller Walfang
"Erschreckend, wie viele Länder Japan unterstützen"

Auf der Tagung der Internationalen Walfangkommission in Slowenien hat Japan ein Ende des kommerziellen Walfang-Verbotes gefordert. Dazu wäre eine Dreiviertel-Mehrheit nötig. Von ihr sei man aber "Gott sei Dank weit entfernt", sagte Sandra Altherr von der Organisation Pro Wildlife e.V. im DLF.

Sandra Altherr im Gespräch mit Georg Ehring | 25.10.2016
    Ein toter Minkwal wird mit Hilfe eines Krans von einem Walfang-Schiff heruntergeholt.
    Die Internationale Walfangkommission hat Japans sogenanntem Wissenschaftswalfang - darunter dieser Minkwal - Grenzen gesetzt. (picture alliance/ dpa/ Kyodo)
    Georg Ehring: Für Japan gehört der Walfang zur kulturellen Tradition. Wale werden gegessen, doch der Fang der Tiere soll wissenschaftlichen Zwecken dienen; sonst wäre er nämlich verboten. In dieser Woche tagt die internationale Walfang-Kommission im slowenischen Portoroz und dort hat Japan ein Ende des seit 30 Jahren geltenden Moratoriums für kommerziellen Walfang verlangt.
    Sandra Altherr verfolgt die Tagung für die Organisation Pro Wildlife und ich habe sie kurz vor dieser Sendung gefragt, ob Japan Chancen hat, damit durchzukommen.
    Sandra Altherr: Nein. Japan bräuchte dafür eine Dreiviertel-Mehrheit und davon sind wir Gott sei Dank weit entfernt. Aber es ist immer wieder erschreckend zu sehen, wie viele Länder Japan unterstützen.
    Ehring: Wie viele Länder unterstützen Japan denn?
    Altherr: Wir hatten gerade heute Morgen - der Tag ging gar nicht gut los - eine Entscheidung über das südatlantische Walschutzgebiet, und da waren 38 Länder dafür und 22 Länder dagegen. Es hätte eine Dreiviertel-Mehrheit gebraucht. Man sieht: 21 Länder haben Japans Interessen hier unterstützt.
    Ehring: Aus welchen Motiven findet Japan solch große Unterstützung für den Walfang?
    Altherr: Da muss man ganz offen das Wort Korruption in den Mund nehmen. Es gibt hier einige Länder, die sind in anderen Konventionen wirklich gut, beim Thema Naturschutz und Artenschutz, aber hier fallen sie dann sehr unangenehm auf, und es sind gerade Länder aus der Karibik oder sehr kleine Inselstaaten aus Ozeanien, die man eigentlich kaum kennt, Tuvalu oder Nauru. Die haben hier auch eine genauso starke Stimme wie die USA. Und Japan hat sich da mit viel Entwicklungshilfegeldern vorangearbeitet.
    Ehring: Sie sagen, ein Schutzgebiet in den südlichen Regionen ist gescheitert. Welche Bedeutung hätte das denn gehabt?
    Altherr: Es ging konkret um den Südatlantik. Dort findet - das muss man klar sagen - im Moment überhaupt kein Walfang statt. Trotzdem wollte man so ein Schutzgebiet, A einfach auch, um die gesamte südliche Hemisphäre unter Schutz zu stellen für Wale. Wir haben ja schon ein Schutzgebiet in der Antarktis, das wird nur von Japan ignoriert, und eins im Indischen Ozean, und das wäre jetzt die perfekte Ergänzung gewesen.
    Ehring: Wie steht es denn um die Bestände der Wale? Die werden gejagt, aber nicht alle sind vom Aussterben bedroht.
    Altherr: Nein, das muss man klar sagen. Es sind bei Weitem nicht alle vom Aussterben bedroht. Aber man muss auch sagen, wir haben bei den allermeisten Walarten zwar inzwischen leicht wachsende Bestände beziehungsweise gleichbleibende Bestände, aber die sind weit unter dem, wo sie vor dem industriellen Walfang mal waren.
    "Am meisten werden Zwergwale getötet"
    Ehring: Welche Walarten werden noch gejagt und wie steht es um deren Bestände?
    Altherr: Wir haben drei Länder, die hier kommerziellen Walfang betreiben. Bei Japan heißt das offiziell Wissenschaftswalfang, aber wir wissen alle, worüber wir reden.
    Japan fängt vor allen Dingen Zwergwale und im Nordpazifik fangen sie auch Seiwale und Brydewale. Die Seiwale sind in der Roten Liste als bedroht aufgeführt, das gleiche gilt auch für die Finnwale, die immer noch in Island gejagt werden, auch wenn jetzt gerade dieses Jahr pausiert wird, aber der Finnwal-Fänger, der hier ist, hat schon angekündigt, nächstes Jahr geht es wieder los. Am meisten werden Zwergwale getötet.
    "Japans Walfang im Nordpazik ist eine Gefahr für diese Bestände"
    Ehring: Und wie steht es um die Zwergwale? Sind die bedroht, oder könnten Sie im Grunde auch mit dem Walfang leben?
    Altherr: Zwergwale sind jetzt nicht im Sinne von akut am Rand der Ausrottung. Es gibt große Bestände, aber man muss dazu auch wissen, Zwergwale kommen in fast allen Gewässern vor. Insofern verteilt sich das natürlich wieder. Und wir haben einige Unterbestände, gerade vor Japans Küsten, die sind wirklich hoch bedroht. Und Japans Walfang gerade im Nordpazifik ist eine Gefahr für diese Bestände.
    "Wir sind enttäuscht, dass das wichtigste Thema eigentlich auf der Agenda fehlt"
    Ehring: Die Tagung ist ja noch nicht zu Ende. Was steht noch zur Entscheidung an und haben Sie Hoffnung auf Fortschritte?
    Altherr: Wir sind, muss man auch klar sagen, enttäuscht, dass das wichtigste Thema eigentlich auf der Agenda fehlt. Wir haben keine einzige Initiative zum kommerziellen Walfang und eigentlich ist ja dies das Kernstück der Walfangtagung hier. Aber es gibt nichts auf der offiziellen Agenda. Unser Job ist jetzt hier, dass wir wirklich Länder dazu anhalten und ihnen auch Argumente liefern, warum die Diskussion so wichtig ist und warum die IWC hier ganz klar Kante zeigen muss gegen Norwegen und Island, die ganz offen kommerziellen Walfang betreiben, obwohl seit 30 Jahren ein kommerzielles Walfangverbot gilt.
    Ehring: Soweit Sandra Altherr von der Organisation Pro Wildlife. Das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.