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Kommunale Kinos
Rezepte gegen halbvolle Kinos

Wie lockt man das Publikum ins Kino - auch für Raritäten und Klassiker? Öffentlichkeitsarbeit und gutes Marketing für das Programm, sagen Manja Malz und Borjana Gaković vom Bundesverband kommunale Kinos im Dlf. Denn viele Kinosäle blieben leer, weil das Publikum von dem Angebot nichts wisse.

Manja Malz und Borjana Gaković im Gespräch mit Bernd Lechler | 01.12.2017
    Ein Kinosaal mit leeren Sitzreihen.
    In Köln und Leverkusen tagt der 13. Bundeskongress der kommunalen Kinos mit dem Ziel, die Säle wieder zu füllen (imago | allover-mev)
    Bernd Lechler: "Rezepte für halbvolle Kinosäle": Das Angebot wirkt nicht besonders ambitioniert, halbvoll klingt nach langweiligen Filme und unbequemen Sitzreihen - oder sind halbvolle Säle was Gutes, weil besser als leere? Wir klären das, denn ab heute bis Sonntag findet in Köln und Leverkusen der 13. Bundeskongress der kommunalen Kinos statt - also der Filmtheater, die in Deutschland seit fünf Jahrzehnten für ein ambitioniertes Programm ohne kommerzielle Zwänge stehen, finanziert von ihren Kommunen und durch Landeszuschüsse. Und dieser Kongress trägt eben diesen zuerst etwas resigniert klingenden Titel: "Rezepte für halbvolle Kinosäle". Manja Malz und Borjana Gaković vom Bundesverband kommunale Kinos. Wie müssen wir diesen Slogan verstehen?
    Manja Malz: Ja, also tatsächlich ist er natürlich polemisch gemeint. Es ist ja auch ein Kongress für Marketing und für Öffentlichkeitsarbeit. Und das ist ein Titel, wo man erst mal hängen bleibt. Und letztendlich ist er aber auch ehrlich, ernst und realistisch gemeint, weil Kinosäle sind einfach heutzutage nicht mehr voll, es wäre schön, wenn das so ist. Und halb voll sind sie leider eben auch nicht unbedingt, gerade bei dem Programm, was die kommunalen Kinos machen. Wir zeigen ja viele retrospektive Klassiker auch, aber natürlich auch Raritäten. Und dafür muss man viel Werbung machen, damit die Zielgruppen kommen, die sich dafür interessieren.
    Kino als Ort für Politik und Bildung
    Lechler: Wie kann man es denn genauer beschreiben, wie gut oder schlecht es den kommunalen Kinos in Deutschland geht?
    Borjana Gaković: Das ist tatsächlich ein bisschen schwierig, weil es sehr viele unterschiedliche kommunale Kinos gibt, und das ist auch das, worauf wir auch stolz sind, dass wir so viele diverse Kinos vereinen in unserem Verband. Das heißt, wir haben von wirklich ganz kleinen Kinos in ganz kleinen deutschen Städten ein paar Cineast/-innen, die dann am Wochenende einen Kinosaal bespielen, bis hin zu großen Filmmuseen in den Großstädten in Deutschland. Also es ist sehr, sehr divers und entsprechend ist auch unterschiedlich, - würde ich sagen -, wie es denn eben den einzelnen Institutionen geht, wobei man grundsätzlich natürlich schon sagen kann, dass Einbrüche zu verzeichnen sind auf der einen Seite. Aber auf der anderen Seite gibt es natürlich immer wieder ganz tolle Veranstaltungen, die wirklich ganz viele Menschen auch ziehen.
    Lechler: Ich sagte vorhin ja schon: Kommunale Kinos werden gefördert. Um was genau zu liefern und zu leisten?
    Gaković: Wir verstehen Kino nicht nur als sozialen - also natürlich auch als sozialen - aber auch als politischen Ort und auch ein Ort, wo Bildung stattfindet. Und was man bei uns eigentlich lernen kann, ist sozusagen 'schauen lernen' und Kinoprogramme werden eben ein bisschen komplizierter zusammengestellt. Also wir kuratieren unsere Filmprogramme, wir nehmen verschiedene Themen, wir setzen immer historische Programme zusammen, die sozusagen eine bestimmte Epoche in ein ganz anderes Licht zum Beispiel setzen. Beispielsweise, wenn es um die Rolle der Frau der 60er Jahre geht, - was jetzt so mein persönliches Thema ist und mir immer am Herzen liegt -, oder ob es einfach, ja, Kulturfilme, Industriefilme, ganz verschiedene, unterschiedliche Filmgenres auch sind, die es ja historisch gegeben hat.
    Malz: Was vielleicht die kommunalen Kinos auch auszeichnet, ist, dass wir eben nicht unser Programm zusammenstellen aus dem aktuellen Verleihangebot, sondern dass wir selber gucken, was uns gefällt und auch vielleicht, was gerade gesellschaftspolitisch besprochen wird oder eben wichtig ist zu diskutieren, auch im Kino.
    Lechler: Haben Sie mal ein Beispiel? Sie sind in Hamburg bei Metropolis.
    Malz: Ja, also, was wir jetzt letztens hatten: Wir hatten ja bei uns den G20 Gipfel in Hamburg, und da haben wir den Referenten Urs Spörri eingeladen, der arbeitet auch für das Filmmuseum in Frankfurt. Und der hat einen Vortrag ausgearbeitet zu Donald Trump als Schauspieler. Und, was eben viele nicht wissen, dass er tatsächlich in über 20 Filmen mitgespielt hat als Statist, und sich so auch sein eigenes Image geschaffen hat in Amerika. Und darüber kann man eben auch gut das Bild von Donald Trump dort diskutieren.
    "Wir haben sehr viel Freizeitkonkurrenz"
    Lechler: Im Untertitel heißt der Kongress nun: "Zeitgenössische und historische Annäherungen an das Marketing fürs Kino". Erst mal zeitgenössisch: Heißt das, die Betreiber kommunaler Kinos müssen in Sachen Marketing-Kompetenz dringend dazulernen?
    Malz: Dazulernen, ja, vielleicht auch. Das werden wir dann jetzt erfahren, auf welchem Stand die Leute sind, die bei uns teilnehmen. Das sind sehr viele Kinobetreiber, die eben auch jetzt an dem Kongress teilnehmen. Aber vor allen Dingen, was kommunale Kinos eben nicht haben, oder generell Kinos eigentlich nicht haben, ist überhaupt eine Stelle für Öffentlichkeitsarbeit, wie es in Museen gang und gäbe ist oder in Theatern auch. Das heißt, wir Kinos müssen das alles noch so nebenbei machen. Und da wir eben wenig Budget, wenig Personal und wenig Zeit haben, ist es einfach wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, wie kann man gute Öffentlichkeitsarbeit machen und gutes Marketing für das Programm, das wir kuratieren sehr sorgfältig auch.
    Wir haben noch länger mit Manja Malz und Borjana Gaković gesprochen - Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Lechler: Aber ist es nicht so, dass Sie, - ich meine, Sie müssen nicht mit mit den neuen "Avengers" oder Pixar-Filmen mithalten -, aber die haben dafür natürlich die ganzen Verleiher, die für die Filme trommeln. Machen das die kommunalen Kinobetreiber nicht schon immer und müssen da eigentlich einen Plan haben? Auch, wenn es jetzt mehr um das Internet, als um Plakate geht.
    Malz: Wir haben natürlich auch einen Plan. Nur das Problem ist, dass wir sehr viel Freizeitkonkurrenz haben, sowieso schon immer, jetzt immer mehr, in Großstädten sowieso. Und natürlich auch Konkurrenz - wenn man das so sagen will - bekommt man durch die ganzen Onlineportale, durch die Streamingportale, die auch ältere Filme zeigen oder spannende Raritäten. Und die Frage ist eben, wie bekommt man das in die Medien? Dass wir jetzt hier zum Beispiel beim Deutschlandfunk sind und darüber sprechen können, dass wir diesen Kongress haben, ist schon eine super Möglichkeit, diese Situation der Kinos vielleicht auch mal kund zu tun.
    "Kinos sprechen jüngere Generation durch Vielfalt an"
    Lechler: War denn das Streaming so eine ganz große, historische Zäsur, wie Sie sagen, dass da eben auch die älteren Repertoirefilme eben mitgenommen werden und da plötzlich eine neue Konkurrenz entsteht? Oder wie hat sich das sonst in den, fünf Jahrzehnten sind es, die es jetzt, glaube ich, kommunale Kinos in Deutschland gibt - was hat sich da verändert?
    Malz: Auch Streamingportale sind vielleicht gut dafür, neue Cineasten zu kreieren, die dort das Kino und den Film lieben lernen, und dann auch gerne mal in den Saal kommen und sich einen Film vor Ort angucken und darüber diskutieren mit den Filmemachern. Also ich sehe das jetzt gar nicht als wahnsinnige Konkurrenz, aber es ist eben wichtig, die Inhalte, die wir in den Kinos aussuchen und anbieten, dass man die öffentlich macht. Ich glaube, das fehlt uns einfach, und deswegen ist mir dieser Kongress so wichtig oder das Thema. Viele Säle bleiben vielleicht eben nicht halb voll oder werden nicht halb voll, weil die Leute es nicht wissen.
    Lechler: Und da setzt dann natürlich das Marketing an. Ich fand ganz interessant zu lesen, dass, als das in den frühen 70er Jahren so richtig losging mit kommunalen Kinos und eben auch die Förderung begann, dass die kommerziellen Kinobetreiber sich gewehrt haben, weil die sagten, die werden gefördert, das ist verzerrter Wettbewerb. Es stellte sich dann aber raus später durch Umfragen, dass die kommunalen Kinos eigentlich eher auch das Filminteresse befördern und die anderen auch davon profitieren. Glauben Sie, dass das in die Richtung immer noch funktioniert?
    Malz: Auf jeden Fall, ja. Ich glaube schon. Also ich glaube, dass gerade auch die sehr engagierten Filmclubs, aber auch eben die größeren geförderten kommunalen Kinos die jüngeren Generationen ansprechen durch die vielfältigen, verschiedenen, thematischen Reihen, die sie machen. Also wir haben in meinem Kino in Hamburg zum Beispiel auch schon mal eine Hip-Hop-Reihe gemacht, eine Streetart-Reihe, da waren total viele 18-, 20-Jährige, die dann natürlich auch vielleicht Lust haben wieder später, wenn sie dann 30, 40, 50 sind, in ein Arthaus Kino zu gehen.
    Lechler: Und die nächsten drei Tage sind auch nicht nur für das 'Fachvolk': Der Kongress, an den Abenden gibt es Kino für alle, da ist auch eine Dokumentation dabei über Filmplakatmaler. Dann gibt es eine verschollene Satire aus den den 40ern mit Clark Gable und Ava Gardner. Ist das so ein typisches Kommunalkinoprogramm, was Sie da zusammenstellen wollten?
    Gaković: Ja, schon. Aber das sind sozusagen alles so kleine Schnipsel. Typisches Programm wäre wahrscheinlich eher anders kuratiert, aber hier haben wir uns eben thematisch festgelegt auf die Verbindung von Kino und Werbung.
    Lechler: Weil Clarke Gable in dieser Satire auch ein Werber ist?
    Gaković: Genau. Das ist auch eine Werbesatire, wenn man so will. Aber es ist ja natürlich auch eine Liebeserklärung an das Kino.
    Lechler: Manja Malz vom Vorstand und Borjana Gaković, die medienpolitische Sprecherin des Bundesverbands kommunale Kinos zum Kongress "Rezepte für halbvolle Kinosäle" ab heute in Köln und Leverkusen. Danke Ihnen fürs Corsogespräch.
    Malz: Dankeschön auch, dass wir kommen durften.
    Gaković: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.