Freitag, 19. April 2024

Archiv


Kommunale Klimabilanz ernüchternd

Klimapolitik. - Die Staaten der Welt tun sich schwer, einen Nachfolgevertrag für das demnächst auslaufende Kyoto-Protokoll zu formulieren. Doch auch die mit viel Getrommel angetretenen kommunalen Klima-Bündnisse scheinen keine Alternative zu Einigung auf Staatsebene zu sein. Die Klimabilanz etwa eines deutschen Musterknaben fällt ernüchternd aus.

Von Volker Mrasek | 23.11.2012
    "Wir sind hier in Hannover-Wettbergen. Zero-e-park nennt sich das Ganze. Also: Null-Emissionssiedlung. Hier werden gerade Fertigteil-Elemente - also Tafelbauweise ist das hier, dieses Gebäude – werden gerade vom Kran entladen. 50 Prozent des ersten Bauabschnittes sind tatsächlich jetzt schon bewohnt."

    "Also, es werden über 300 Gebäude."

    "Ja."

    Ortstermin im Südwesten von Hannover, mit Architekt und Bauplaner. Der Zero-e-Park sei etwas ganz Besonderes, sagen sie:

    "Die größte Nullemissions-Siedlung in Europa, die im Moment gebaut wird."

    Daß ein solches Modellprojekt in der niedersächsischen Landeshauptstadt verwirklicht wird, ist keine Überraschung. Hannover gilt als Vorreiter in Sachen Energieeinsparung und Klimaschutz. Als eine der ersten Kommunen überhaupt engagierte sich die 520.000-Einwohner-Stadt auf diesem Gebiet. Mit einem Mann an der Spitze, der in Personalunion Umwelt- und Wirtschaftsdezernent – und von Haus aus Bauingenieur ist. Sein Name: Hans Mönninghoff ...

    "Wir haben sehr gute Rahmenbedingungen, weil wir seit 24 Jahren die gleiche politische Mehrheit haben, Rot-Grün im Rat, die an dem Energie-Thema von Anfang an dran war. Also, Hannover ist ein Beispiel für eine Stadt, was man unter optimalen Bedingungen kommunal machen kann."

    Inzwischen haben sich Tausende von Städten weltweit zu Klima-Bündnissen zusammengeschlossen. Auch Metropolen wie New York, Tokio oder London sind dabei. Denn die Verhandlungen auf Regierungsebene kommen einfach nicht voran. Ende des Jahres läuft das Kyoto-Klimaschutzprotokoll aus, und noch immer existiert kein Anschlussvertrag. Einer, der Industrie- und Schwellenländer endlich dazu verpflichtet, ihren Treibhausgas-Ausstoß substanziell zu drosseln. Stattdessen steigen die globalen Emissionen von Kohlendioxid weiterhin steil an ...

    "Deswegen brauchen wir zusätzliche Aktivitäten. Und Städte haben schon Emissionsreduktionsziele. Das ist sehr wichtig."

    Niklas Höhne, Direktor für Energie- und Umweltpolitik beim Beratungsbüro Ecofys in Köln.

    "Willkommen beim Klimaschutzpfad der Landeshauptstadt Hannover. Thema dieses Titels: 'Regenerative Stromerzeugung und Stromverbrauch allgemein'"

    Hannover, der Klima-Musterknabe! Doch wie erfolgreich ist die Stadt eigentlich bei dem Versuch, den Ausstoß von Treibhausgasen zu vermindern? Wie sieht Hannovers CO2-Bilanz aus? Und damit zur Kernfrage: Wie stark können Städte wirklich zur Lösung des globalen Klimaproblems beitragen? Tatsächlich ist Hannovers Bilanz ernüchternd. Das ergab eine aktuelle Untersuchung. Dezernent Mönninghoff:

    "Die Reduktionen – wir sind bis jetzt ja miserabel! Der CO2-Ausstoß ist in den letzten 20 Jahren absolut nur um vier Prozent gesunken, trotz optimaler Rahmenbedingungen."

    Es sind allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen, die die kommunale Klimabilanz vermasseln. Der Stromverbrauch der privaten Haushalte. Mönninghoff:

    "Mehr Computer, mehr Standby-Verluste, mehr Elektrifizierung."

    Dazu ein ...

    "... Anstieg von elf Prozent bei der Industrie."

    Oder der Verkehr. 30 Prozent mehr Fahrgäste in Bussen und Bahnen wirken sich kaum aus, ...

    "... weil wir immer größere Autos haben, immer mehr Lkw-Verkehr, und die Leute immer mehr fliegen."

    Daher die Mahnung des Umwelt- und Wirtschaftsdezernenten:

    "Der Ansatz, sich zu drücken vor den notwendigen staatlichen Entscheidungen, weil wir sagen: Die Kommunen machen doch! Das wäre gefährlich und falsch."

    Demnach gibt es also klare Grenzen für erfolgreichen Klimaschutz in Städten und Gemeinden. Sie können das Ruder offenbar nicht herumreißen. Das bleibt eine Aufgabe für Staatsregierungen und die internationale Klimapolitik

    Hinweis: Am kommenden Sonntag, 25. November, 16:30 Uhr, sendet der Deutschlandfunk in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" eine Bilanz von 15 Jahren Klimaschutz mit dem Kyoto-Protokoll.