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Kommunalwahlen in England
Buhlen um EU-Ausländer

Eigentlich benötigt Premierministerin Theresa May keine Wahlen als Stimmungstest für ihre Regierungsarbeit. Selbst in der eigenen Partei erhält sie Gegenwind. Die Liberaldemokraten wollen das nutzen und werben mit einem neuen Referendum - vor allem bei EU-Ausländern. Auch sie dürfen dieses Mal wählen.

Von Friedbert Meurer | 03.05.2018
    Vince Cable, Parteichef der Liberaldemokraten in Großbritannien seit Juni 2017 auf einem Treffen der Liberaldemokraten in London am 23.03.2018
    Die britischen Liberaldemokraten werben mit einem neuen Referendum, potentielle Wähler glauben allerdings nicht daran (imago / Gustavo Valiente)
    Zehn oder 15 Abgeordnete aus dem eigenen Lager könnten Theresa May eine schwere Niederlage beibringen. Vince Cable redet in der Aula der Deutschen Schule im Londoner Stadtteil Richmond. Cable ist ein bekanntes Gesicht in Großbritannien, er war Wirtschaftsminister in der Koalition unter David Cameron:
    "Der Brexit kann noch gestoppt werden. Wir wollen ein neues Referendum, wenn am Ende feststeht, welchen Deal die britische Regierung mit der EU ausgehandelt hat. Das britische Volk soll dann auch die Option haben, sich dafür zu entscheiden, in der EU zu bleiben."
    EU-Ausländer als Zünglein an der Waage
    Das Publikum in der Aula der Deutschen Schule hört die Botschaft einerseits gerne. Andererseits können viele den Optimismus des Chefs des britischen Liberaldemokraten nicht teilen.
    "Für uns wäre eine Trendwende sehr begrüßenswert. Aber leider, leider glaube ich nicht daran."
    "Wenn man tatsächlich mit Leuten spricht, dann sagen sie, wir haben einmal gewählt und jetzt noch mal wählen ist sozusagen, wir können nicht wählen, bis wir das passende Ergebnis haben."
    Cable redet an diesem Abend vor den in London lebenden Deutschen, weil sie diesmal wahlberechtigt sind - anders als beim Referendum vor zwei Jahren. Drei Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger leben in Großbritannien, auf ihre Wahlbeteiligung kann es in einigen Wahlbezirken ankommen, glaubt auch der Politikwissenschaftler Simon Hix:
    "Die Polen, die in den Londoner Stadtteilen Hammersmith und Fulham leben, werden niemals die ausländerfeindlichen Graffiti am polnischen Kulturzentrum direkt nach dem Brexit vergessen. Sie haben klar vor Augen: Der Brexit richtet sich gegen uns."
    Hart umkämpft: Maggie Thatchers Modellbezirk Wandsworth
    Die britischen Sozialdemokraten führen in den Umfragen in London mit 20 Prozentpunkten deutlich vor den Konservativen. Theresa Mays Partei muss mit schweren Einbußen rechnen. Simon Hix:
    "Alles was nicht als Desaster betrachtet wird, wäre also okay für May. Die Erwartungen sind sehr niedrig."
    Ein Wahlkreis ist ganz besonders heiß umkämpft: Wandsworth im Westen Londons wird seit 40 Jahren von den Tories gehalten. Wandsworth war Margaret Thatchers Modellbezirk, weil der Bezirk die Council Tax, die lokale Steuer, besonders niedrig hielt. Jeremy Corbyn, der Labour-Chef, stürzte sich hier persönlich in den Straßenwahlkampf.
    Simon Hix, der Politikwissenschaftler, breitet jetzt eine Reihe von Umfrageergebnissen aus. Eines davon lautet: Die Briten sind mit beiden Parteiführern unzufrieden, mit Theresa May und mit Jeremy Corbyn. Corbyn punktet zwar in London, nicht aber in den Regionen:
    "Beide sind nicht so beliebt. Beide gelten als schwache Parteichefs. Aber es gibt innerhalb der Tories und bei Labour keine klaren Alternativen, und es gibt auch keine klare Alternative außerhalb dieser beiden Parteien."
    Kleine Parteien profitieren nicht von Unzufriedenheit
    Auch deswegen wissen bei aller Unzufriedenheit die beiden großen Parteien über 80 Prozent der Wählerschaft hinter sich., Die großen Parteien boomen, die kleinen nicht. Das hängt mit dem Wahlrecht zusammen, aber auch mit der Polarisierung des Landes.
    Politologe Hix weist auf eine weitere Tabelle: Danach ist das Land beim Brexit seit zwei Jahren stabil und unverändert in zwei gleiche große Lager geteilt. Die Wähler mögen vielleicht bereit sein, eine andere Partei zu wählen. Ihre Meinung zum Brexit änderten sie praktisch nicht.