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Kommunalwahlen in Italien
Denkzettel für Renzi

Nicht nur in Rom, sondern auch in vielen Gemeinden Italiens konnte sich die vom Komiker Beppe Grillo gegründete Fünf-Sterne-Bewegung bei den Kommunalwahlen durchsetzen. Diese Wahlerfolge bedeuten schlechte Nachrichten für die Demokratische Partei von Ministerpräsident Matteo Renzi. Aber auch die rechten Parteien wie die Forza Italia und die Lega Nord verlieren deutlich an Zuspruch.

Von Tilmann Kleinjung | 20.06.2016
    Feiern in Rom: Die Anhänger der Fünf-Sterne-Bewegung nach der Kommunalwahlen in Italien.
    Feiern in Rom: Die Anhänger der Fünf-Sterne-Bewegung (dpa / picture alliance / Alessandro Di Meo)
    Rom schreibt Geschichte. Zum ersten Mal wird die Hauptstadt Italiens von einer Frau regiert. Zum ersten Mal von einer Politikerin der Protestbewegung Fünf Sterne, zum ersten Mal von einer unter 40-Jährigen. Es gab viele Premieren, die Virginia Raggi in der Wahlnacht feiern konnte. Doch überraschend ist die vor allem Höhe ihres Sieges. Die 37-Jährige holt gegen ihren PD Konkurrenten 67,2 Prozent der Wählerstimmen.
    "Das Ergebnis übertrifft jede Erwartung, wirklich jede Erwartung. Wir haben nicht nur in Rom gewonnen, sondern auch in vielen Gemeinden Italiens! Das ist wirklich ein historisches Ereignis und wir müssen uns jeden Tag der nächsten fünf Jahr Mühe geben. Denn es wird hart werden. Wir wissen ja, wie Rom ist. Das wissen wir!"
    Mit der Niederlage in Rom musste die Demokratische Partei von Ministerpräsident Matteo Renzi rechnen. Zu sehr war sie in den Skandal verwickelt, der unter dem Titel "Mafia Capitale" Schlagzeilen gemacht hatte. Ein Schmiergeldsumpf, in dem Politiker, Beamte, Kriminelle gemeinsame Sache machten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, während es mit der Ewigen Stadt immer weiter bergab ging: das ungelöste Müllproblem, der öffentliche Nahverkehr eine Katastrohe.
    Rechtsanwältin Raggi kündigte noch in der Wahlnacht an, "Legalität und Transparenz in die Institutionen der Stadt" zurückzubringen. Und genau das erwarten ihre Anhänger von ihr.
    "Die Bürger übernehmen Rom. Denn die alten Politiker haben keine Ahnung, was die Bürger brauchen. Ich hoffe, dass die Leute jetzt begreifen, dass Schluss ist mit den Betrügereien, mit dem Hintergehen, mit dem Weggucken. Es ist Zeit, aufzuwachen und zu verstehen, dass diese Politiker bis heute auf unsere Kosten gelebt haben."
    Es gibt noch mehr schlechte Nachrichten für die PD von Matteo Renzi. In Neapel gewinnt ein Kandidat, der sich demonstrativ gegen den Premier gestellt hat. Und die eigentliche Überraschung dieser Wahlen: Nach 23 Jahren verliert die Linke das Bürgermeisteramt in Turin an Chiara Appendino. Die Sozialdemokraten wollen dennoch diesen Wahlen keine überregionale Bedeutung zumessen und trösten sich mit der Tatsache, dass in den Großstädten Mailand und Bologna die Kandidaten der Regierungspartei gewonnen haben. Parteivize Lorenzo Guerrini.
    Eigentliche Wahlverlierer sind die Rechten
    "Gegen die Rechten gewinnen wir ganz klar. Doch wo wir in einer Stichwahl gegen die Fünf Sterne Bewegung antreten, vor allem in Turin und Rom, müssen wir Federn lassen, weil die rechte Wählerschaft anscheinend entschieden hat, den Kandidaten der Fünf Sterne zu wählen."
    Eigentliche Wahlverlierer sind tatsächlich rechte Parteien wie die Forza Italia von Silvio Berlusconi oder die Lega Nord, die in keiner italienischen Großstadt punkten konnten. Die vom Komiker Beppe Grillo gegründete Fünf-Sterne-Bewegung wird mit diesen Wahlen zum eigentlichen Widersacher von Ministerpräsident Matteo Renzi, sagt Daniela Preziosi von der Zeitung "Manifesto".
    "Zwei Frauen, zwei Sterne. Das ist ein großes Problem für Renzi, allerdings auch ein großes Problem für die Fünf Sterne, die gewonnen haben und jetzt beweisen müssen, dass sie zwei sehr wichtige Städte regieren können. Das ist also eine wichtige Karte, die sie wenigstens bis zum Herbst gut spielen müssen."
    Denn im Herbst, vermutlich am 2. Oktober, findet das Referendum statt, bei dem die italienische Regierung die eingeleiteten Verfassungsreformen zur Volksabstimmung stellt. Vom Ausgang dieser Abstimmung hat Matteo Renzi seine politische Zukunft abhängig gemacht.