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Einwanderungspolitik
"Asylbewerber in die Verantwortung nehmen, Identität zu klären"

Bei der Klärung des Bleiberechts von Asylbewerbern sei es wichtig, die Beweislast umzukehren, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor im Dlf. Die Bewerber müssten in die Verantwortung genommen werden. Mit sogenannten Ankerzentren zur Klärung von Identitäten werde man die Zuwanderung begrenzen.

Philipp Amthor im Gespräch mit Christoph Heinemann | 23.03.2018
    Philipp Amthor, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern.
    Philipp Amthor (CDU) zur Einwanderungspolitik: "Die europäische Diskussion wäre die Ideallösung. Solange das aber nicht funktioniert, müssen wir (...) nationale Lösungen finden." (imago - photothek)
    Christoph Heinemann: Horst Seehofer stellt dem Deutschen Bundestag heute sein Arbeitsprogramm vor als Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat. Am vergangenen Freitag erschien in der "Bild"-Zeitung ein Interview, in dem der CSU-Politiker verkündete, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Das Gegenteil hatte 2006 der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff behauptet. Innenminister heißt vor allem: Sicherheit. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich verunsichert durch die Ankunft vieler Zuwanderer, durch Berichte über schwere Straftaten - gestern das Freiburger Mordurteil -, oder durch das Verhalten manches, seit langem hier lebenden Mitbürgers mit Migrationshintergrund - gestern das Kölner Raserurteil. Bauminister heißt vor allem: bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit geringen Einkommen oder Familien mit Kindern. Bei den genannten Ressorts bedarf es also keiner großen Fantasie. Was aber hat ein Heimatminister zu tun?
    Philipp Amthor (CDU) ist am Telefon, Mitglied des Bundestags-Innenausschusses, hat im September das Direktmandat des Wahlkreises Mecklenburgische Seenplatte I, Vorpommern-Greifswald II gewonnen. Guten Morgen!
    Philipp Amthor: Ja! Schönen guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Amthor, gehört der Islam zu Mecklenburg-Vorpommern?
    Amthor: Nun, wissen Sie, ich finde die Diskussion um diesen einen Satz doch etwas aufgebauscht. Wenn man fragt, was heißt das eigentlich, was heißt "gehören zu", wenn man meint, den gibt es in Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern, dann stimmt das. Wenn "gehören zu" heißen soll, dass er unsere Kultur in besonderer Weise prägt, dann habe ich persönlich damit meine Schwierigkeiten. Wir leben in einem Land, das von christlicher Kultur, von Humanismus und Aufklärung geprägt ist. Aber die Religionsfreiheit und der individuelle Islam, der gehört natürlich auch zu einem freien Rechtsstaat, aber der politische Islam sicherlich nicht.
    "Kein Ablenkungsmanöver"
    Heinemann: Möchte Seehofer mit seiner Äußerung davon ablenken, dass sich in der Einwanderungspolitik absehbar überhaupt nichts ändern wird?
    Amthor: Ich hoffe das nicht und es wird sich in der Einwanderungspolitik definitiv absehbar etwas ändern. Denn wir haben mit unserem Regelwerk Migration ja einiges vereinbaren können, erst mal zwischen CDU und CSU nach langem Streit, aber auch mit der SPD, und Horst Seehofer wird das heute in seiner Regierungserklärung deutlich machen.
    Das werden wir jetzt auch angehen: Eine Ausweitung der Liste sicherer Drittstaaten, Verbesserungen beim Vollzug von Abschiebungen, gerade in der Kooperation auch von Bund und Ländern, und natürlich auch die Neuregelung durch die Ankerzentren. Wir werden dort einiges angehen und deswegen ist das kein Ablenkungsmanöver, sondern es sind zwei unterschiedliche Diskussionen. Wir wollen einerseits die Zuwanderung begrenzen, aber andererseits auch die Diskussion darüber führen, was prägt eigentlich unser Land und was müssen wir mit gesellschaftlichem Zusammenhalt diskutieren.
    Heinemann: Asylantrag, Ablehnung, hier bleiben. Warum hat der Koalitionsvertrag diesen Dreiklang festgeschrieben?
    Amthor: Nun, also: Das Schwierige ist nach wie vor, das größte Problem, das wir haben, ist, dass wir Defizite haben beim Vollzug der Ausreisepflicht.
    Heinemann: Daran wird sich nichts ändern?
    Amthor: Doch! Das wollen wir, aber das ist natürlich kein ganz einfacher Weg. Horst Seehofer hat den Masterplan angekündigt. Das ist erst mal nur ein Wort, aber das soll jetzt in die Tat umgesetzt werden. Er hat das als eine seiner ersten Maßnahmen angekündigt. In der Diskussion mit den Ländern, die ja eigentlich für die Abschiebungen zuständig sind, wollen wir schauen, wo kann der Bund mehr Verantwortung übernehmen. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Außerdem wollen wir auch freiwillige Rückreisen fordern und für uns ist das Wichtige, dass der Rechtsstaat an der Stelle auch durchgesetzt wird.
    Mit Ländern über Rückführungsabkommen verhandeln
    Heinemann: Das mit den freiwilligen Rückreisen klappt ja nicht. Wohin wollen Sie abgelehnte Asylbewerber ohne Papiere, das heißt mit ungeklärter Identität abschieben?
    Amthor: Ja, dafür ist es wichtig, dass wir die Beweislast umkehren und dass wir die Identität oder die Herkunft, dass wir dafür den Flüchtling selbst oder den Asylbewerber in die Verantwortung nehmen, das zu klären. Ein Auslesen von Handydaten kann dafür zum Beispiel sinnvoll sein. Und was dann zur Rückführung ein ganz entscheidender Punkt ist, ist auch die außenpolitische Frage, wie wir mit Ländern verhandeln, auch über Rückführungsabkommen beispielsweise, wie wir das erfolgreich mit der Türkei gemacht haben. Das ist ein wichtiger Punkt.
    Heinemann: Ihr Parteifreund Wolfgang Bosbach sagt das ganz anders. Der sagt, Menschen ohne Papiere sollten gar nicht erst einreisen können.
    Amthor: Absolut! Aber das ist auch richtig. Das wollen wir auch und deswegen werden wir die Identität auch klären in den Ankerzentren. Die Realität ist natürlich, dass wir immer noch einige Ausreisepflichtige und einige mit ungeklärten Identitäten bei uns im Land haben, und das ist das große Problem, dass wir zwei Ebenen haben. Einerseits sagen wir jetzt, 2015 wird sich nicht wiederholen, aber wir müssen natürlich trotzdem mit den Altfällen noch arbeiten, und da muss man sich nichts vormachen. Das ist keine einfache Situation.
    "Für die, die Trickbetrug betreiben, ist kein Platz"
    Heinemann: Aber die Einreise ohne Papiere ist laut Koalitionsvertrag doch weiterhin möglich.
    Amthor: Es wird so funktionieren, dass Horst Seehofer jetzt alle Kraft investieren wird, um die Ankerzentren aufzubauen, und dann werden wir dort sehr schnell klären, ob jemand ein Bleiberecht hier hat. Und ich sage Ihnen eins: Ohne geklärte Identität wird es dem Asylbewerber natürlich auch sehr, sehr schwerfallen, hier einen Status und ein Bleiberecht nachzuweisen. Das werden wir ganz konsequent betreiben.
    Heinemann: Vor allen Dingen wird es sehr schwer sein, Leute ohne geklärte Identität gegen ihren Willen wieder rückzuführen. Dabei bleibt es?
    Amthor: Ja. Aber wir werden das nicht akzeptieren. Wir werden hier eine Lösung finden. Und Sie haben ja richtigerweise angedeutet, dass wir darüber diskutieren müssen, auch wie wir hier Rechtsstellungen einschränken. Es wird einerseits ein unangetastetes Asylrecht geben für die, die wirklich schutzbedürftig sind. Aber für die, die hier Trickbetrug betreiben, ist in diesem Land kein Platz und da werden wir konsequent vorgehen.
    Aber das ist natürlich auch ein Weg, von dem ich noch sagen will: Es ist ganz klar, machen wir uns nichts vor, dass wir hier eine ganz einfache Lösung haben. Sie haben geschildert, auch im Gespräch mit Herrn Detjen gerade, wo die Probleme im Detail liegen. Aber das wird Horst Seehofer jetzt entschieden angehen und da braucht man auch den engagierten Einsatz.
    Muss "weiterhin auch einen Schutzanspruch" für Verfolgte geben
    Heinemann: Herr Amthor, der frühere Bundesminister und Staatsrechtler Professor Rupert Scholz und auch Michael Bertrams, ehemaliger Präsident des Landesverfassungsgerichts Nordrhein-Westfalen, sagen, unser Asylrecht wird massiv missbraucht und solange es einen einklagbaren subjektiven Rechtsanspruch gibt, wird sich daran nichts ändern. Wieso schreibt der Koalitionsvertrag den Status quo fest?
    Amthor: Nun, also: Die Kritik von Herrn Scholz ist an einigen Stellen durchaus aus einer rechtsdogmatischen Sicht nachvollziehbar. Gleichwohl ist es so, dass das an der politischen Realität vorbeigeht. Es wird im Deutschen Bundestag gerade auch mit der SPD keine Mehrheit geben, dort substanzielle Einschränkungen zu machen. Wir wollen das auf der Verfahrensebene lösen und trotz aller Härte des Rechtsstaats gilt natürlich auch, dass es weiterhin auch einen Schutzanspruch für diejenigen geben muss, die wirklich verfolgt werden. Das ist auch deutsche Verantwortung.
    "Die europäische Diskussion wäre für uns die Ideallösung"
    Heinemann: Herr Amthor, ist ein gemeinsames europäisches Asylsystem möglich, wenn Deutschland auf einer subjektiv-rechtlichen verfassten Asylrechtsgarantie besteht?
    Amthor: Ja, wir arbeiten daran. Das ist auch ein Element des europäischen Asylsystems. Und es ist ein weiter Weg. Wir sehen, dass dort einiges ins Stocken geraten ist, aber die Frage der Umverteilung, die überlagert oft Teilerfolge, die wir eigentlich in Sachen des gemeinsamen Asylsystems schon haben.
    Aber Fakt ist auch: Die europäische Diskussion wäre für uns die Ideallösung. Solange das aber nicht funktioniert, müssen wir natürlich in Sachen Grenzschutz, in Sachen Ausweisung, in Sachen Schutzstatus nationale Lösungen finden. Da hilft es nicht, auf den Sankt Nimmerleinstag in Europa zu warten. Trotzdem arbeiten wir daran, dass das gemeinsame Asylsystem funktionieren kann.
    "Werden die Zuwanderung auch weiter begrenzen"
    Heinemann: Herr Amthor, wir halten fest: Personen ohne Papiere werden weiterhin einreisen können. Keine Änderung beim einklagbaren subjektiven Rechtsanspruch. Die AfD kann sich freuen, es wird sich nichts ändern.
    Amthor: Nein, überhaupt nicht! Das insinuiert das völlig Falsche. Wir haben die Zuwanderung maßgeblich begrenzt. Wir werden die Zuwanderung auch weiter begrenzen und wir werden mit unseren Ankerzentren ganz klar dafür Sorge tragen, dass Identitäten geklärt werden und dass Asylbewerber, die hier kein Bleiberecht haben, in ihre Länder zurückgeführt werden. Dafür wird es eine gemeinsame Kraftanstrengung geben und es wird nicht so funktionieren, dass wir hier von ungeklärten Identitäten, von ungeklärten Nationalitäten eine Verteilung auf Deutschland haben. Das werden wir nicht machen, sondern wir werden unser Regelwerk Migration konsequent durchsetzen und die Zuwanderung begrenzen und beschränken auf diejenigen, die ein Bleiberecht in Deutschland haben.
    Heinemann: Herr Amthor, Sie sind Jahrgang 1992, wenn ich es richtig gelesen habe, zweitjüngster Bundestagsabgeordneter, haben Bekanntheit erlangt, als Sie jüngst die AfD-Fraktion zusammengefaltet haben. Es ging da um einen Antrag um Vollverschleierung. Was haben Sie bisher im Bundestag gelernt?
    Amthor: Nun, also: Ich freue mich erst mal, dass jetzt die Regierung gebildet ist. Wir haben uns aber bis dahin nicht gelangweilt. Ich kann im Innenausschuss, im Europaausschuss mitarbeiten und da habe ich sehr schnell gelernt, dass viel eher als Eitelkeiten und als die Frage, wie alt oder jung man ist, Argumente zählen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt und da gilt jetzt auch Sacharbeit anzugehen. Deswegen freue ich mich da jetzt auf die weitere Arbeit und deswegen habe ich vor allem gelernt, im Bundestag ist Fleiß eine ganz wichtige Ressource. Das will ich gerne einbringen.
    Heinemann: Philipp Amthor (CDU), Mitglied des Innenausschusses des Deutschen Bundestages. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Amthor: Herzlichen Dank, Herr Heinemann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.