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Kommunikation im Web
Darknet wird immer mehr Teil des normalen Internets

Die in der "Darknet-Technologie-Allianz" zusammengeschlossenen Unternehmen stellen fest: Nicht nur Firmen, auch Privatleute setzen immer öfter Verschlüsselung und Verschleierungstechniken ein, die als typische Darknet-Technologien bekannt sind. Die Nutzerzahlen des TOR-Netzwerkes etwa wachsen rasant. Sogar Facebook kooperiert mit TOR.

Von Peter Welchering | 10.09.2016
    Auf dem Display eines iPhones ist das App-Logo von Facebook zu sehen (gestelltes Foto mit Wischeffekt).
    Immer mehr User nutzen die Verschlüsselung von TOR für die Nutzung sozialer Netzwerke (picture alliance / ZB / Jens Büttner)
    Auch Privatanwender nutzen zunehmend Verschlüsselung und Verschleierung, wenn sie im Internet surfen, mailen oder chatten. Die Nutzerzahlen des TOR-Netzwerkes wachsen rasant. Und das so oft gescholtene Darknet wird immer stärker Teil des ganz normalen World Wide Web.
    Für Sicherheitspolitiker ist das Anonymisierungsnetzwerk TOR in erster Linie ein Problem. Sie fordern eine stärkere Netzüberwachung und möchten die sogenannten Darknet-Technologien von den Sicherheitsbehörden kontrollieren lassen. Sie wollen also die Software, mit der die Netzkommunikation verschlüsselt und verschleiert werden kann, mit Hintertüren für die Polizei und die Nachrichtendienste versehen. Um dafür die nötige Zustimmung in der Bevölkerung zu bekommen, schreckt so mancher Sicherheitspolitiker auch nicht davor zurück, das Darknet pauschal als den Ort böser Kriminalität zu verteufeln.
    Drogenhandel, Waffengeschäfte, Kinderpornografie - das alles würde in diesem Darknet stattfinden und deshalb müsse auch das Darknet bekämpft werden, so wird argumentiert. Das Darknet und das Anonymisierungsnetzwerk TOR - ausschließlich ein Netzwerk des Bösen? So mancher Sicherheitspolitiker will genau das suggerieren. Die Anwender sehen das anders. So stellt Robert Dingledine, einer der Entwickler des TOR-Anonymisierungsnetzwerkes fest:
    "Sehr viele Leute haben auf TOR gewechselt. Ich habe mit den Leuten von Facebook gesprochen, die haben einige Statistiken über die Leute, die sich über TOR auf Facebook austauschen. Wenn wir diese Daten alle gegeneinanderstellen könnten, das wäre gut. Unsere Daten liegen offen, die von Facebook leider nicht. Aber die Daten zeigen, wie die Nutzer auf TOR wechseln, um Facebook zu erreichen."
    Immer mehr Facebook-Mitglieder nutzen TOR
    Facebook kooperiert inzwischen sogar mit dem TOR-Netzwerk. Und diese Kooperation hat letztlich bewirkt, dass die Domain Punkt-Onion als Spezialdomain eingetragen wurde. Gleichzeitig aber darf diese Domain nicht an private Registrare verkauft werden und auch nicht in die Auflösungstabellen des Internet-Verzeichnisses Domain Name System eingetragen werden. So soll den Geheimdiensten die Arbeit erschwert werden.
    Und immer mehr Facebook-Mitglieder nutzen diese Möglichkeit, um der ansonsten allumfassenden Überwachung im Netz zu entgehen. Die TOR-Entwickler fühlen sich dadurch enorm herausgefordert. Denn sie müssen auf neue Überwachungsmethoden sofort reagieren und eine Gegenstrategie entwickeln. Mike Perry, Entwickler des Tor-Browsers, beschreibt die Herausforderung so:
    "Unsere Arbeit ist vor allen Dingen darauf gerichtet, dass kein neues Browserfeature neue Möglichkeiten für Tracking von Dritten eröffnet. Es gibt verschiedene neue Schnittstellen, die wir alle regelrecht isolieren müssen, um genau dieses Tracking zu verhindern. Drittanbieter wollen das. Wenn sich jemand bei Facebook einloggt, wollen die feststellen können, wann er schon mal zum Beispiel bei CNN war, weil da eben ein Facebook-Button geladen wurde."
    Nachrichtendienste versuchen, TOR zu unterwandern
    Nachrichtendienste versuchen eine andere Strategie. Sie wollen TOR unterwandern und eröffnen einfach selbst TOR-Ausgangsserver, um darüber spionieren zu können. Die TOR-Anwender hat das verunsichert, die TOR-Entwickler dagegen angespornt. Sie haben eine Art Taschenlampe für das Darknet entwickelt, mit der das gesamte Anonymisierungsnetzwerk ausgeleuchtet, auf Überwachungsaktivitäten untersucht werden kann, ohne dass die Anwender selbst überwacht werden. Roger Dingledine:
    "Ein Tool heißt TOR consensus health und schaut sich jede Stunde das gesamte TOR-Netzwerk an, um herauszufinden, ob gerade etwas Merkwürdiges im Netz passiert. TOR consensus health sucht nach neuen Servern, insbesondere Ausgangsservern, die zur gleichen Zeit auftauchen. Wenn so etwas passiert, dann bekommen wir zum Beispiel eine Mail, dass irgendwo 40 neue Relays oder Server aufgetaucht sind, und müssen reagieren.
    Das ist schon eine Herausforderung zu entscheiden, ob wir uns einfach nur über die neuen Server freuen, oder ob wir mit den Leuten Kontakt aufnehmen und hinterfragen, was die eigentlich wollen und welche Rolle sie übernehmen können."
    Die Zielrichtung der TOR-Entwickler ist dabei klar: Das Darknet aus der Schmuddelecke herausholen, in das es die Sicherheitspolitiker gestellt haben und immer noch stellen wollen. Und vor allen Dingen: Jeder normale Webservice sollte zu einem Onion-Service werden. Dann sind die Dienstleister im Netz zwar nicht mehr anonym, aber alle Webnutzer können die volle Anonymität des Darknet im gesamten Web für sich nutzen.