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Komödie "Vorwärts immer!" kommt ins Kino
Jetzt ist auch er wieder da

Im Gegensatz zu anderen Kinokomödien über die DDR-Vergangenheit vermeidet "Vorwärts immer!" eine Spreewaldgurken-Ostalgie. Stattdessen stellt sie den ehemaligen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker ins Zentrum des Geschehens vom 9. Oktober 1989.

Von Jörg Albrecht | 10.10.2017
    Szenenfoto: Jörg Schüttauf als Honecker rutscht auf der gebohnerten Treppe aus und kann sich gerade noch halten
    Die gebohnerte Treppe wird dem falschen Honecker in "Vorwärts immer!" mehrfach fast zum Verhängnis (DCM)
    "Ich hatte einen Traum heute Nacht von einer besseren DDR. Von einem Land, in dem jeder frei und gleich leben kann und von einem Sozialismus, der nicht von Mauern und Panzern ... Ich glaube mir kein Wort." - "Doch Otto, du bist wunderbar. Du bist perfekt."
    Da kann Otto Wolf auch noch so sehr an sich zweifeln, seine Kollegen vom Theater haben Recht: Otto gibt auf der Bühne einen großartigen Honecker ab. Mit der angeklebten falschen Nase und dem Kassengestell sieht er dem Staatsratsvorsitzenden nicht nur zum Verwechseln ähnlich. Vor allem beherrscht Otto Honeckers charakteristisches Schlurfen und seinen genuschelten Singsang. Beste Voraussetzungen also, um in dem geplanten - und nicht genehmigten - Theaterstück "Vorwärts immer!" zu überzeugen, einem subversiven Blick hinter die Kulissen der Machtzentrale der SED. Welcher Filmklassiker hier als Vorlage und Vorbild dient, steht wohl außer Frage.
    "Heil Hitler!" - "Ich heil mich selbst." - "Das steht überhaupt nicht im Buch, Herr Bronski." - "Aber das gibt einen Lacher." - "Aber ich will gar keinen Lacher." - "Einen Lacher soll man nie verachten, Herr Dobosh."
    Diesen Satz aus "Sein oder Nichtsein" von Ernst Lubitsch haben sich auch Regisseurin Franziska Meletzky und Drehbuchautor Markus Thebe zu eigen gemacht. Auch sie versuchen keinen Lacher auszulassen in ihrem Schelmenstück, das die Grundidee aus der Lubitsch-Komödie aufgreift.
    Köpenick im Zentralkomitee
    So wie in "Sein oder Nichtsein" die polnischen Schauspieler kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zunächst damit beginnen, ihr antifaschistisches Stück zu proben, um später dann ganz real in die Rollen der deutschen Besatzer zu schlüpfen, so ist es auch in "Vorwärts immer!". Der Bühnen-Honecker wird im richtigen Leben gebraucht. Denn Otto will seine eigene Tochter beschützen, die am 9. Oktober 1989 mit ihren Freunden zur Montagsdemo nach Leipzig gefahren ist. Im ganzen Land wird befürchtet, Honecker könnte für den Abend einen Schießbefehl erteilt haben.
    "Honecker hat den Schießbefehl gegeben. Also kann er ihn auch wieder zurücknehmen. Wir lassen unseren Honecker in Leipzig anrufen." -
    "Mündliche Befehle dürfen nur durch die interne Dienstleitung gegeben werden." - "Und wo ist die interne Dienstleitung?" - "Ja im ZK."
    Dorthin - in die Herzkammer des Regimes - muss es Otto also irgendwie schaffen. Die Köpenickiade nimmt ihren Lauf.
    "Ja, das könnte klappen. Der echte Honecker ist in Wandlitz auf der Jagd."
    Was jetzt beginnt, ist eine Abfolge von aberwitzigen Situationen, die zwischen feingesponnener Satire und grobgestricktem Klamauk changieren. Aber selbst letzterer ist meist noch lustig - auch wenn der falsche Honecker eher ein Mal zu viel als zu wenig die gebohnerte Treppe heruntersegelt.
    "Wir müssen ernsthaft über Erich nachdenken"
    Die komödiantischen Höhepunkte, die immer wieder an den Humor von Loriot erinnern, sind der Auftritt vor den Parteikollegen, die Begegnung mit Ehefrau Margot und nicht zuletzt auch die mit sich selber. Denn auch der echte Honecker kehrt am Abend des 9. Oktober von seinem Jagdausflug zurück.
    "Das bin ja ich." - "Nein, da du ja nicht ich bist, sondern ich das bin, kannst du ja auch nicht das noch sein. Dann wärst du ja ich und das streitest du ja ab." - "Wer bin ich denn dann?" - "Ja, das ist eine gute Frage."
    Es sind gewaltige Fußstapfen, in die das Duo Meletzky und Thebe hier tritt. Dass sie am Ende nicht zu groß sind, liegt auch an der Spielfreude ihres glänzenden Ensembles, aus dem Jörg Schüttauf als doppelter Honecker herausragt. Er gibt dem "kleinen Diktator" die Züge eines lächerlichen Mannes, eines am Ende seiner Herrschaft senil gewordenen Kleinbürgers, den Egon Krenz loswerden will.
    "Wir müssen ernsthaft über Erich nachdenken."
    Im Gegensatz zu anderen Komödien über die DDR-Vergangenheit wie "Sonnenallee" oder "Good Bye, Lenin!" vermeidet "Vorwärts immer!" alles, was den Film in die Nähe von "Spreewaldgurken-Ostalgie" rücken könnte. Denn auch wenn Honeckers Tage im Herbst 1989 längst gezählt waren: Er stand immer noch im Machtzentrum der DDR und der Film tut gut daran, das Bedrohungsszenario während der Montagsdemonstrationen nicht zu verharmlosen. Denn eines gilt bei "Vorwärts immer!" wie auch schon bei "Sein oder Nichtsein". So banal das Böse auch sein mag: Man darf aus ihm niemals eine banale Komödie machen.