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Komponist zwischen den Zeiten

Gelernt hat er in Venedig, engagiert war er an vielen bedeutenden Städten Mitteleuropas: Heinrich Schütz wird noch heute als einer der bedeutendsten deutschen Komponisten des 17. Jahrhunderts verehrt.

Von Wolfram Goertz | 08.10.2010
    Es war ein Landgraf, der das Talent dieses Komponisten entdeckte. Moritz von Hessen-Kassel nächtigte 1598 in Christoph Schützens Weißenfelser Gasthof "Zum Ring"und lernte den damals 13-jährigen Sohn Heinrich kennen. Der junge Heinrich Schütz, dessen "Der Herr ist mein Hirt" von 1650 wir hörten, war eine ungewöhnliche Begabung, befand der Landgraf. Er holte ihn als Sängerknaben nach Kassel, später sorgte er dafür, dass der Junge, der auch geschickt im Orgelspiel und im Komponieren war, beim berühmten Giovanni Gabrieli in Venedig Kompositionsunterricht bekam. Mit der zusätzlichen Unterstützung des Vaters konnte Schütz insgesamt vier Jahre bei Gabrieli bleiben. Danach war er umfassend ausgebildet und reif, Deutschland mit Früchten aus Italien zu beschenken.

    Das darf man wörtlich nehmen. Schütz, der am 8. Oktober 1585 in Köstritz geboren worden war und zum bedeutendsten deutschen Komponisten im 17. Jahrhundert wurde, machte es zu seiner Spezialangelegenheit, den neuen "concertierenden Stil" Oberitaliens und den Generalbass zu importieren - zum einen wurde die Linienführung der Musik leichter, luftiger, virtuoser, zum anderen wurde ein harmonischer Grund im Bass als Fundament der Musik immer deutlicher betont. Zunächst wurde Schütz bei seinem landgräflichen Förderer als Hoforganist eingestellt, dann wurde er kurfürstlicher Kapellmeister in Dresden. Eine neuerliche Reise nach Venedig war 1628 nötig, wie Schütz selbst schrieb . . .

    " . . . um der inzwischen aufgebrachten neuen und heutigen Tags gebräuchlichen Manier und der Music sich zu erkundigen".

    Zwischenzeitlich war musikalisch in der Tat viel passiert, Claudio Monteverdi beispielsweise tat sich als Erfinder der Oper hervor, und es gab für Schütz allerlei Neues zu erkunden. Ausdruck als Spiel menschlicher Emotion war eine neue Kategorie, an der auch Schütz nicht vorbeikam; außerdem wurde neues Instrumentarium eingesetzt. Allerdings war es angesichts der Verwirrungen des Dreißigjährigen Krieges nur begrenzt möglich, die Errungenschaften der damaligen Moderne in Dresden ausgiebig anzuwenden. Schütz erkannte das Problem, dass . . .

    " . . . die löbliche Music von den anhaltenden gefährlichen Kriegs-Läufften in unserm lieben Vater-Lande Teutscher Nation nicht allein in grosses Abnehmen gerathen, sondern an manchem Ort gantz niedergeleget worden".

    Da der Dresdner Hof knapp bei Kasse war, suchte Schütz anderswo sein Einkommen aufzubessern; so ließ er sich beispielsweise als Kapellmeister in Kopenhagen nieder. Salopp könnte man sagen: Der Mann war so gut, dass er überall mit Kusshand genommen wurde. Stets war seine Aufgabe eine fromme. Luthers Bibel war sein täglich Brot - sie wollte er musikalisch zum Sprechen bringen. Dabei wuchs alles bei Schütz aus dem ergiebigen Boden des Barock, etwa die Figurenlehre und die expressive Harmonik. So wurde Heinrich Schütz, der 1672 im Alter von 87 Jahren in Dresden starb, auch zum Scharnier zwischen den Zeiten. Er hinterließ eine reiche Bibliothek geistlicher Kompositionen - Passionen, Konzerte, Motetten, allesamt Meisterwerke wie das "Vater unser, der du bist im Himmel" aus den "Musikalischen Exequien", hier musiziert vom Ensemble The Sixteen unter Harry Christophers.