Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Konditionieren Pflanzen ihre Bestäuber?

Biologie. - Pflanzen haben im Laufe ihrer Co-Evolution mit den bestäubenden Insekten verschiedene Strategien entwickelt, die Tiere anzuziehen. Kaffeepflanzen setzen dafür offenbar Koffein in geringen Dosen ein. In "Science" berichten Entomologen, dass Honigbienen sich offenbar dank des Stoffs besser an ihre Wirtspflanze erinnern können.

Von Volker Mrasek | 08.03.2013
    Wenn sich eine Biene in die Küche verirrt, wird sie eher von der Marmelade auf dem Frühstückstisch angelockt als vom frisch aufgebrühten Kaffee. Das ist jedenfalls unsere Erfahrung. Und dennoch: Die britische Neurobiologin Geraldine Wright behauptet von Honigbienen felsenfest:

    "Sie lieben Kaffee! Ich könnte Ihnen Filmaufnahmen zeigen. Da ist zu sehen, wie verrückt sie danach sind!"

    Nun, genau genommen meint die Forscherin von der Universität Newcastle …

    "coffee plants."

    … also Kaffee-Pflanzen. Beziehungsweise ihre Blüten. Die werden von Honigbienen gerne angeflogen und bestäubt. Anlocken lassen sich die Insekten dabei vom zuckerreichen Nektar der Blüten. Kaum zu glauben, aber auch der enthält Koffein, also das Hauptalkaloid und den Muntermacher von Kaffee! Was eigentlich paradox ist.

    "Nach dem bisherigen Stand des Wissens setzen Pflanzen Stoffe wie Koffein ein, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Sie schmecken schlecht oder sind sogar giftig für Tiere. In höheren Konzentrationen gilt das auch für Koffein. Es sollte deshalb nicht ausgerechnet in Blüten zu finden sein. Denn die Pflanze will ja, daß sie von bestäubenden Insekten wie Honigbienen besucht wird. Davon hängt ihre Fortpflanzung ab. Deswegen hatte eigentlich niemand erwartet, Koffein in Blüten zu finden."

    Dieser Widerspruch könnte sich jetzt auflösen - durch die neue Studie von Geraldine Wright und sieben anderen Forschern aus Großbritannien und den USA. Demnach enthalten die Blüten von Kaffee- und auch von einigen Zitruspflanzen nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Koffein – sondern genau die richtige pharmakologisch wirksame Menge, um Honigbienen zu manipulieren, wie es die Biologin formuliert. Um sie zu Stammgästen auf den eigenen Blüten zu machen. Denn auch bei den Bienen steigert Koffein offenbar Konzentration und Gedächtnisleistung. Sie behalten dann den Duft der betreffenden Kaffee- oder Citrus-Blüten länger in Erinnerung. Davon profitieren die Pflanzen. Phil Stevenson, Professor für Chemie der Pflanzen an der Universität von Greenwich in England:

    "Wenn Bienen Nektar sammeln und Blüten bestäuben, hat das bei ihnen viel mit Erinnerung und Lernen zu tun. Deswegen ist diese Studie auch so wichtig. Nehmen wir an, die Honigbiene ist satt. Dann geht sie erst am nächsten Tag wieder auf Blütenbesuch. Sie ist dann noch immer voller Pollen der zuvor besuchten Kaffee-Blüte. Und das Koffein im gesammelten Nektar erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Biene an den Duft dieser Kaffee-Blüten erinnert und sie wieder ansteuert. Sie liefert den Pollen also eher dort ab, wo ihn die Kaffeepflanze für eine erfolgreiche Bestäubung braucht, und nicht auf irgendwelchen anderen Blüten."

    Der russische Physiologe Iwan Pawlow wurde durch seine Versuche mit Hunden berühmt. Immer, wenn ein Klingelzeichen ertönte, bekamen sie Futter. Irgendwann genügte der Ton, und den Hunden lief das Wasser im Munde zusammen. Ganz ähnlich ging es jetzt auch bei den Laborversuchen mit den Bienen zu. Geraldine Wright präsentierte ihnen Blütendüfte zusammen mit einer Traubenzucker-Lösung. War das Futter mit Koffein angereichert, erinnerten sich viele der Honigbienen selbst nach drei Tagen noch an den passenden Blütenduft. Der Geruch genügte dann als Reiz, und die Bienen brachten ihren Saugrüssel in Stellung. Man könnte von einer Konditionierung der Insekten durch die Kaffee-Pflanze sprechen.

    "Es ist sehr aufregend, daß wir zeigen konnten, wozu Pflanzen Verbindungen wie Koffein auch noch einsetzen. Sie manipulieren damit Tiere zu ihrem eigenen Vorteil."

    Phil Stevenson kann sich vorstellen, daß die neuen Befunde praktischen Nutzen für den Anbau von Kaffee haben könnten:

    "Wenn man Kaffee-Varietäten auswählt, deren Blütennektar optimale Mengen Koffein enthält, könnte man die Bestäubung der Pflanzen durch Bienen steigern. Und damit auch die Erntemengen."

    Inzwischen untersuchen die Forscher auch Nikotin. Es kommt ebenfalls im Nektar verschiedener Blüten vor. Und könnte, so die Vermutung, ganz ähnlich auf Bienen wirken wie Koffein: nicht abschreckend, sondern verlockend.