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Konferenz der Umweltminister
Parks nicht nur im Villenviertel

Den Begriff der Umweltgerechtigkeit viel breiter zu fassen, fordern die Umweltminister der Länder. Anders als das Klischee suggeriert, geht es nicht nur um Artenschutz, Wald und gesunde Gewässer. Sondern auch darum, dass Menschen aus sozial schwächeren Schichten die gleichen Zugänge zu sauberer Luft und Natur haben wie Wohlhabende.

Von Tonia Koch | 16.06.2016
    Kinder verschiedener Nationalitäten nutzen am 29.07.2010 den Spielplatz am Kinder- und Familienzentrum zwischen den Hochhäusern des Stadtteils Tenever am östlichen Stadtrand von Bremen. Mehr als 6000 Bewohner leben heute dicht an dicht in der Trabantenstadt, 80 Prozent davon sind Einwanderer.
    Auch Kinder in sozialen Brennpunkten brauchen mehr als nur sterile Spielplätze (dpa / picture alliance / Ingo Wagner)
    Der Plan konzentriert sich zunächst auf die städtische Bevölkerung. Insbesondere die ärmeren Bevölkerungsschichten in Großstädten und in Ballungszentren fühlten sich durch Lärm, Verkehr, schlechte Luft und eine dichte Bebauung in ihren Wohnvierteln über Gebühr belastet, und das zu Recht, findet der saarländische Umweltminister Reinhold Jost von der SPD.
    Zahlreiche Studien hätten diese gefühlte Benachteiligung längst bestätigt, sagt Jost.
    "Jemand, der in einem sogenannten ärmeren Viertel wohnt, hat weniger Zugang zu Grünflächen, hat weniger Möglichkeiten sich gesund zu ernähren oder auch Sport zu treiben als das bei den Gegenden der Fall ist, wo Wohlhabende wohnen."
    Die Situation werde sich noch mehr verschärfen, je mehr der Druck auf die noch wenigen freien Flächen in den Städten wachse. Die Menschen zieht es dort hin. Für sie werden Wohnungen und Gewerbeflächen dringend benötigt. Dieser Prozess müsse intensiv begleitet werden, so Jost. Es sei deshalb an der Zeit, den Begriff der Umweltgerechtigkeit viel breiter zu fassen.
    Umwelt hat wesentlich mehr Faktoren
    "Umwelt wird zur Zeit diskutiert in erster Linie als das Klischee, es geht um das Thema Artenschutz, Biotope, Wald und gesunde Gewässer. Aber Umwelt hat wesentlich mehr Faktoren, uns es geht dabei auch darum, dass Menschen aus sozial schwächeren Schichten die gleichen Zugänge haben müssen zu einer gesunden Natur und Umwelt, auch Lebensbedingungen haben in ihren eigenen vier Wänden und dem Wohnumfeld, die nicht davon abhängig sind, wie dick der Geldbeutel der Betroffenen ist."
    Der saarländische Umweltminister fordert einen runden Tisch. Daran sollten neben den Umweltverbänden, die an der Ausarbeitung des Vorschlages mitgewirkt haben, auch die Sozialverbände und die zuständigen Ministerien: Umwelt, Bau, Gesundheit und Soziales beteiligt werden. Nur gemeinsam könnten ökologische Fragen, die eng mit sozialen Problemstellungen verknüpft sind, gelöst werden. Es sei natürlich immer wünschenswert, eine grüne Oase zu schützen, aber es müsse auch dafür Sorge getragen werden, dass diese von möglichst vielen Menschen erreicht werden könne, sagt der Vorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland Olaf Tschirmke.
    "Auch das ist ein Teil von Umweltgerechtigkeit, dass man zum Baden an die Seen mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt, weil sich nicht jeder ein Auto leisten kann."
    Sich draußen aufzuhalten, sei ein Grundrecht, sagt der NABU-Bundesvorsitzende.
    Strategien gemeinsam mit Bürgern entwickeln
    Öffentliche Gartenflächen in den Städten, die sich die Menschen zurückerobert hätten oder die Begrünung von Dächern seien zwar vielversprechende Ansätze, aber reichten nicht aus, eine städtische Bevölkerung wieder in Kontakt zu bringen mit der Natur.
    Stadt- und Landesplaner seien gefordert, gemeinsam mit den Bürgern Strategien zu entwickeln, wie solche Ruheinseln entstehen könnten.
    "Hier muss man eine konzertierte gemeinschaftliche Aktion machen, damit zum Beispiel die Kinder Frei-, Erlebnis. - und Spielräume haben und nicht nur sterile Spielplätze."
    Mehr Geld bedürfe es für diesen ersten Schritt auf dem Weg zu mehr Umweltgerechtigkeit nicht, glaubt der saarländische Umweltminister.
    "Das was dafür vorhanden ist, kann gezielter und sinnvoller eingesetzt werden, ob das beim Städtebau der Fall ist oder auch im Bereich der Dorfentwicklungsmaßnahmen, die bei den Ländern angesiedelt sind, und es geht auch darum, dass wir ein Signal setzen."
    Die gerechte Verteilung von Umweltbelastungen ist jedoch nicht nur ein städtisches Problem. Ungeliebte Infrastrukturprojekte, Stromtrassen, Endlager für Atommüll oder auch die Zerstörung der Landschaft durch den Braunkohlenbergbau sind Beispiele für Umweltschäden, die nach einem Ausgleich rufen. Das aber steht noch nicht im Antrag.