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Konflikt in Katalonien
Entmachtung vs. Unabhängigkeit?

In Spanien sind fast alle Hoffnungen auf eine Lösung des Katalonien-Konflikts geplatzt. Die Zentralregierung droht nun mit Zwangsmaßnahmen, mit denen die Pläne der Katalanen für einen eigenen Staat gestoppt werden sollen. Separatistische Organisationen haben für heute die Bürger der spanischen Region zu einem Sturm auf die Banken aufgerufen.

Von Burkhard Birke | 20.10.2017
    Ein Plakat zeigt Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajo und den katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont - mit Boxhandschuhen.
    Ein Plakat zeigt Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajo und den katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont - mit Boxhandschuhen. (AFP/ Josep Lago)
    Zwei Züge donnern aufeinander zu und niemand kann oder will anscheinend die Notbremse ziehen. Denn Kataloniens Regierung hat zwei Ultimaten verstreichen lassen, und droht jetzt: Das Parlament könnte einseitig die unabhängige Republik Katalonien ausrufen, wenn Madrid die Kontrolle über die autonome Region übernimmt. Genau das soll endgültig auf einer Sondersitzung des Kabinetts am Samstag beschlossen werden - auf der Basis des Artikels 155 der spanischen Verfassung, für den der Artikel 37 Grundgesetz der Bundesrepublik, der sogenannte Bundeszwang, Pate stand.
    Madrid betont an der Autonomie als solches nicht zu rütteln
    Kommt der 155 jetzt als Atombombe und Spaltpilz Spaniens– oder in einer Version 155 light? Wie weit geht die Zentralregierung? Die Optionen reichen von der weiteren Übernahme der Kontrolle über die Finanzen und derjenigen Bereiche, die durch die Separatisten in nicht verfassungskonformer Weise beeinflusst werden können, bis zur Suspendierung gleich aller Minister der Regionalregierung und des "President" – Carles Puigdemont. Auch das Parlament könnte teilweise oder ganz entmachtet werden, wobei die eleganteste und wahrscheinlichste Variante Neuwahlen wären. Alles andere - auch den Senat verwalten und entscheiden zu lassen - würde zu heikel. Theoretisch könnten sogar die Separatistenführer strafverfolgt und ihre Parteien verboten werden wie seinerzeit Batasuna, der politische Arm der ETA im Baskenland. Sicher scheint, dass das Innenministerium die Kontrolle über die Mossos de Esquadra, die Regionalpolizei übernehmen würde.
    Mehr als zwei Millionen Katalanen stimmten für die Loslösung
    Immer wieder betont Madrid an der Autonomie als solches nicht rütteln, sondern sie nur aussetzen zu wollen. Im Gegenzug bekräftigt Carles Puigdemont stets aufs Neue seine Verhandlungsbereitschaft und mahnt, die Repression einzustellen. Klar ist: Puigdemont und seine Regierungskoalition, die eine hauchdünne Mehrheit im Regionalparlament hat, setzt auf Unabhängigkeit. Dafür wurde sie gewählt und glaubt ein Mandat durch das illegale Referendum vom 1. Oktober zu haben. Mehr als zwei Millionen Katalanen stimmten bei 43 Prozent Wahlbeteiligung für Loslösung. Die Zentralregierung in Madrid indes pocht auf Rücknahme der Unabhängigkeitsbestrebungen und Rückkehr in den Verfassungsrahmen.
    Unversöhnliche Positionen
    Zur Stunde sind die Positionen unversöhnlich. Ein Referendum wie in Schottland 2014 sieht die Verfassung nicht vor. Für eine von den oppositionellen Sozialisten ins Spiel gebrachte Verfassungsänderung wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Die ist für ein Unabhängigkeitsreferendum nicht in Sicht. Für die Hardliner in Katalonien bleibt somit nur die va banque Strategie: Mit der Forderung nach Unabhängigkeit alles auf eine Karte zu setzen. Dabei ist klar, dass ein verbessertes Autonomie und vor allem Finanzstatut den Separatisten Wind aus den Segeln nehmen würde. Madrid war und ist aber nicht verhandlungsbereit. Noch gäbe es allerdings ein Zeitfenster, den Konflikt zu entschärfen. Denn erst wenn der Senat Ende des Monats auf seiner Sitzung die Anwendung des Artikels 155 billigt, kann er umgesetzt werden. Das wäre wünschenswert, um den Exodus von mehr als 700 Firmen, um die Unsicherheit und Spaltung der Gesellschaft zu stoppen. Angesichts der verhärteten Fronten käme dies allerdings einem Wunder gleich. Wie heißt es aber so schön: Wunder gibt es immer wieder.