Donnerstag, 18. April 2024

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Konflikt mit Iran
Linken-Politiker Liebich fordert Untersuchungskommission

Bevor die Bundeswehr im Konflikt mit dem Iran eingreife, müsse zunächst geklärt werden, was in der Straße von Hormus überhaupt geschehen sei, sagte Stefan Liebich (Die Linke) im Dlf. Der Iran hatte dort einen britischen Tanker beschlagnahmt, nun wird über eine Schutzmission im Persischen Golf diskutiert.

Stefan Liebich im Gespräch mit Mario Dobovisek | 23.07.2019
Stefan Liebich (Die Linke) während einer Bundestags-Rede zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan
Stefan Liebich (Die Linke) während einer Bundestags-Rede zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan (imago images / Metodi Popow)
Bundeswehrsoldaten dürften nicht als Puffer im Konflikt zwischen den USA und dem Iran genutzt werden, sagte Liebich im Dlf. Es gebe nur einen Weg, so der Linken-Politiker: "Reden, an einen Tisch setzen, Verhandlungslösungen finden." Dies sei unter dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama noch möglich gewesen, Donald Trump aber habe sich dagegen entschieden.
Wenn der Iran mit dem Atomabkommen breche und tatsächlich dazu übergehe, Nuklearwaffen zu entwickeln, werde Israel das militärisch verhindern. "Dann haben wir auf jeden Fall einen heißen Krieg in der Region."
Am Freitag hatte Teheran einen britischen Tanker in der Straße von Hormus beschlagnahmt. Vor zwei Wochen war ein iranischer Tanker von britischen Behörden vor der Küste von Gibraltar festgesetzt worden. Großbritannien strebt nun eine EU-geführte Schutzmission für die Schifffahrt im Persischen Golf an.

Das Interview in voller Länge:
Mario Dobovisek: Alles begann mit einem Abkommen, dem Atomabkommen mit dem Iran. Frieden sollte es der Region bringen und Ruhe vor allem. Perfekt war es nicht, das räumen auch europäische Politiker ein, doch statt es zu verbessern, kündigte es US-Präsident Donald Trump kurzerhand auf. Seitdem brennt alter Streit wieder auf, neuer gesellt sich hinzu. Diplomatischen Wortgefechten folgen Drohnenabschüsse, den Abschüssen wiederum festgesetzte Schiffe. Denn: Die Gewässer vor Irans Küsten zählen zu den meistbefahrenen der Ozeane. Es ist für Milliarden von Fässern Öl das Tor zur Welt, deshalb will Großbritannien nun den Schiffsverkehr dort gegen Übergriffe sichern, in einer Mission unter europäischer Führung, wie Außenminister Jeremy Hunt sagt.
O-Ton Jeremy Hunt: Weil das Recht auf freie Fahrt auf hoher See von entscheidender Bedeutung für jede Nation ist, wollen wir eine Schutzkoalition unter europäischer Führung zusammenstellen, die dafür sorgt, dass in dieser so wichtigen Region freie Fahrt herrscht. Wir haben darüber schon in den letzten zwei Tagen konstruktive Gespräche mit einer ganzen Reihe von Ländern geführt und wir werden später in der Woche besprechen, wie das am besten auf die neuesten US-Vorschläge für diese Gegend abgestimmt werden kann.
Unabhängige Untersuchungskommission soll Vorgänge prüfen
Dobovisek: Ich möchte darüber sprechen mit Stefan Liebich, er ist außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Liebich!
Stefan Liebich: Guten Morgen, Herr Dobovisek!
Dobovisek: Eine Schutzmission bedeutet eine militärische Mission, das müssen wir an dieser Stelle klar betonen, Herr Liebich. Ist das sinnvoll am Persischen Golf?
Liebich: Erst einmal muss man klären, was überhaupt geschehen ist. Es gibt ja gegenseitige Vorwürfe über Drohnen, die angeblich in den iranischen Luftraum eingedrungen sind, jetzt wiederum gibt es Hinweise aus dem Iran, die sagen, dass britische Schiff hätte sich nicht an internationales Recht gehalten. Mein Vorschlag wäre, dass Heiko Maas, Deutschland ist ja Mitglied des UN-Sicherheitsrats, sich im UN-Sicherheitsrat für eine unabhängige Untersuchungskommission einsetzt, die erst einmal sagt, was ist passiert. Und dann kann man auch Konsequenzen ziehen.
Dobovisek: Und was soll das bringen, wenn sich der UN-Sicherheitsrat wie fast immer gegenseitig blockiert?
Liebich: Na ja, wenn wir das gar nicht mehr versuchen, dann sind wir in einer Situation, in der wir schon ganz oft waren, nämlich dass Kriege auf Basis von, nun ja, man muss es nach dem Irak-Krieg so nennen, Lügen passieren. Und wir wissen eben nicht, was passiert ist. Deswegen wäre ich sehr vorsichtig, jetzt Soldanten dorthin zu schicken.
"Nicht die Aufgabe der Bundeswehr, Handelsschifffahrt durchzusetzen"
Dobovisek: Sie lehnen also die Mission, den Vorschlag der Briten ab?
Liebich: Zumindest, was die Bundeswehr betrifft, und darüber haben wir ja im Bundestag und wir im Auswärtigen Ausschuss zu entscheiden, denn die Bundeswehr ist zur Verteidigung aufgestellt worden und nicht dafür, internationale Handelsschifffahrt militärisch durchzusetzen.
Dobovisek: Das unter britischer Flagge fahrende Tankschiff wird ja weiter festgehalten. Sollen Reeder und Regierungen denn einfach weiter zusehen, wie aus welchen Gründen auch immer ihre Schiffe festgesetzt werden?
Liebich: Nein, keinesfalls! Ich kann das schon verstehen, dass man wissen möchte, was geschehen ist, aber das findet man ja auch nicht raus, indem man Soldaten dort hinschickt.
Dobovisek: Aber das wäre zumindest sicher für die Route, für den Verlauf der Schiffe.
Liebich: Ja, wie ich schon sagte, es ist nicht die Aufgabe der Bundeswehr, Handelsschifffahrt durchzusetzen. Und ehe wir militärisch agieren, möchte ich wissen, was geschehen ist. Das ist bisher alles noch unklar, und wir befinden uns tatsächlich in einem Konflikt, den vor allen Dingen Iran mit den USA austrägt. Es handelt sich ja weniger um einen europäisch-iranischen Konflikt. Ich denke, wir sollten alles dafür tun, dass wir da nicht mit hineingezogen werden.
Dobovisek: Jetzt könnten wir aber vielleicht den britischen Vorschlag auch deuten, ein bisschen umdeuten, weg von diesem militärischen, hin zu einer Art Pufferlösung, nämlich einem Puffer zwischen dem Iran und den US-Schiffen, die dort kreuzen. Weil das haben die Briten ja ganz klar gesagt, wir unterstützen nicht die harte Haltung Washingtons, sondern wir wollen eher etwas dazwischen sehen. Sehen Sie das auch so?
Liebich: Ich möchte nicht unsere Soldatinnen und Soldaten als Puffer in einem Konflikt zwischen den USA und dem Iran sehen. Das wäre, glaube ich, ein Fehler. Ich glaube, die Lösungen müssen tatsächlich in Gesprächen gefunden werden, und wir müssen schon daran erinnern, dass es die USA waren, die einen völkerrechtlich bindenden Vertrag gebrochen haben. Es war ja der UN-Sicherheitsrat, der die Bemühungen von Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den USA selbst zu einem Beschluss erhoben hat und alle darum gebeten hat, sich daran zu halten. Die USA haben das nicht getan, damit kam der Konflikt in eine neue Runde.
"Es gibt nur einen Weg, nämlich reden, an den Tisch setzen"
Dobovisek: Und all das Reden der vergangenen Monate hat offenbar nichts gebracht.
Liebich: Nein, weil die USA gesagt haben, das interessiert sie nicht. Sie haben ganz im Gegenteil neue und weitere Sanktionen verhängt. Und Sie hatten vorhin in Ihrer Anmoderation gesagt, es hätte die Hoffnung gegeben, dass das Iranabkommen Ruhe und Frieden in der Region bringt. Das habe ich tatsächlich damals nicht gedacht, es ging um einen anderen Sachverhalt, nämlich, dass der Iran darauf verzichtet, eine Atombombe zu entwickeln. Dass er ansonsten in der Region sein Unwesen treibt und auch im Land das Mullah-Regime alles andere als schön ist, da gibt es gar nichts dran zu deuten – aber darum ging es in dem Vertrag nicht. Und die USA haben selbst das, was man hatte – nämlich den Ausstieg aus einer verhängnisvollen Nuklearschraube –, selbst das haben sie aufgegeben in der Hoffnung auf etwas Besseres. Jetzt ist alles schlimmer geworden, ich glaube, das war keine gute Idee.
Dobovisek: Wie kommen wir raus aus der Krise?
Liebich: Es gibt nur einen Weg, nämlich reden, an den Tisch setzen, Verhandlungslösungen finden, wie es ja bereits einmal unter Barack Obama möglich war. Es ist schade, dass Donald Trump, das hat ja der britische Botschafter in Washington in bemerkenswerter Offenheit auch gesagt, dass Donald Trump hier lediglich versucht, wiedermal alles anders zu machen als sein Vorgänger, egal, was der Preis dafür ist.
Dobovisek: Jetzt müssen wir aber eben auch festhalten, dass dann das Reden möglicherweise nicht so funktioniert wie unter Barack Obama oder unter einem anderen Präsidenten und insgesamt Partnern in der internationalen Politik. Wie nah stehen wir tatsächlich einem militärischen Konflikt, wenn da jetzt zum Beispiel ein Fregattenkapitän zur falschen Zeit den falschen Knopf drückt?
Liebich: Also erst einmal funktioniert das Reden nicht, weil die USA nicht mehr reden, anders als früher, das ist der Unterschied. Und zum Zweiten: Die Gefahr ist tatsächlich riesengroß. Ich neige wirklich nicht dazu, Panik zu machen, aber wir haben dort eine Situation, dass der Iran ja bereits beginnt – und das ist alles andere als unterstützenswert –, nun seinerseits das Iran-Atomabkommen zu brechen. Und wenn sie tatsächlich, und das haben sie ja angekündigt, wieder dazu übergehen, Nuklearwaffen zu entwickeln, dann darf man davon ausgehen, dass Israel das militärisch verhindern wird – mit Unterstützung der USA. Das heißt, dann haben wir auf jeden Fall einen heißen Krieg in der Region – und das fehlt uns gerade noch.
Dobovisek: Und dann sollte eben Deutschland eher früher als später auch international Verantwortung übernehmen, auch in der Region, auch mit eigenen Schiffen zum Beispiel?
Liebich: Ich bin immer dafür, dass Deutschland Verantwortung übernimmt, und ich finde es auch gut, dass Deutschland im UN-Sicherheitsrat ist, aber Verantwortung bedeutet eben nicht, dass man jetzt noch mehr Soldaten dorthin schickt, sondern beispielsweise eine Initiative startet für die Einsetzung einer Untersuchungskommission über das, was in den letzten Tagen passiert ist.
Bundeswehr soll Geld sinnvoller einsetzen
Dobovisek: Das würde aber auch bedeuten, wenn die Briten in den nächsten Tagen in Berlin anklopfen werden und nach Unterstützung bitten, dass Berlin zunächst Nein sagen müsste.
Liebich: Unsere Antwort als Die Linke wäre Nein, wir schicken nicht Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zur Durchsetzung der Handelsschifffahrt dorthin. Das wäre unsere Antwort, und dafür werden wir uns auch im Auswärtigen Ausschuss, der sich zu einer Sondersitzung morgen treffen wird, einsetzen.
Dobovisek: Müssen Sie da als Linkspartei vielleicht ein bisschen realistischer werden, auch mit Blick auf das, was SPD und Grüne zum Beispiel wollen, mit denen Sie eventuell ja zusammen regieren könnten, sollte die Regierung zusammenbrechen.
Liebich: Ich gehe davon aus, dass SPD und Grüne realistisch genug sind, sich auf so ein Abenteuer nicht einzulassen. Ich habe davon auch bisher nichts gehört. Also, das wäre keine Regierung, in der wir mitwirken wollen, dass wir immer mehr Soldaten in alle Welt schicken, und das wissen SPD und Grüne auch.
Dobovisek: Aber es ist so, dass Deutschland eben in vielen Teilen der Welt mit der Bundeswehr aktiv ist, das ist eben auch gewünscht von der Bundesregierung, auch gewünscht von der SPD. Verantwortung übernehmen, das haben Sie auch gerade unterstrichen, dann sollte in letzter Konsequenz Deutschland auch mehr in seine Armee investieren. Davon ist US-Präsident Donald Trump überzeugt und auch die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Braucht die Truppe mehr Geld?
Liebich: Dazu ist ein Blick auf die Zahlen ganz hilfreich. Während wir im Jahr 2014 noch 32 Milliarden Euro für Rüstung ausgegeben haben, sind wir jetzt bereits bei 43. Das heißt, die Ausgaben werden höher und höher und höher. Was die USA wollen und was tatsächlich damals auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier bestätigt hat, das sind diese zwei Prozent. Das wären 85 Milliarden Euro, damit wäre Deutschland auf Platz drei weltweit bei den Rüstungsausgaben, das ist nun wirklich absurd. Warum sollten wir das tun?
Dobovisek: Jedes Jahr aufs Neue prangert aber trotzdem zum Beispiel der Wehrbeauftragte des Bundestages die Missstände in der Bundeswehr an, die Unterfinanzierung, die marode Ausstattung, mehr Flugzeuge als Ersatzteillager am Boden als in der Luft, Panzer, die nicht fahren, U-Boote, die nicht tauchen und so weiter und so fort. Also noch einmal die Frage, braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Liebich: Die Bundeswehr muss das viele, viele Geld, was sie hat und was sie jedes Jahr bekommt, sinnvoller einsetzen. Natürlich fehlt das Geld für Hubschrauberflüge hier, wenn die Hubschrauber derweil in Mali eingesetzt werden. Wir brauchen nicht viele, viele Soldaten in Afghanistan, in Mali und sonst wo. Wenn man mit dem Geld, was man hat, das macht, was im Grundgesetz steht, nämlich eine vernünftig ausgestattete Verteidigungsarmee auszurüsten, dann haben wir mehr als genug Geld.
Dobovisek: Das heißt aber, die schmutzige Arbeit im Ausland müssen dann die anderen machen, zum Beispiel die USA und Großbritannien.
Liebich: Man muss sich immer konkret angucken, worum es geht. Also beispielsweise ist es so, dass wir in Mali keinen Millimeter vorangekommen sind. Wir sind dort, weil Frankreich darum gebeten hat, es ist ein Konflikt, der völlig fest ist, wo sich nichts rührt. Die deutschen Soldaten, die dort hingeschickt werden, bilden malische Soldaten aus, die dann von der malischen Regierung in Einsätze geschickt werden, die den Friedensprozess zurückwerfen. Einfach immer nur unter der Überschrift mehr Verantwortung irgendwo hinzugehen, das ist doch keine sinnvolle Strategie. Und mir ist noch eines wichtig, die USA sprechen ja häufig von Lastenteilung und sie sagen, sie wollen ja nicht, dass sie immer mehr Geld für Sicherheit in Europa ausgeben. Die Wahrheit ist aber, dass die USA selber aufrüsten. Das heißt, am Ende geht es nicht darum, dass wir Anteile der USA übernehmen, sondern dass wir zu einem weltweiten Aufrüstungswettlauf beitragen – und das ist wirklich nicht klug.
Dobovisek: Ich danke Ihnen!
Liebich: Sehr gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.