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Konsolidierung der Haushalte steht im Fokus des FDP-Wahlprogramms

Für die Liberalen steht bereits fest: der einzig mögliche Koalitionspartner nach der Bundestagswahl ist die Union. Denn Rot-Grün habe sich nun eingeschworen und sich ein Feindbild rausgesucht, sagte Bayerns FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit Jürgen Liminski | 04.05.2013
    Jürgen Liminski: Der Deutschland-Trend sieht die FDP unter fünf Prozent, aber die Stimmung ist besser als die Daten. Heute debattiert die Partei in Nürnberg, wie sie in den Wahlkampf geht, und auf der Themenliste der Delegierten stehen der Mindestlohn und Steuersenkungen, sozusagen das Gegenprogramm zu den Grünen. FDP-Parteitag(MP3-Audio) Über den Auftakt in Nürnberg berichtet Tobias Armbrüster.

    Und mitgehört hat die Bundesjustizministerin und Landesvorsitzende der FDP in Bayern, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Guten Morgen!

    Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen, Herr Liminski!

    Liminski: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die FDP ist bundesweit unter fünf Prozent, wo haben Sie noch Amigos in Deutschland?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Wir haben ein natürlich viel größeres liberales Potenzial in Deutschland, und das kann man nicht mit "Amigos" bezeichnen, sondern ich glaube, es wird jetzt im Wahlkampf deutlich zwischen mehr Verantwortung des einzelnen, Freiheit auf der einen Seite und, doch, Regulierung, Bevormundung, das bessere Leben vonseiten Parteien bestimmen wollen – so machen das ja die Grünen- auf der anderen. Also der Wahlkampf hat begonnen, und da wird es sehr viel mehr Unterstützer geben, als es sich jetzt in Umfragen ausdrückt.

    Liminski: Zur CSU vielleicht nachher noch 'mal eine Zusatzfrage – bleiben wir noch bei den Trends: Gesetzt den Fall, die FDP schafft tatsächlich die fünf Prozent, aber Schwarz-Gelb erreicht keine Kanzlermehrheit und Rot-Grün macht Ihnen ein Angebot für eine Ampelkoalition – würde Sie das reizen?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Das ist ja so, als wenn Ostern und Weihnachten auf einen Tag fallen würde, denn Rot-Grün hat sich nun eingeschworen und hat sich ein Feindbild ganz besonders rausgesucht, die Liberalen, von daher glaube ich, erübrigen sich jegliche Spekulationen, was wäre wenn.

    Liminski: Aber die Grünen werben auch - wie Sie - um das Bildungsbürgertum in den Großstädten.

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, mit anderen Konzepten, aber wir werben gerade mit unserem Konzept, mit unserem Menschenbild des Einzelnen, dem wir mehr zutrauen als dem Staat und anderen, von daher ist es ein wichtiger und richtiger Wettbewerb, aber die Konzepte sind unterschiedlich. Und die Grünen selbst haben ja, um mal diesen Spekulationen ein Ende zu bereiten, glaube ich, alles andere im Sinn, als irgendwo nur sich die FDP anzusehen. Also man sollte wirklich die Konstellation, auf der einen Seite Schwarz-Gelb, auf der anderen Seite Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün für diesen Wahlkampf wirklich herausarbeiten.

    Liminski: Die Grünen sind für Steuererhöhungen, Sie sind dagegen – sind Sie denn für Steuersenkungen? Dafür macht sich Ihr Kollege aus Sachsen, Holger Zastrow, gerade ziemlich stark, aber die Mehrheit der Deutschen eben nicht.

    Leutheusser-Schnarrenberger: Wir wollen auf alle Fälle – und so ist auch unser Wahlprogramm angelegt – deutlich machen, wir wollen eine Konsolidierung unserer Finanzlage. Das heißt eben, keine Steuererhöhungen, nicht jetzt zusätzliche Belastungen für die Bürger, Entlastungen werden, wenn nur in einem auch geringen Spielraum, möglich sein. Da haben wir zuallererst, wie auch in dieser Legislaturperiode, die sogenannte Kalte Progression – also wenn man über eine bestimmte niedrigere Einkommensschwelle kommt, dass man dann über Gebühr mit Steuern belastet wird – im Sinn. Das, glaube ich, wäre etwas, wenn wir Spielräume haben, was man angehen sollte, aber wir werden auf diesem Parteitag auch über den Soli diskutieren. Aber wir machen nicht einen Steuersenkungswahlkampf, sondern einen Wahlkampf, der ganz klar auf Konsolidierung der Haushalte und gegen Steuererhöhungen ausgerichtet ist.

    Liminski: Konsolidierung – ein anderes großes Thema, das auch auf dem Parteitag besprochen wird, ist der Mindestlohn. Die Parteien im Bundestag haben ihn fast alle schon verdaut. Wie wollen Sie damit Wahlkampf machen?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Wir wollen hier diskutieren in einer anderen Art, als die anderen Parteien dieses Thema im Programm haben, nämlich uns eint in der Partei, dass wir gesetzlich flächendeckend keine Vorgabe eines einheitlichen Mindestlohns wollen, und jetzt geht die Debatte – und ich finde gut, dass wir die führen – darum los, braucht es neue Regelungen, besondere Regelungen für die Bereiche, wo wir eben keine Tarifvertragsparteien haben. Da gibt es ganz unterschiedliche Modelle hier auf dem Parteitag, aber auch die Gruppe zum Beispiel der JuLis, die generell gar nichts verändern wollen. Ich finde es gut, wenn wir darum ringen, ob es hier Lücken gibt, und wenn, in welcher Form sie möglicherweise geschlossen werden sollten. Und da schauen wir nicht auf die Programme der anderen Parteien.

    Liminski: Sie sind Justizministerin, was sagen Sie zur Gerichtsposse in München? Schadet das nicht dem ernsten Anliegen des Prozesses?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Es ist jetzt ganz wichtig, dass der Prozess Anfang nächster Woche beginnt. Jetzt sind wirklich die Eindrücke von dem nicht so richtig überzeugenden Auftakt hoffentlich dann sehr schnell vergessen. Die Opfer warten zu Recht darauf, dass dieser so wichtige Prozess jetzt startet, es keine weiteren Verzögerungen gibt. Die Presse wird präsent sein, aber auch insgesamt eine interessierte Öffentlichkeit. Jetzt blicke ich nach vorn, und ich bin sicher, das wird ein allen rechtsstaatlichen Anforderungen ausreichend genügender Prozess.

    Liminski: Was kann denn die Politikerin außerhalb des Prozesses tun?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Also einmal natürlich sich nicht jetzt in den Prozess auch mit Äußerungen und anderem einmischen. Aber was zum Beispiel gerade ich gemacht habe in meinem Ministerium, wir haben schon gleich, als im November 2011 diese unglaubliche Mordserie bekannt wurde, haben wir aus unserem Hause in einem Fonds, der eigentlich dafür nicht speziell eingerichtet war, den Opfern ganz schnell wenigstens mit gewissen Beträgen in Not helfen können, denn sie haben ganz schwierige Situationen, sie sind traumatisiert, nach wie vor, und haben eine schwierige finanzielle Situation zum Teil. Wir müssen sie unterstützen, wir müssen sie stärken, und wir müssen deutlich machen, dass Deutschland mit aller Macht auch außerhalb dessen, was der Prozess leisten kann, dem Rechtsextremismus keinen Raum hier lassen werden in Deutschland. Deshalb ist gut, dass das Exit-Programm auch für die nächsten Jahre ohne Befristung gesichert ist, nämlich Neonazis raus aus ihren Kreisen holen.

    Liminski: Noch 'mal zur CSU – haben Sie nach der Amigo-Liste gestern noch Lust auf die Fortsetzung der Koalition in München, oder würden Sie auch mit einem Ministerpräsident Ude und Ministern aus den Reihen der Freien Wähler eine Koalition eingehen?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Wir haben natürlich Lust auf "Koalition Schwarz-Gelb" in Bayern, ganz klar ist das die CSU, ganz besonders die CSU, die hier gefordert ist, aufarbeiten muss, die Familienbeschäftigungsverhältnisse in Bayern, das ist ja unglaublich. Im Bundestag kennen wir so was seit Jahren auch nicht im Ansatz. Aber wenn hier klar aufgearbeitet wird, die Verträge abgewickelt werden, wir haben keine Regierungskrise in Bayern – natürlich, wenn das alles geleistet wird, sehe ich von dem Politischen her wirklich auch für Bayern es absolut für gut, wenn es keine absolute Mehrheit der CSU gibt.

    Liminski: Ihr Kollege im Bundestag, Norbert Geis, hat in einem Interview vor einer halben Stunde hier vorgeschlagen, das Modell Bundestag zu übernehmen. Wäre das eine Empfehlung, der Sie folgen könnten?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, das habe ich schon vor mehreren Tagen gesagt, nicht nur Abwickeln der Verträge, sondern Regelung Bundestag heißt, dass es natürlich auch keine Aufträge von Abgeordneten an Agenturen zur Übernahme von Büroarbeiten gibt, dass zentral der Landtag die Verträge auch schließt und auf ihre Korrektheit achtet, und das nicht allein der einzelne Abgeordnete macht, und natürlich, dass keine Familienangehörigen beschäftigt werden. So ist Familienbetrieb nicht zu verstehen.

    Liminski: Gibt es für Sie eigentlich absolute Bedingungen für eine Koalition, egal, ob in München oder in Berlin?

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ich halte nichts davon, absolute Bedingungen – mit uns nie – aufzustellen. Aber eines ist ganz klar: München und Berlin heißt: Wir wollen auf keinen Fall die Leistungsanreize für den Einzelnen wegnehmen in einer Zeit, wo wir uns behaupten müssen in Europa als eine wirtschaftsstarke und wettbewerbsfähige Nation, als ein wichtiges Deutschland. Aber für mich ist auch ganz klar, dass eine Politik, die eben die Bürgerrechte in den Mittelpunkt stellt, im Spannungsfeld Freiheit, Sicherheit, auch ganz entscheidend sich wiederfinden muss in Koalitionsvereinbarungen, und darüber muss verhandelt werden. Aber ich halte nichts von Katalogen, diese zehn Punkte ja, oder diese zehn Punkte nein, nichts. So laufen Koalitionsverhandlungen nicht.

    Liminski: Die FDP positioniert sich für den Wahlkampf mit einem liberalen Menschenbild und mit Bürgerrechten. Das war die Bundesjustizministerin und Landesvorsitzende der FDP in Bayern, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Besten Dank für das Gespräch!

    Leutheusser-Schnarrenberger: Ich bedanke mich, Herr Liminski, alles Gute!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Links auf dradio.de:

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    "Wir wollen keine Steuersenkung auf Pump"- Jürgen Trittin verteidigt die verabschiedeten Ziele zur Steuerpolitik vom Grünen-Parteitag