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Konstanzer Fasnacht
Mit Wasser und Brezeln gegen Alkoholexzesse

An Weiberdonnerstag beginnt nicht nur eine jecke Zeit, sondern auch die Hochsaison für Alkohol. Besonders für Jugendliche geht damit die Gefahr einher, zu tief ins Glas zu schauen. In Konstanz am Bodensee sind deshalb Präventionsgruppen unterwegs, um jugendlichen Narren Alternativen zum Alkohol anzubieten.

Von Thomas Wagner | 08.02.2018
    Eine Flasche liegt am Dienstag (21.02.2012) in der Freiburger Fußgängerzone in einem Abfalleimer. Im Hintergrund stehen verkleidete Narren.
    Für viele Jugendliche ist Karneval oder Fastnacht auch das erste Alkoholerlebnis (picture alliance / dpa / Patrick Seeger )
    "Juze, Juze!"
    "Juze" - das steht für Jugendzentrum. Wenn Katja Schmolenzky und Marius Hirling, Mitarbeiter am Jugendzentrum Konstanz, in den Altstadtgassen in Bodenseenähe unterwegs sind, werden sie von den Jugendlichen sofort erkannt - trotz närrischer Verkleidung zum Fasnachtsauftakt:
    "Wollt ihr eine Brezel, alkoholfreie Getränke, eine gute Grundlage?"
    "Wir verteilen Cola, Fanta, Mezzo und Brezeln an Jugendliche. Wir schauen einfach, dass es den Leuten gut geht, und dazu gehört eben auch, dass man was isst, alkoholfreie Getränke zu sich nimmt."
    "Wir sind ja Nicht-Trinker. Andere trinken zu viel wahrscheinlich. Und die haben es nicht unter Kontrolle. Wenn die sich dann übergeben müssen - das ist das Schlimmste, finde ich."
    "Wir laufen jetzt auf die Partymeile. Hier ist ein Ort, wo Jugendliche feiern können."
    Unterwegs mit René Grüßer, Leiter des Jugendzentrums Konstanz. Er steht an der Spitze eines außergewöhnlichen Projektes: Am Fasnachtsauftakt, wenn vielen Jugendlichen tatsächlich vieles egal ist, vor Ort zu sein - und zu verhindern, dass die mal als Ölscheichs, mal als Piratenbräute, mal als Disneyfiguren verkleideten Schülerinnen und Schüler zu tief ins Glas schauen, zu häufig zur Flasche greifen.
    Jugendliche nicht alleine lassen
    "Braucht ihr was zu essen? Alkoholfreie Getränke zwischendurch?"
    Schnell sind die Säckchen mit den Brezeln leer. Erst zögerlich, dann immer häufiger greifen die Jugendlichen, die zuvor noch Bierflaschen in der Hand hatten, auch beim Mineralwasser zu:
    "Die Grundidee ist, Jugendliche nicht alleine zu lassen, gerade an der Fasnacht. Die sind halt unterwegs, schauen sich das von Erwachsenen ab, haben das Gefühl: Alkohol gehört dazu. Und dann ist das eben so ein erstes Alkoholerlebnis an einem Tag, wo man früh aufsteht, wenig schläft, und deshalb sind wir einfach da, um Jugendliche anzusprechen, Brezeln zu verteilen, alkoholfreie Getränke zu verteilen und im Notfall auch als Ansprechpersonen zu dienen, damit sie nicht alleine sind."
    Keine moralische Belehrung
    "Wir wollen, dass sie lang Spaß haben, alkoholfreie Getränke zwischendrin trinken, Brezeln essen und eben nicht im Krankenhaus landen, was natürlich ab und zu schon vorkommt", ergänzt Eva Rieger, Sozialarbeiterin am Konstanzer Jugendzentrum. Sie läuft ebenfalls in einem der zehn Präventionsteams mit durch die Konstanzer Altstadtgassen. Ganz wichtiger Bestandteil des Konzeptes: Der moralische, belehrende Zeigefinger bleibt unten.
    "Es bringt nichts. Es bringt mir die Leute nur weg. Also bei einem, der mich belehren will, bei dem bleibe ich nicht", so Rene Grüßer. Ganz wichtig auch: Die Präventionsteams bringen genügend Zeit mit, um sich die Probleme derjenigen Jugendlichen anzuhören, die gerade an der Fasnacht in einem Moment noch fröhlich sind - und im nächsten schon tief betrübt - und jemanden brauchen zum Reden. Eva Rieger:
    "Meistens ist es dann irgendwie Liebeskummer, vor allem bei den Mädels. Und dann ist es wichtig, dass man da ist. Und da ist auch etwas, was wir verhindern wollen, dass jemand alleine irgendwo sitzt."
    "Vielleicht mal etwas ganz aktuell Schlimmes, wo sich jemand zurückzieht und sitzt. Und dann hat er vielleicht nur Alkohol, trinkt das dann und ist für sich so ganz alleine, und ist in seinem Kummer, der dann unbewusst ertränkt wird."
    Eine Art Alkoholspirale, welche die Teams des Konstanzer Jugendzentrums mit Brezeln, Wasser und Gesprächsbereitschaft durchbrechen.
    Präventionsteams seit zwei Jahren im Einsatz
    "Ich finde das schon wichtig, weil viele das schon nicht so richtig einschätzen können, wie viel Alkohol sie vertragen."
    "Ich hoffe, dass durch die Leute, die Brezeln und Wasser bringen, das Problem weniger wird. Also ich finde das echt eine gute Sache, dass die rumlaufen und Brezeln verteilen."
    Nina Lickert und Anna Scheich, zwei Mädels um die 16, greifen gerne bei Brezeln und Wasser zu. Die Präventionsteams müssen gleich mal beim nächsten Bäcker nachbestellen, wie in den zwei Jahren zuvor. So lange läuft nämlich dieses Projekt schon - jeweils zum Fasnachtsauftakt in Konstanz - mit messbarem Erfolg, stellt Alexandra Beck, Vorsitzende des Gesamtelternbeirates in Konstanz, fest:
    "Es macht auf jeden Fall Sinn, aus Elternsicht. Die Zahlen sagen es ja auch, dass wir innerhalb von drei Jahren die Zahlen reduzieren konnten von Jugendlichen, die ins Klinikum eingeliefert wurden."
    Alexandra Beck sieht allerdings auch, dass Jugendliche gerade zum Fasnachtsauftakt häufig zu sogenannten harten Sachen, also zu Schnäpsen, zu Whiskey, zu Cognac, greifen.
    "Wenn sie mal schauen, diese 1,5-Liter-Flaschen - da ist zum Teil eine Flasche Wodka drin oder eine halbe, die sie dann auffüllen mit Cola oder Sonstigem. Deshalb können die gar nicht einschätzen, wieviel sie da trinken."
    "Hallo, habt ihr Lust, noch lange zu feiern, wollt ihr eine Brezel haben?"
    Und deshalb gehen auch, trotz Minustemperaturen und leichtem Schneefall, die Präventionsteams, wie das in Konstanz heißt, immer und immer wieder auf die Gass - bis am späten Nachmittag. Unbeschwert soll sie sein, die Fasnacht - bei Erwachsenen und Jugendlichen gleichermaßen, ohne dass es zu Alkoholexzessen kommt.