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Konstituierende Bundestagssitzung
"Provokationen werden wir auf keinen Fall zulassen"

Es sei ein mehr als deutliches Signal gewesen, dass der AfD-Kandidat für einen der Stellvertreterposten des Bundestagspräsidenten nicht gewählt wurde, sagte der SPD-Abgeordnete Karamba Diaby im Dlf. Seine Partei werde auf Sacharbeit drängen - und die Provokation, die Methode bei der AfD sei, nicht zulassen.

Karamba Diaby im Gespräch mit Silvia Engels | 24.10.2017
    Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby aus Halle.
    Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby aus Halle. (pa/dpa/Stache)
    Silvia Engels: Der SPD-Abgeordnete Karamba Diaby sitzt seit 2013 im Deutschen Bundestag. Er selbst ist im Senegal geboren, erhielt 2011 die deutsche Staatsbürgerschaft und er ist einer der wenigen afrodeutschen Mitglieder des Bundestages. Aufgrund seiner Herkunft wird er häufig auf Integrationsfragen angesprochen. Er will nicht darauf reduziert werden; er ist unter anderem Spezialist für Umweltfragen. Aber er kämpft schon lange gegen jede Form rassistischer Auswüchse. Heute saß er im Bundestag zeitweise neben Wolfgang Schäuble.
    - Guten Abend, Herr Diaby!
    Karamba Diaby: Schönen guten Abend!
    Engels: Welchen Haupteindruck nehmen Sie von diesem ersten Sitzungstag mit, der ersten Plenarsitzung, an der ja auch die AfD-Fraktion teilgenommen hat?
    Diaby: Ja, das war natürlich ein ganz besonderer Tag. Es ist auch bitter, dass mal eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag eingezogen ist. Und für mich gilt natürlich, dass wir überhaupt keine inhaltliche Schnittmenge mit dieser Partei haben werden. Und es wird nicht einfach sein, dass wir demnächst Debatten haben werden, wenn man dann wirklich die Erfahrungen in den Landtagen mit berücksichtigt, wo viele, viele Anträge und Redebeiträge zu Spaltung und Hetze führen, und das ist natürlich bitter für unsere Demokratie. Aber das ist ein Warnschuss für unsere Demokratie, dieses Wahlergebnis. Da werden wir uns in unserer parlamentarischen Arbeit damit auseinandersetzen müssen.
    Engels: Haben Sie eine ablehnendere Stimmung zwischen einzelnen Abgeordneten heute in der Sitzung gespürt, als das in der letzten Legislaturperiode der Fall war?
    Diaby: Nein. Heute waren ja eigentlich nur Wahlen, die dort im Mittelpunkt gestanden haben. Es gab keine Redebeiträge in dem Sinne. Aber wir werden das Ganze natürlich beobachten, wie das sich entwickelt, wenn wir die normale Arbeit aufgenommen haben. Aber heute war das noch nicht so der Fall, weil die Inhalte haben noch keine Rolle gespielt.
    Engels: Albrecht Glaser, der Kandidat, den die AfD für das Bundestagspräsidium vorgeschlagen hatte, er ist dreimal durchgefallen. Er hatte dem Islam abgesprochen, eine Religion zu sein, und ihn stattdessen als politische Ideologie bezeichnet. Sie hatten im Vorfeld schon auf Twitter angekündigt, ihn nicht wählen zu wollen. Aber Herr Glaser bekam mehr Stimmen, als die AfD-Fraktion Sitze hat. Wird hier schon deutlich, dass im Parlament eine Abgrenzung von der AfD vielleicht doch nicht so leicht wird?
    "Diesen Mann wollen wir nicht haben"
    Diaby: Na ja. Ich meine, man muss die paar Stimmen ins richtige Verhältnis setzen, die für ihn in dieser geheimen Wahl gestimmt haben. Die sind natürlich zu vernachlässigen. Wir müssen feststellen, dass die überwiegende Mehrheit des Deutschen Bundestags weltoffen und solidarisch ist. Und das hat man auch gezeigt mit diesem Wahlverhalten, dass jemand, der die Vielfalt in Deutschland ablehnt, der bestimmte Äußerungen in Bezug auf Religionsfreiheit macht, die kontraproduktiv sind oder die entgegen dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stehen, dass die Mehrheit dieses Hauses Nein sagt, diesen Mann wollen wir nicht haben. Ich denke, das war hier mehr als deutlich.
    Engels: Der Sitz im Bundestagspräsidium bleibt nun erst einmal frei. Rechnen Sie damit, dass die AfD mittelfristig einen anderen Kandidaten aufstellt und das Ganze sich irgendwie normalisiert?
    Diaby: Das weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, dass sie natürlich unbedingt einen Vizepräsidenten haben möchten. Nun haben sie deutlich gesehen, dass die überwiegende Mehrheit dieses Hauses keinen Menschen haben möchte, der nicht für Vielfalt steht, der die Religionsfreiheit in diesem Land infrage stellt. Das nehmen sie heute nach dieser heutigen Sitzung mit. Und ich gehe davon aus, dass sie sich natürlich auch Gedanken machen werden, wie sie ihre Arbeit in Zukunft hier machen.
    Engels: Es gab ja schon mehrere Anträge zur Geschäftsordnung heute, über die abgestimmt wurde, und da war zu beobachten, dass bei einem dieser Anträge SPD- und AfD-Fraktion gleich stimmten. Wird das häufiger der Fall sein?
    Diaby: Nein! Wir werden mit Sicherheit auf keinen Fall inhaltliche Schnittmengen mit dieser Partei haben, und das muss ich auch deutlich sagen. Wenn die AfD bestimmten Dingen zustimmt, die wir gefordert haben oder beantragt haben, dann können wir das nicht verhindern. Allerdings muss auch deutlich gemacht werden, dass wir mit ihnen keine Schnittmenge haben.
    Engels: Wie sind denn Ihre bisherigen Begegnungen mit der AfD verlaufen? Wie wollen Sie auch persönlich mit der AfD in diesem Bundestag umgehen?
    "Wir werden auf Sacharbeit drängen"
    Diaby: Wir werden auf Sacharbeit drängen, dass wir über sachliche Sachen diskutieren. Und Provokationen werden wir auf keinen Fall zulassen oder nicht darauf eingehen. Das ist ja die Methode, die wir kennen, die in allen Landtagen, auch bei mir in Sachsen-Anhalt, in meinem Bundesland bekannt ist. Da geht es meistens um Provokationen. Wir werden uns konzentrieren auf Sachthemen. Und ich denke, die Bevölkerung in diesem Land möchte, dass wir als gewählte Abgeordnete uns um ihre Themen kümmern, um die Sachen, die wichtig sind: das Thema Pflege, das Thema Rente, das Thema Bildung und so weiter, Digitalisierung. Das sind ja wichtige Sachen und da werden wir uns als Oppositionspartei darauf konzentrieren.
    Engels: Schauen wir noch zum Schluss auf Wolfgang Schäuble. Er bekam bei seiner Wahl 71 Prozent Zustimmung. Das sind viele Stimmen, aber das zweitschlechteste Resultat für einen Bundestagspräsidenten seit den 60er-Jahren. Wie schwer wird es für ihn, ein von allen Abgeordneten akzeptierter Bundestagspräsident zu werden?
    Diaby: Ich denke, trotz aller politischer Differenzen muss man sagen, dass Wolfgang Schäuble wirklich eine respektable Person ist, der hier sehr, sehr gute politische Erfahrungen gemacht hat in den letzten Jahrzehnten. Und ich denke, das ist der Richtige an dieser Stelle. Das Ergebnis der heutigen Wahl, wenn man die Zusammensetzung des heutigen Bundestages berücksichtigt mit der Vielfältigkeit und Heterogenität, ist mit 71 Prozent für unsere Demokratie ein gutes Ergebnis, meiner Meinung nach.
    Engels: Der SPD-Abgeordnete Karamba Diaby. Er sitzt seit 2013 im Deutschen Bundestag und erlebte heute die konstituierende Sitzung des neuen Bundestages mit. Vielen Dank für das Gespräch.
    Diaby: Schönen guten Abend! Danke schön!
    Engels: Das Gespräch haben wir am frühen Abend aufgezeichnet und für die schlechte technische Qualität der Telefonleitung möchten wir uns entschuldigen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.