Dienstag, 19. März 2024

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Konstituierende Sitzung
Schäuble neuer Bundestagspräsident

Der Bundestag hat in seiner konstituierenden Sitzung den bisherigen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum neuen Parlamentspräsidenten bestimmt. Auch fünf seiner Stellvertreter wurden gewählt. Der Kandidat der AfD für einen Vize-Posten, Albrecht Glaser, fiel im ersten Wahlgang durch.

24.10.2017
    Schäuble lächelt ins Plenum, rechts und links von ihm sowie dahinter zwei weitere Personen.
    Wolfgang Schäuble erstmals auf seinem neuen Platz im Parlament. (Wolfgang Kumm / dpa)
    Bei der geheimen Abstimmung im neuen Parlament erhielt Schäuble 501 von 705 abgegebenen Stimmen. Als Bundestagspräsident tritt er die Nachfolge seines Parteikollegen Norbert Lammert an, der dem neuen Parlament nicht mehr angehört. Schäuble würdigte in seiner Antrittsrede die Arbeit Lammerts. Mit Blick auf den Einzug der AfD in das Parlament sagte Schäuble, die aktuelle Konstellation spiegele die Veränderung in der Gesellschaft wider. Demokratischer Streit sei notwendig, aber es sei Streit nach Regeln, so Schäuble. Zur parlamentarischen Kultur gehöre es, diese Regeln nicht als verräterisch oder sonst wie zu denunzieren, sondern die Beschlüsse der Mehrheit zu akzeptieren.
    Wahl der stellvertretenden Bundestagspräsidenten
    Nach Schäuble wurden auch seine Stellvertreter gewählt. Die erforderliche Mehrheit erhielten der CSU-Politiker und bisherige Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich, der frühere SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann, der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki sowie Petra Pau von der Linkspartei und Claudia Roth von den Grünen, die beide auch bisher schon als Bundestagsvizepräsidenten amtierten. Im ersten Wahlgang durchgefallen ist der AfD-Kandidat Albrecht Glaser. Gegen ihn war wegen seiner Äußerungen zum Islam bereits im Vorfeld Widerstand laut geworden.
    Glaser spricht und gestikuliert vor einer Wand mit AfD-Logos.
    Umstritten: Der AfD-Kandidat Albrecht Glaser (dpa / picture alliance / Christoph Schmidt)
    Glaser: "Der Islam ist eine Konstruktion"
    Der 75-Jährige Glaser hat sich bei den anderen Parteien vor allem dadurch unbeliebt gemacht, indem er den Muslimen das Recht auf Religionsfreiheit absprach. Eine der Thesen des Juristen Glaser lautet, der Islam sei eine "Konstruktion", die selbst keine Religionsfreiheit kenne. "Wer so mit einem Grundrecht umgeht", so Glasers Schlussfolgerung, "dem muss man das Grundrecht entziehen". In Interviews bezeichnete der 75-Jährige den Islam wiederholt als politische Ideologie.
    Der AfD-Politiker würde im zweiten Wahlgang erneut die Stimmen der Mehrheit aller Abgeordneten benötigen, also 355 von 709. Im dritten Wahlgang reicht es, wenn er mehr Ja- als Nein-Stimmen bekommt. Wenn der Kandidat auch dann noch durchfällt, muss der Ältestenrat entscheiden, wie es weitergeht. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel bekräftigte, an Glaser festzuhalten. Man werde die Abstimmung abwarten und dann sehen, was man daraus mache, sagte Weidel heute früh im ARD-Fernsehen.
    Solms warnt vor Sonderregelungen
    Vor der Wahl Schäubles hatte der FDP-Politiker Hermann Otto Solms als Alterspräsident die Sitzung eröffnet. Er mahnte die alten und neuen Parlamentarier, ihrer Verantwortung als Volksvertreter gerecht zu werden: "Abgeordneter des Deutschen Bundestages zu sein, ist eine große Ehre, aber eine noch viel größere Verpflichtung." Der Bundestag bestimme die Regierung, nicht umgekehrt. Solms rief dazu auf, sich in der neuen Legislaturperiode auf inhaltliche Auseinandersetzungen zu konzentrieren. Mit Blick auf die erstmals im Bundestag vertretene AfD warnte er davor, Sonderregelungen zu schaffen und irgendjemanden auszugrenzen. Alle Abgeordneten hätten das gleiche Mandat, das mit den gleichen Rechten und Pflichten einhergehe. Mit 709 Abgeordneten ist der neue Bundestag so groß wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik.
    Der FDP-Abgeordnete Hermann Otto Solms leitet die konstituierenden Sitzung des 19. Deutschen Bundestages am 24.10.2017 im Plenarsaal im Reichstagsgebäude in Berlin.
    Alterspräsident Hermann Otto Solms (FDP) eröffnete die konstituierende Sitzung des Bundestages (dpa-Bildfunk / Ralf Hirschberger)
    AfD scheitert mit Antrag
    Die AfD hatte zuvor versucht, Solms Rede zu verhindern. Sie beantragte, die Sitzung nicht vom Alterspräsidenten, sondern durch einen Versammlungsleiter eröffnen zu lassen. Dies lehnten die anderen Abgeordneten ab. Hintergrund ist, dass die Geschäftsordnung des Bundestages geändert worden war, um zu verhindern, dass ein AfD-Politiker als Alterspräsident die erste Sitzung des neugewählten Bundestages eröffnet. In der Neufassung ist festgelegt, dass nicht wie bisher der älteste Abgeordnete diese repräsentative Funktion übernimmt, sondern derjenige, der am längsten dem Parlament angehört. Dies ist eigentlich Schäuble. Weil er Bundestagspräsident werden sollte, war die Sitzung aber von Solms eröffnet worden, der das zweithöchste Dienstalter aufweist.
    Blick auf die konstituierende Sitzung des 19. Deutschen Bundestages am 24.10.2017 im Plenarsaal im Reichstagsgebäude in Berlin.
    Vollbesetzt: Das Plenum bei der konstituierenden Sitzung. (picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger/)
    Vollmer erwartet intensivere Debatten
    Die Grünen-Politikerin Vollmer erwartet im neuen Bundestag intensivere Debatten als in der vergangenen Legislaturperiode. Sie freue sich, dass die SPD wieder in der Opposition sei, sagte die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin im Deutschlandfunk. Eine starke Opposition und unterschiedliche Meinungen im Parlament seien eine Chance.
    Die grauhaarige Vollmer mit ernstem Blick auf ihrem Abgeordnetenplatz im Bundestag.
    Antje Vollmer, ehemalige Bundestagspräsidentin. (imago - Sven Simon)
    Im Umgang mit den AfD-Abgeordneten riet Vollmer zu Nüchternheit, Ruhe und Selbstbewusstsein. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, von Storch, erklärte ebenfalls im Dlf, ab heute sei die Saison eröffnet, in der es wieder eine echte Opposition im Bundestag gebe. Die SPD biete keine anderen Themen als die Regierung. Debatten in der Sache werde es nur mit der AfD geben.
    Wir übertragen die konstituierende Sitzung des Bundestages im Livestream unter www.deutschlandfunk.de/bundestag sowie im Digitalradio.
    (mg/gri)