Donnerstag, 25. April 2024

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Konversationkosmen der höheren Sphären

Louis Auchincloss lädt uns ein in die Salons der mehr als vermögenden, den - fiktiven - Rockefellers und Vanderbilts der 50er. Seine Protagonistin Clarabel "Clara" weiß sich von Geburt an hier gewinnbringend zu bewegen, woraus Auchincloss kein klischeeüberladenes Klassenporträt zeichnet: Statt dessen gelingt ein Stück Literatur, das das Lesedasein durchaus versüßt.

Rezensiert von Sacha Verna | 15.05.2009
    Louis Auchincloss ist ein Herr von 91 Jahren und einer der produktivsten Autoren der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Oder der Vergangenheitsliteratur. Denn die über 60 Romane und Erzählungsbände, die Auchincloss neben zahlreichen Sachbüchern im Lauf seiner Karriere verfasst hat, handeln allesamt von einer Gesellschaftsschicht, die ihre Blütezeit heute offiziell längst hinter sich hat – obgleich sie immer wieder und gar nicht so inoffiziell das Gegenteil davon beweist. Es sind fiktive Astors und Vanderbilts, fiktive Roosevelts und Rockefellers, die Auchincloss' Geschichten bevölkern. Sie residieren an der Park Avenue und verbringen den Sommer in Landhäusern auf Long Island. Sie bilden das traditionelle Establishment der amerikanischen Nordostküste, in das Auchincloss selber hineingeboren wurde.

    "Eine Frau mit Möglichkeiten” spielt Mitte des 20. Jahrhunderts, hauptsächlich in New York. Die Frau, die darin Möglichkeiten hat, diese zum Glück frühzeitig erkennt und dann vollkommen ausschöpft, heißt Clarabel Longcope. Clara ignoriert auf den weisen Rat ihrer Mutter hin ihre jugendliche Schwärmerei für einen aussichtslosen Akademiker und ehelicht stattdessen den Spross einer Bankiersfamilie. Die Ehe scheitert, alles in allem jedoch zugunsten von Clara, die sich danach als Redakteurin, Chefredakteurin und schließlich als Verlegerin und Kunstmäzenin einen Namen macht. Auch als Verlegergattin amtiert sie, dies allerdings nur vorübergehend, zumal Ehemann Nummer zwei noch in den Flitterwochen das Zeitliche segnet.

    Eine Frau schläft sich nach oben – das denkt man doch jetzt, nicht wahr? Seifenoperblasen aus dem Designer-Jacuzzi. Aber: Der Eindruck trügt. Zum einen ist Clara von ihrer Herkunft her ja niemals richtig unten. Sie befindet sich anfangs höchstens am Rand der Kreise, in deren Zentrum sie sich später bewegt. Zum anderen schreibt hier Louis Auchincloss. Und bei ihm liegen die Dinge, wie in der Wirklichkeit, komplizierter.

    Clara ist eine Geschäftsfrau. Sie denkt so wie ein Mann zu einer Zeit, in der es noch keine Feministinnen gibt, die ihr dies vorwerfen und noch keine anderen Frauen, die es ihr gleichtun. Außerdem ist da die Feinmechanik der Upper Class, dieses sich Drehen unzähliger Rädchen, das kaum jemand in so unerbittliches und paradoxerweise zugleich angenehmes Licht zu tauchen versteht wie Auchincloss. Auchincloss ist ein zu genauer Beobachter, um sich beim Zeichnen seiner Figuren abgestandener Klischees zu bedienen. Auch wer noch nie bei den Kennedys diniert hat, wird in Auchincloss' Protagonisten Menschen erkennen und nicht mit Porträts abgespeist, wie sie die Klatschpresse liefert. Die Salons und Garderoben, die Konversationskosmen und die kulturellen Sphären, in denen sich Clara und die Ihren bewegen, sind so überaus geschmackvoll wie Auchincloss' Prosa stilvoll ist. Und beides – die Welt, die Auchincloss schildert und die Art, wie er sie schildert – wirkt wohltuend direkt: Geld, so die Botschaft, ist dazu da, um uns das Erdendasein versüßen. Und für schöne Literatur darf durchaus dasselbe gelten.

    Louis Auchincloss: Eine Frau mit Möglichkeiten. Roman. Aus dem Amerikanischen von Angela Praesent. Dumont Verlag, Köln 2009. 280 Seiten. 19,95 Euro/35,90 Franken.