Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Konzerte rund um den Jahreswechsel
Walzerhappen und Schwerverdauliches

Berliner Philharmoniker, Dresdner Staatskapelle, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und Wiener Philharmoniker - rund um den Jahreswechsel werden traditionell Konzerte der Spitzenorchester in Funk und Fernsehen gesendet. Unser Kritiker Uwe Friedrich hat sich durch diverse Übertragungen geschaltet und ist auf Traditionelles und Überraschendes gestoßen.

Uwe Friedrich im Gespräch mit Jochen Hubmacher | 01.01.2018
    Chefdirigent Sir Simon Rattle bei einer Probe mit den Berliner Philharmonikern.
    Chefdirigent Sir Simon Rattle läutete seine Abschiedsrunde mit dem Silvesterkonzert ein (auf dem Foto bei einer Probe von 2014) (picture alliance / dpa / Jakub Kaminski)
    Das Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker war das letzte unter Simon Rattle als Chefdirigent. Es leite die Abschiedsrunde des Dirigenten in Berlin ein, so unser Kritiker Uwe Friedrich. Mit dem Programm habe Rattle Bilanz gezogen und auch in die Zukunft gedeutet. Mit dem Song "Take care of this house" aus dem Musical "1600 Pennsylvania Avenue" von Leonard Bernstein setzte Rattle einen politischen Akzent, geht es darin doch um den verantwortungsvollen Umgang mit dem Weißen Haus. Die Interpretation der Lieder von Richard Strauss durch die Mezzosopranistin Joyce DiDonato fand Friedrich hingegen nicht geglückt. Der spezielle Humor der Lieder sei nicht transportiert worden.
    Kritik im Vorfeld an Thielemann
    Beim Silvesterkonzert der Dresdner Staatskapelle gab es bereits im Vorfeld Aufregung um das Programm. Christian Thielemann hatte Lieder aus der Ufa-Zeit der 1930er-Jahre ins Programm genommen, unter anderem auch zwei Lieder aus dem NS-Propagandafilm "Die große Liebe". Das sei zuvor sehr stark kritisiert worden, weil Thielemann als ein konservativer Dirigent kritisch beäugt werde, so Uwe Friedrich. "Doch wenn man sich das angehört hat, dann liefen die Vorwürfe auch ein bisschen ins Leere." Denn Elisabeth Kulman rückte das Lied "Davon geht die Welt nicht unter" mit ihrer eindrücklichen Interpretation fern jeder Schunkelseligkeit in geschichtsbewusst düsteres Licht. Unserem Kritiker habe hingegen die Diskussion gefehlt, ob diese zwei Lieder überhaupt noch aufgeführt werden können - auf musikalischer Ebene.
    "Die Fernsehbildregie hat wirklich noch keinen Dreh gefunden, wie man diese Konzerte gut auf den Bildschirm bringen kann", resümierte Friedrich über die Übertragungen der Konzerte auf Arte und dem ZDF.
    Ein Irritationsmoment für die Neunte von Beethoven
    Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin spielte unter der Leitung von Vladimir Jurowski die 9. Sinfonie Ludwig van Beethovens in Kombination mit Arnold Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau". Schönbergs Werk wurde zwischen den dritten und vierten Satz der Sinfonie eingebettet. Das sei ein echter Schockmoment gewesen und verändere die Sinfonie stark, so Friedrich. "Es ist ein Irritationsmoment, der der Sinfonie gut tut und auch dem 'Überlebenden aus Warschau' sehr gut tut. Denn so wird er konfrontiert mit der bürgerlichen Kunstideologie."
    Beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Ricardo Muti habe es hingegen nichts Überraschendes gegeben, so Friedrich. Im Gegensatz zum letzten Jahr sei es 2018 wirklich ein gutes Konzert gewesen.