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Konzertkritik Pain of Salvation
Freude und Erlösungsschmerz

Mit dem aktuellen Album "In the Passing Light of Day" sind Pain of Salvation zum Prog Metal früherer Tage zurückgekehrt. In der Kölner Kantine haben die Schweden vor 1.000 Fans gespielt - nicht nur mit viel Drama auf der Bühne.

Von Kai Löffler | 04.06.2017
    Ein langhaariger Mann steht auf einer Bühne und spielt Gitarre.
    Daniel Gildenlow, Sänger und Gitarrist, von Pain of Salvation (Kai Löffler )
    Daniel Gildenlow: "Stell dir vor, du bist mitten in der Wüste, ohne was zu trinken. Wenn du ganz still sitzt, dann verbrauchst du keine Energie und schwitzt nicht so viel; so wirst du vermutlich am längsten durchhalten. Oder du kannst dich in Bewegung setzen. Du schwitzt, verbrauchst viel Flüssigkeit, aber dafür hast du die Chance, einen sicheren Ort zu erreichen. Dieses Laufen ist also der Erlösungsschmerz, der Pain of Salvation."
    Schmerzhaft ist auch der Fußweg zur Konzerthalle, aber die Kantine, weit im Kölner Norden, ist einer der gemütlichsten Säle der Stadt. So ist die Atmosphäre entspannt, das Publikum drängelt nicht, und auch die Vorband Port Noir tritt sympathisch auf.
    Musik "Port Noir - Vous et nous"
    Und dann, nach einer ausführlichen Umbaupause, betreten endlich Pain of Salvation die Bühne. Deren Fans sind vergleichsweise jung, im Schnitt um die 30 und viele von ihnen weiblich.
    Musik "Meaningless"
    Pain of Salvation-Chef Daniel Gildenlow - oder, korrekt ausgesprochen - "Daniel Gildenlow" [Aussprache klingt wie "Dorniell Childenlou"] ist nicht schüchtern, wenn es um seine politische Meinung geht. In diesem Fall muss er vom Publikum keinen Gegenwind befürchten.
    Daniel Gildenlow: "Fuck you, Donald Trump! Fuck you to the fucking fuck!"
    Der hochgewachsene Schwede ist es gewohnt, bei den Shows seiner Band im Mittelpunkt zu stehen. In der dieser Besetzung muss er sich aber das Rampenlicht teilen. Seine Nummer Zwei, Rhythmus-Gitarrist und Sänger Ragnar Zolberg, könnte das Bühnenverhalten bei Spinal Tap abgeguckt haben. Er lässt seine blonde Mähne flattern, trägt Kriegsbemalung und straft das Publikum mit finsterem Metal-Blick. Gildenlows Gesang hat über die Jahre etwas von seinem hohen Register eingebüßt, und diese Lücke füllt Ragnar mit seiner Engelsstimme.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Gitarrist und Sänger Ragnar Zolberg im Konzert in der Kantine (Kai Löffler )
    Musik "Meaningless"
    Meaningless, die erste Single aus "In the Passing Light of Day" stammt eigentlich von Ragnars alter Band 'Sign', ist aber kein Fremdkörper. Gildenlow und seine Band stehen augenscheinlich hinter dem Album, mit dessen Tracks sie etwa die Hälfte der Setliste bestückt haben.
    "Quasi im Alleingang geschrieben"
    Daniel Gildenlow: "Das Album war ungewöhnlich, weil sich niemand wirklich einbringen konnte. Ragnar und ich haben es quasi im Alleingang geschrieben und hatten auch schon fast alles eingespielt, also Drums, Gitarren, Keyboards. Währenddessen hatten wir zwar das Gefühl, ein Demo aufzunehmen, aber dann blieb es alles so. Wenn so einen Keyboard-Part einmal steht, dann macht es wenig Sinn, ihn zu ändern; er gehört dann einfach zum Song."
    Musik "Ashes"
    Ein paar Klassiker wie Rope Ends und Beyond the Pale spielen sie natürlich auch, vor allem vom Album Remedy Lane, plus zwei Road Salt Songs und Ashes. Bei einer Show vor ein paar Jahren sah Gildenlow aus, als würde er dem Publikum am liebsten den Mittelfinger zeigen und nach Hause gehen. Damals standen Pain of Salvation als Vorband für Opeth auf der Bühne. Diesmal ist Gildenlow voll in seinem Element. Und auch das Publikum ist begeistert, singt mit, springt auf und ab und einmal bildet sich vor der Bühne spontan eine Moshpit.
    Daniel Gildenlow: "Ich frag mich manchmal, ob die Zuschauer wissen, wieviel Einfluss sie auf die Show haben. Es gibt Abende, da ist es ein regelrechter Kampf, man quält sich durch die Show und hat von Anfang an das Gefühl, am falschen Ort zu sein. Und manchmal kommst du auf die Bühne, und das Publikum ist einfach unglaublich; vor einer Minute dachtest du noch 'wie schaff ich das bloß', und plötzlich bist du am schönsten Ort der Welt und möchtest am liebsten für immer auf dieser Bühne bleiben."
    Beide schütteln die Mähnen
    In Sachen Beleuchtung fährt die Band viel auf: Ob Stroboskop, Schlaglichter, oder Flutscheinwerfer, die die Musiker gegen den Bühnennebel aussehen lassen als wären in einem alten Dracula-Film. Überhaupt bieten Pain of Salvation - vor allem Gildenlow und Zolberg, der ein paar Tage später aus der Band fliegen wird - viel Show fürs Geld. Gildenlows Persönlichkeit wird gerne mal als übergroß bezeichnet. Auf der Bühne ist er damit der perfekte Kontrapunkt zur eisigen Aura von Ragnar. Beide schütteln ihre Mähnen als gäbe es kein Morgen - und spielen dabei erstaunlich präzise.
    Die größte Überraschung des Abends ist, wie perfekt die Songs von "In The Passing Light of Day" mit den rund 15 Jahre alten Tracks von Remedy Lane verschmelzen. Der Rausschmeißer, nach rund 90 Minuten, ist der Titelsong des aktuellen Albums, das stimmungsvolle 15-minütige Epos "The Passing Light of Day."
    Musik "The Passing Light of Day"
    Insgesamt ein tolles Konzert, viel Drama auf der Bühne, während vom offenbar köchelnden Drama hinter den Kulissen nichts zu merken war. Etwas länger hätte es sein dürfen, aber wenn eine hochmotivierte Band, guter Sound, eine Fan-gerechter Setliste und gemütliches Ambiente zusammenkommen, wer will sich da beklagen?