Donnerstag, 28. März 2024

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Kooperation von Bund und Ländern
Herausragende Hochschulen fördern

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hat die geplante Lockerung des Kooperationsverbots von Bund und Ländern im Hochschulbereich verteidigt. Die Hochschulen würden nun dauerhaft mit zusätzlichem Geld ausgestattet, sagte Wanka im DLF. Dadurch könnten unbefristete Stellen geschaffen werden.

Johanna Wanka im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 19.12.2014
    Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU)
    Bundesbildungsministerin Wanka verteidigt die Lockerung des Kooperationsverbots. (picture alliance / dpa / Ole Spata)
    Bundesbildungsministerium Wanka hat die Länder dazu aufgerufen, die geplanten Fördergelder in Höhe von jährlich 1,2 Milliarden Euro tatsächlich im Hochschulbereich zu investieren. "Ich weiß, dass die Länder das Geld dringend brauchen und dass sie gut daran tun, das Geld in dem Bereich einzusetzen", sagte Wanka im Deutschlandfunk. Der Bund könne aber nicht erzwingen, wofür die Mittel tatsächlich verwendet würden.
    Die Bundesländer hätten immer betont, dass der Bildungsbereich ein Schwerpunkt für sie sei. Deshalb könne man davon ausgehen, dass nicht gekürzt, sondern dass das Geld zusätzlich in diesem Bereich eingesetzt werde, sagte Wanka. Über die Lockerung des Kooperationsverbots im Hochschulbereich wird heute im Bundesrat entschieden.
    Diese würde es dem Bund ermöglichen, Projekte an Hochschulen künftig auch dauerhaft zu finanzieren - vorausgesetzt es handelt sich um Fälle von "überregionaler Bedeutung". Derzeit ist eine solche Förderung nur zeitlich begrenzt erlaubt. Mit der Neuregelung soll ein besonders umstrittener Teil der erst 2006 beschlossenen Föderalismusreform korrigiert werden.
    Eine ähnliche Lockerung im Schulbereich ist nach Ansicht von Wanka dagegen momentan äußerst unwahrscheinlich. "Der Schulbereich ist eine Hoheit der Länder", sagte sie. Viele Länder lehnten eine Kooperation ab. Zudem gebe es hier sehr unterschiedliche Positionen.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Bildungspolitik ist bei uns in Deutschland Ländersache. Der Bund hält sich da gefälligst raus. Zumindest galt dieses Prinzip bislang. Aber dieses Kooperationsverbot, das seit mehreren Jahren auch im Grundgesetz steht, das war immer umstritten und es hat sich eigentlich nie richtig bewährt. Der Bundestag hat in diesem Jahr deshalb bereits für eine Lockerung gestimmt, zumindest im Hochschulbereich, und heute wird aller Voraussicht nach auch der Bundesrat dieser Lockerung zustimmen.
    Am Telefon ist jetzt die Bundesbildungsministerin, Johanna Wanka von der CDU. Schönen guten Morgen.
    Johanna Wanka: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Frau Wanka, auf wie viel Geld können sich die deutschen Hochschulen denn jetzt freuen?
    Wanka: Die deutschen Hochschulen können sich nach dem Bundesrat heute freuen. Ab dem 1. Januar, also in zwölf Tagen, gibt der Bund 1,2 Milliarden an die Länder für Bildungsausgaben, insbesondere für die Hochschulen, und das Geld gibt es nicht nur in 2015, das gibt es auch in 2016, in 2025. Das gibt es dauerhaft und damit etwas, was wir in den ganzen letzten Jahren nie hatten, dass dauerhaft Geld für Dauerstellen in die Hochschulen geht. Und das gilt ab 1. Januar, wenn alles heute im Bundesrat so läuft.
    Armbrüster: Und wie wollen Sie denn sicherstellen, dass die Bundesländer dann nicht einfach im Gegenzug etwas weniger Geld ausgeben für ihre Hochschulen?
    Wanka: Da kann ich nur auf die Bundesländer setzen. Das kann der Bund nicht erzwingen. Aber da alle Länder immer betont haben, dass das für sie ein Schwerpunkt ist, der Bildungsbereich, müssen wir davon ausgehen, dass nicht gekürzt wird, sondern dass das Geld wirklich zusätzlich eingesetzt wird in den Ländern in diesem Bereich.
    Armbrüster: Aber ob die Hochschulen jetzt wirklich mehr Geld bekommen, das können Sie heute noch nicht sicher sagen?
    "Geldverteilung liegt in der Verantwortung der Länder"
    Wanka: Nein. Nein, das ist keine Entscheidung, die der Bund mehr hat. Der Bund stellt das Geld zur Verfügung und das Andere wird in den Ländern entschieden, und wir haben Signale aus Ländern. Es haben eine Reihe von Ländern bereits beschlossen, was sie mit dem Geld machen und wie sie mit dem Geld umgehen. Ob sie das jetzt zur Hälfte in die Schule und zur Hälfte in die Hochschule geben, oder ganz in die Hochschulen, das haben einige Länder schon beschlossen. Aber letztendlich ist es jetzt in der Verantwortung der Länder.
    "Bei den BAFöG-Mitteln haben wir keinerlei Mitspracherechte"
    Armbrüster: Welche Mitspracherechte haben Sie denn in der Bundesregierung oder als Bundesbildungsministerin bei der Frage, zum Beispiel wohin jetzt einzelne Gelder fließen sollen?
    Wanka: Bei den BAFöG-Mitteln haben wir keinerlei Mitspracherechte, sondern wir haben ganz klar im Gesetzestext ausgedrückt, warum wir das machen, warum gibt der Bund so viel Geld in die Länder, und jetzt ist es die Entscheidung in den Ländern.
    Das ist nicht mehr eine Bundesentscheidung. Aber ich setze da auf die Länder und bin da nicht prinzipiell misstrauisch oder unterstelle da Böses, sondern ich weiß, dass die Länder dieses Geld dringend brauchen und dass alle Länder gut daran tun, dieses Geld auch wirklich in diesem Bereich einzusetzen, um auch wettbewerbsfähig zu sein in den nächsten Jahren.
    Armbrüster: Das heißt, Sie können in der Bundesregierung jetzt gar nicht sagen, wir möchten zum Beispiel diese oder jene Universität, die ist besonders gut, in den kommenden Jahren gerne etwas besser fördern, die möchten wir besser ausstatten, da möchten wir vielleicht zusätzliche Professorenstellen einrichten? All dieses können Sie nicht machen?
    Wanka: Wenn heute das Grundgesetz geändert wird, dann haben wir die Möglichkeit, so was zu tun, gemeinsam, natürlich nach Abstimmung mit den Ländern. Dann kann der Bund auch. Da geht es aber nicht um das BAFöG-Geld, was jetzt in die Länder geht, sondern generell. Das kann der Bund dann nach der Grundgesetzänderung, dass er langfristig und auch institutionell fördern kann.
    Nach 2017 langfristige Hochschulförderung möglich
    Armbrüster: Dann lassen Sie uns mal über das BAFöG gleich sprechen und jetzt zunächst mal über die Förderung der einzelnen Hochschulen. Welche Hochschulen oder welche Projekte, können Sie sich denn vorstellen, wollen Sie da besonders fördern?
    Wanka: Wir haben bisher schon große Pakte, zum Beispiel die Exzellenz-Initiative, und die Exzellenz-Initiative bedeutete immer, für fünf Jahre können wir was entscheiden und vereinbaren.
    Jetzt, wenn wir sie neu starten nach 2017, ist es möglich, langfristig sich zu entscheiden mit den Ländern gemeinsam und langfristig Hochschulen zu fördern. Aber wir haben auch die verfassungsrechtlichen Bedingungen, die wir bisher - Sie hatten es im Anspann erwähnt - für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben, genauso für die Universitäten.
    Das heißt, die Verhandlungen zwischen Universitäten und Außeruniversitäten laufen jetzt auf Augenhöhe und machen natürlich es sehr viel direkter und einfacher möglich, dass diese beiden Institutionen miteinander kooperieren, bis hin zu Fusionen.
    Armbrüster: Aber Sie haben sich noch keine Gedanken darüber gemacht, dass es bestimmte Universitäten gibt, die Sie besonders fördern wollen?
    Wanka: Wir fördern auf keinen Fall - das ist bei mir ganz klar -, entwickeln wir Bundesuniversitäten. Wir wollen aber im Rahmen zum Beispiel der Exzellenz-Initiative natürlich herausragende Hochschulen fördern, und nach der Grundgesetzänderung ist es möglich, dass Bund und Länder sich Dinge gemeinsam überlegen, da haben wir einen weiten Gestaltungsspielraum, wenn es um Dinge geht, die überregional von Bedeutung sind für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt, für die Wissenschaftslandschaft.
    Wir können sehr flexibel reagieren. Und wir haben natürlich überlegt, was machen wir jetzt, aber ich denke, der Respekt vor dem Bundesrat gebietet es, dass man heute die Entscheidung abwartet und dann agiert.
    Außerdem sind wir dort auf vertrauensvolle Zusammenarbeit angewiesen, und das will ich auch wirklich tun, von Anfang an, und nicht etwas über Medien verkünden, bevor man es besprochen hat mit denen, die es betrifft.
    "Nicht ausschließlich nur Spitze fördern"
    Armbrüster: Aber Sie haben da gerade schon ein Stichwort genannt, Frau Wanka. Fördern dürfen Sie künftig nur, was überregional bedeutend ist bei den deutschen Hochschulen. Wie wollen Sie das denn eigentlich herausfinden, was da überregional ist und was nicht?
    Wanka: Wir können das mit den Ländern besprechen. Wir haben dort einen weiten Gestaltungsspielraum. Das können Dinge sein, dass man zum Beispiel ein kleines Institut nimmt, was für die Bundesrepublik wichtig ist, und das ist überregional bedeutsam, oder Dinge wie jetzt zum Beispiel der Hochschulpakt ist auch überregional bedeutsam, betrifft ganz viele, eigentlich alle Hochschulen.
    Das heißt, überregional bedeutsam heißt nicht ausschließlich nur Spitze fördern, aber heißt auch, dass man Spitze fördern kann.
    Hier können wir gemeinsam, Bund und Länder, langfristige Maßnahmen entwickeln und auch verwirklichen, und das ist der große Vorteil auch dieser Formulierung.
    "Es gibt überhaupt keine einheitliche Linie der Länder"
    Armbrüster: Das alles, worüber wir jetzt reden, Frau Wanka, das bezieht sich rein auf den Hochschulbereich. Da wird dieses Kooperationsverbot künftig gelockert, da können Sie künftig mehr fördern vom Bund und auch mehr mitreden.
    Warum gilt das nicht auch für normale Schulen, für die Gymnasien, Realschulen, Hauptschulen, Gemeinschaftsschulen in Deutschland?
    Wanka: Ja. Das ist in der Hoheit der Länder und es gibt viele Bundesländer, die es ablehnen, und es gibt überhaupt keine einheitliche Linie der Länder. Im Gegensatz zum Wissenschaftsbereich, wo sehr viele wollten nach den Erfahrungen der letzten Jahre, wo wir ja ganz viele große Kooperationen gemeinsam geleistet haben, haben wir im Schulbereich eine sehr uneinheitliche Wahrnehmung der Bundesländer, und wenn die dann mal eine einheitliche Position haben, wir möchten das und das an den Bund abgeben, dann können wir gern darüber reden.
    Aber im Moment gibt es überhaupt keine Möglichkeit, das zu diskutieren, und wir können ja als Bund auch nicht sagen, wir wollen jetzt von den Ländern die und die Kompetenzen wegnehmen.
    Bei der Grundgesetzänderung im 91b für den Wissenschaftsbereich war die Ausgangslage eine ganz andere, weil wir so viel Kooperation im Wissenschaftsbereich zwischen Bund und Ländern jetzt haben in den letzten Jahren, wie noch nie zuvor, und da ist es logisch, das jetzt auch langfristig und institutionell zu ermöglichen.
    "Wir brauchen einen Bildungsföderalismus"
    Armbrüster: Aber ist nicht das, Frau Wanka, was wir da im Schulbereich erleben, eigentlich ein Armutszeugnis für Deutschland?
    Wanka: Warum?
    Armbrüster: Na ja, weil dieses Bildungssystem ein so großer Flickenteppich ist und weil sich die Länder da offenbar nicht reinreden lassen wollen.
    Wanka: Wenn Sie sich mal anschauen internationale Leistungsvergleiche, Pisa oder anderes, dann ist es keinesfalls so, dass Länder, die zentral ihr Bildungssystem steuern, besser sind, und der Föderalismus, das föderale System in Deutschland bedeutet auch Wettbewerb zwischen den Bundesländern.
    Ich denke, wir brauchen einen Bildungsföderalismus. Ich finde ihn gut. Was schlecht ist, woran gearbeitet werden muss, das ist die Tatsache, dass es nicht sein kann, wenn Kinder und Eltern von einem Land ins andere wechseln, dass es dann große Hürden gibt.
    Das ist ein Nachteil, aber ansonsten hat dieses wettbewerbliche System auch den großen Vorteil, dass man zum Beispiel die Schule in Bremen oder in Hannover mit einem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund anders gestalten kann als vielleicht in ländlichen Regionen in Baden-Württemberg oder in Bayern. Das ist möglich und ich glaube, das geht auch besser, wenn die Länder das jeweils entscheiden, in Kenntnis der genauen Situation, als wenn wir von Berlin aus jetzt festlegen, wie hat die Schule dort oder da zu sein.
    "Das ist eine Zäsur im Wissenschaftssystem"
    Armbrüster: Können wir dann sagen, Frau Wanka, Sie sind gegen eine Lockerung des Kooperationsverbots im Schulbereich?
    Wanka: Nein! Ich sehe nur überhaupt keinen Handlungsspielraum für den Bund im Moment, weil es dort nichts Einheitliches gibt, und ich bin heute - das muss ich jetzt sagen - wirklich sehr froh, wenn der Bundesrat sich bei dem 91b für den Wissenschaftsbereich entscheidet, weil das ist eine Zäsur im Wissenschaftssystem und das ist ein ganz entscheidender Schritt für die Zukunft, der weit über diese Legislaturperiode hinauswirken wird. Und lassen Sie uns doch uns darüber freuen.
    Armbrüster: Der Bundesrat wird heute aller Voraussicht nach einer Lockerung des Kooperationsverbots im Hochschulbereich zustimmen. Wir haben darüber gesprochen mit der Bundesbildungsministerin, mit Johanna Wanka von der CDU. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Wanka: Danke auch. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.