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Kooperationsverbot
"Wenn der Bund Mittel gibt, kann er natürlich mitentscheiden"

Darf sich der Bund in der Länderdomäne Bildung engagieren? In Bereichen wie der Sozialarbeit ja, fordert NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann. Die Schulgesetze dagegen sollten Ländersache bleiben, sagte die derzeitige Chefin der Kultusministerkonferenz im DLF.

Sylvia Löhrmann im Gespräch mit Kate Maleike | 03.09.2014
    NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann im Landtag.
    Für eine "Kooperationskultur" von Bund und Ländern: NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (picture alliance / dpa / Federico Gambarini)
    Kate Maleike: Wie und wo genau Bund und Länder in Wissenschaft und Bildung zusammenarbeiten können und wo es Kooperationsverbote gibt, das regelt hierzulande bekanntlich das Grundgesetz. Aber daran wird gerade mächtig gebastelt, wie wir wissen: Der Bund will sich ja im Bereich der Hochschulen zumindest mehr und dauerhaft engagieren, vor allem mit Geld. Einigen Bundesländern aber reicht das nicht aus. Sie wollen die Gunst der Stunde nutzen, um das Kooperationsverbot im gesamten Bildungsbereich abzuschaffen. Und am 19. September wollen deshalb Berlin, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Baden-Württemberg, Niedersachsen einen entsprechenden Antrag im Bundesrat einbringen, und auch Nordrhein-Westfalen ist dabei. Schulministerin dort ist Sylvia Löhrmann, die in diesem Jahr auch den Vorsitz in der Kultusministerkonferenz hat. Guten Tag, Frau Löhrmann!
    Sylvia Löhrmann: Guten Tag, Frau Maleike!
    Maleike: Helfen Sie uns doch, besser zu verstehen, was die Länder jetzt genau wollen. Wie stellen Sie sich die künftige Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen vor?
    Löhrmann: Ja, wir haben als Länder einen Antrag eingebracht, der jetzt nicht die Grundsätze nach vorne stellt, sondern auf pragmatische und effektive Zusammenarbeit setzen will, weil uns klar ist: Für die Aufhebung des Kooperationsverbotes im Bereich der Schule, da ist keine Mehrheit zu erzielen, das hat die Bundesregierung nicht vorgelegt. Und wir definieren aber im Bereich der gesamten Bildungskette Handlungsnotwendigkeiten und werben dafür, dass der Bund auf gesetzlicher Grundlage und vor allem in finanzieller Hinsicht mehr und besser mit den Ländern kooperiert, insbesondere da, wo es um seine Zuständigkeit geht, nämlich die Sozialpolitik. Das spielt beim Thema Schulsozialarbeit eine Rolle, das spielt beim Thema Inklusion eine Rolle, das spielt beim Thema Übergang Schule-Beruf eine Rolle, wo es zum Teil ja Programme gibt oder gegeben hat unter den jetzigen gesetzlichen Regelungen. Und da möchten wir, dass der Bund mit uns intensiv ins Gespräch kommt.
    Maleike: Das heißt, Sie wollen eine dauerhafte Lösung haben, ähnlich wie bei den Hochschulen: Da gab es ja bislang auch immer diese Programmlösung, die zeitlich befristet war. Nehmen wir jetzt mal das große Themenfeld Inklusion, das ist ja nun auch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Wie stellt man sich die Zusammenarbeit dann da vor? Gibt der Bund dann nur das Geld für zum Beispiel den Umbau der Schulen?
    Löhrmann: Nein. Wir haben ja folgende Regelung: Die Länder sind für die Schulgesetze verantwortlich und verabschieden im Moment Schulgesetze für die Inklusion. Aber die Kinder haben zum Teil unabhängig davon, ob sie eine Förderschule oder eine allgemeine Schule besuchen, nach dem Sozialgesetz des Bundes Anspruch auf einen Integrationshelfer. Und diesen Integrationshelfer – wenn der Bund uns da helfen würde, dann würde das die Kommunen entlasten und würde für gute Inklusion mit sorgen. Also dafür brauchen wir gar nicht das Grundgesetz ändern, aber der Bund könnte hier seiner sozialpolitischen Verpflichtung nachkommen.
    "Schulpolitik ist heute auch Sozialpolitik und auch Wirtschaftspolitik"
    Maleike: Und das heißt dann aber auch, keine Einmischung des Bundes in zum Beispiel inhaltlichen Fragen wie G8, G9 oder Schulformen?
    Löhrmann: Richtig. Die Schulgesetze sollen – das war nie mein Anliegen –, die Schulgesetze sollen weiterhin von den Ländern gemacht werden, die können wir gut selber machen. Manchmal wäre Zentralismus da auch eher schädlich. Die Mobilität wollen wir sichern und sichern wir, indem die Kultusministerkonferenz ja Vergleichbarkeit sichert und Gleichwertigkeit von Abschlüssen etwa im Bereich der Lehrerbildung, etwa im Bereich der Kompetenzen beim Abitur und bei mittleren Bildungsabschlüssen. Da braucht der Bund keine Gesetze machen. Aber in seiner Verantwortung der Sozialpolitik, der Integrationspolitik, da muss es eine Kooperationskultur geben von Bund, Ländern und Gemeinden im Sinne der gemeinsamen Sache, weil Schulpolitik heute auch Sozialpolitik ist und auch Wirtschaftspolitik. Und da wollen wir, dass der Bund uns da entgegenkommt, ehe abschließend im Laufe dieses Jahres über diese Grundgesetzänderung für die Wissenschaft entschieden wird.
    Maleike: Das heißt, um Sie richtig zu verstehen, Sie wollen keine grundsätzliche Grundgesetzänderung auch für den Schulbereich, sondern Sie wollen die Kooperation in den schon geschilderten Feldern sichern. Wie kann man das denn sichern – über Kooperationsvereinbarungen?
    Löhrmann: Es hat ja die Schulsozialarbeit in den letzten Jahren gegeben durch Frau von der Leyen, und die Große Koalition führt sie jetzt nicht weiter fort. Das war ja auch möglich. Die ist nur mit sehr großem bürokratischen Aufwand verbunden, 20 Prozent, hat eine Studie festgestellt. Und wenn zum Beispiel der Bund festlegen würde für soziale Fragen, für multiprofessionelle Teams, ... nicht die Lehrerinnen und Lehrer, die finanzieren wir selber, das schaffen wir, aber multiprofessionelle Teams in den Kommunen, die etwa die Teilhabe der Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen oder bei der Inklusion mit sichert, damit guter Unterricht dann stattfinden kann, das wäre ein Arbeitsfeld. Dafür brauchen wir das Grundgesetz nicht ändern, aber wir brauchen die Bereitschaft des Bundes, hier dauerhaft und stetig mitzufinanzieren.
    "Das heißt aber nicht, dass der Bund jetzt die Schulgesetze macht"
    Maleike: Frau Löhrmann, Niedersachsens Ministerpräsident Weil hat in diesen Tagen ein Zeitungsinterview gegeben und er hat gesagt, dass, wenn der Bund sich zum Beispiel im Schulbereich finanziell engagiere, er auch ein Mitspracherecht bei inhaltlichen Fragen haben sollte, das zumindest einzuräumen sei. Das klingt, was Sie uns bisher erzählt haben, ein bisschen anders. Ist das auch Ihre Vorstellung eigentlich?
    Löhrmann: Ich gehe nicht davon aus, dass der Bund unsere Schulgesetze macht. Wenn der Bund, wie etwa beim Ganztagsausbauprogramm, wo er ja auch nicht schulgesetzlich geregelt hat, sondern für Barrierefreiheit gesorgt hat, wenn der Bund Mittel gibt für bestimmte Maßnahmen, dann kann er natürlich mitentscheiden und mitbestimmen. Das sind aber nicht die originären schulpolitischen Fragen, sondern das sind ganz oft sozialpolitische Fragen. Und in diesem Antrag weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass wir die sozialpolitischen und die schulpolitischen Dinge zusammenführen müssen. Das heißt aber nicht, dass der Bund jetzt die Schulgesetze macht.
    Maleike: Was Sie aber auf jeden Fall brauchen, ist eine Mehrheit dann im Bundesrat, und ein bisschen Überzeugungsarbeit müssen Sie da schon noch leisten, oder?
    Löhrmann: Ja, natürlich. Politik ist immer Überzeugungsarbeit leisten. Aber ich bin zuversichtlich, weil ich mich jetzt erst mal freue, dass der Antrag, den im Wesentlichen Frau Ahnen und ich ausgearbeitet haben, dass der doch immerhin auch die Zustimmung von einigen Großen Koalitionen gefunden hat. Die Abstimmung ist zwölf zu drei ausgegangen. Und vielleicht überzeugt das ja auch die Große Koalition in Berlin.
    Maleike: Das hofft Sylvia Löhrmann, die NRW-Schulministerin und amtierende Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Sie fordert zusammen mit fünf anderen Bundesländern ein stärkeres Engagement des Bundes in Bildungsfragen. Ein entsprechender Antrag wird also am 19. September im Bundesrat eingebracht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.