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Kopfgeldjagd auf Kassenpatienten

Die DAK kooperiert seit Längerem mit der HanseMerkur, einem Spezialisten für private Zusatzversicherungen. Deren Vertreter erhalten überhöhte Prämien, wenn sie Neumitglieder für die DAK werben. Das Bundesversicherungsamt prüft, ob das gegen die Wettbewerbsgrundsätze verstößt.

Von Peter Hornung und Katja Keppner | 29.05.2013
    Ein schicker weißer Fiat Cinquecento fährt rasant um die Kurven: Dieser Videoclip sieht aus wie eine ganz normale Autowerbung, doch er findet sich nur auf einer versteckten Seite im Internet. Wer die Adresse nicht kennt, findet sie nicht – auch nicht mit Google und Co. Denn diese Werbung richtet sich nur an Versicherungsvertreter der Hamburger HanseMerkur-Gruppe. Sie sollen dieses Auto ein Jahr umsonst nutzen dürfen. Die Aufgabe: Sie sollen neue Mitglieder werben – aber nicht für ihre Privatversicherung, sondern für eine gesetzliche Krankenkasse. Das hört sich zunächst widersinnig an. Ist es aber gar nicht: Deutschlands drittgrößte Krankenkasse, die DAK, kooperiert seit Längerem mit der Versicherungsgruppe HanseMerkur. Ein Werbespot der DAK erklärt es:

    "Es gibt Bereiche, bei denen der Gesetzgeber den Kassen nicht gestattet hat, alle anfallenden Kosten zu übernehmen. Deshalb hat die DAK-Gesundheit sich bereits 2004 einen Partner gesucht, der diese Lücke mithilfe privater Zusatzversicherungen schließt: die HanseMerkur, Spezialist in diesem Bereich."

    Im Gegenzug trommeln HanseMerkur-Mitarbeiter offenbar für die DAK: Die Versicherungsvertreter sollen für neue DAK-Mitglieder Geld bekommen - bis zu 150 Euro pro Neumitglied, heißt es auf einer versteckten Internetseite nur für Vertreter. Und wer anderen Krankenkassen mehr als 50 Versicherte für die DAK abwirbt, kriegt den Cinquecento noch obendrauf.

    "Gewinnen Sie mit DAK-Mitgliedschaften mehrfach!", steht folgerichtig auf der Internetseite für die 160 HanseMerkur-Vertreter bundesweit, die an der Kooperation mit der DAK beteiligt sind. Doch in den sogenannten Wettbewerbsgrundsätzen für die gesetzlichen Krankenkassen heißt es: Werbeprämien sind begrenzt – in der Praxis auf gut 80 Euro. Antje Domscheit vom Bundesversicherungsamt sieht die DAK-Mitgliederwerbung deshalb kritisch:

    "Das halten wir nicht für mit den Wettbewerbsgrundsätzen vereinbar. Zum einen ist es so, dass wir dieser Internetseite von Hansemerkur entnehmen, dass schon deutlich mehr für die gewerblichen Werber gezahlt wird, als das die Wettbewerbsgrundsätze vorsehen."

    Zum anderen stört das Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsichtsbehörde für die bundesweiten Krankenkassen, dass im Fall DAK die Kopfprämien auch noch steigen, je mehr Versicherte ein Vertreter wirbt. Die Wettbewerbsgrundsätze, heißt es, sollen "ein gegenseitiges Überbieten der Krankenkassen und damit eine 'Kopfgeldjägerei' verhindern."

    "Wir halten es deshalb für problematisch, weil es Anreize schafft in eine Richtung "Drückerkolonnenmentalität",

    sagt Antje Domscheit.

    Bei der DAK zeigt man sich dennoch gelassen. Den Wettbewerb des Kooperationspartners Hansemerkur kenne man, die private Versicherungsgruppe führe ihn aber "in Eigenregie" durch. Und auch die Kritik an überhöhten Prämien weist die DAK schriftlich zurück:

    "Der DAK-Gesundheit sind die Höchstgrenzen für Vergütungen bekannt. (...) Im Fall der Kooperation mit der HanseMerkur werden von der DAK-Gesundheit für jede Neuaufnahme 60 Euro vergütet."

    Den Rest also legt nach Angaben der beiden Versicherungen Hansemerkur drauf, bis zu 90 Euro pro Versichertem – und den Fiat 500. Doch auch das sei unzulässig, sagt Antje Domscheit vom Bundesversicherungsamt:

    "Das werten wir als eine Umgehung der Wettbewerbsgrundsätze, weil die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet sind, mit einem gewissen Werbebudget auszukommen. Und wenn sie deutlich mehr ausgeben, als darin vorgesehen ist und sich das quasi sponsern lassen von der privaten Versicherungswirtschaft, dann verschaffen sie sich einen Handlungsrahmen, der deutlich größer ist als eigentlich vorgesehen."

    DAK und HanseMerkur betonen beide, nicht gegen Regeln verstoßen zu haben. Das Bundesversicherungsamt ermittelt dennoch und wartet nun auf Stellungnahmen.

    "Die Bewertungen der Kooperation DAK/HanseMerkur sind vorläufig, eine abschließende Bewertung können wir noch nicht geben",

    so eine BVA-Sprecherin. Die HanseMerkur jedenfalls hat die Internetseite mit der Prämienwerbung inzwischen aus dem Netz genommen.