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Kopftuchverbote an Grundschulen
Zoff um ein Stück Stoff

Das in Österreich beschlossene Kopftuchverbot an Grundschulen hat die in Deutschland schwelende Debatte neu angeheizt. Während die CDU ein Verbot bereits juristisch prüfen lässt, hält die SPD die Diskussion für überzogen. Auch die Lehrerverbände sind in der Frage gespalten.

Von Claudia Hennen | 11.07.2019
Eine Schülerin mit Kopftuch aus der Türkei meldet sich im Unterricht am 10.06.2013 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen)
Schülerinnen und Schüler in einer Schule in Oberhausen (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
"Die Muslima, die im Moment noch kein Kopftuch tragen, die werden unter Druck gesetzt. Also, dass die Mädchen, die noch kein Kopftuch tragen, sich die ganze Zeit fragen: Bin ich eigentlich eine gute Muslima?"
Julia Wöllenstein ist Lehrerin an einer Gesamtschule in Kassel. Eine Schule, die sie als Brennpunktschule bezeichnet. Sie hat ein Buch geschrieben mit dem reißerischen Titel "Von Kartoffeln und Kanaken - Warum Integration im Klassenzimmer scheitert". Wöllenstein beobachtet seit Jahren, dass das Alter der Mädchen mit Kopftuch sinkt. Viele legten das Kopftuch nicht erst mit Eintritt in die Pubertät sondern bereits mit zehn oder neun Jahren an. Über die Gründe hat Julia Wöllenstein mit den Schülerinnen diskutiert:
"Wo man auch so merkt, dass die eigene Reflektionsfähigkeit natürlich noch gar nicht da ist. Also, die Mädchen erzählen dann das, was man ihnen gesagt hat. Also, die sagen dann, ja, ich muss das tragen sonst kommt Scheiße in mein Haar und ich komme in die Hölle. Oder ein anderes Mädchen sagt: Nein, das macht gar nichts, meine Tante trägt das Kopftuch erst seit kurzem und sie benimmt sich noch genauso wie vorher, als sie noch frei war. Also, die merken gar nicht, wie sie schon in der Sprache integriert haben, diese Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen eigentlich."
Alle religiösen Symbole aus der Schule verbannen
Es gehe nicht nur um ein Stück Stoff. Für Julia Wöllenstein ist das Kopftuch nicht nur ein modisches Accessoire oder Bekenntnis zum Islam:
"Es geht eben auch um ein patriarchalisches Weltbild, was dort quasi in den Familien oft gelebt wird. Es ist ein Zeichen dafür, dass ich als Mädchen davon ausgehe, dass ich die alleinige Verantwortung für Sexualität trage. Also das Mädchen bedeckt die Haare, damit die Männer nicht mehr gucken. Also, das ist durchaus auch so, dass die Schüler das bei Diskussionen über das Kopftuch sagen. Die Mädchen müssen das doch anziehen, sonst gucken die Männer."
Die Lehrerin Julia Wöllenstein
Lehrerin Julia Wöllenstein plädiert dafür, alle religiösen Symbole aus der Schule zu verbannen (dpa/Dennis Blechner)
Wöllenstein beobachtet mit Sorge, dass Religion eine wachsende Rolle in der Schule spielt. Sie plädiert dafür, das Kopftuch - wie alle anderen religiösen Symbole - aus der Schule zu verbannen. Ihr Ideal ist der Laizismus wie er etwa im Nachbarland Frankreich gelebt wird. Religion ist dort Privatangelegenheit, die Schule ein neutraler Ort.
Unionspolitiker lassen Kopftuchverbot juristisch prüfen
Wöllensteins Buch erschien Ende April, kurz bevor in Österreich das Kopftuchverbot in Kraft trat. Seither wird die Debatte hierzulande mit Verve geführt. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte bereits im März auf "CDU TV":
"Wenn jetzt aber kleine Mädchen schon im Kindergarten und in der Grundschule Kopftuch tragen, dann hat das eben gerade nichts mit Religion zu tun. Es macht aber aus den kleinen Kindern schon erkennbar etwa auf dem Spielplatz oder auf dem Schulhof Außenseiter. Und das wollen wir auf jeden Fall verhindern. Wir setzen dabei vor allen Dingen auf die Überzeugung der Eltern, aber wir schließen als letztmögliche Maßnahme ein Verbot von vorneherein nicht aus."
"Ich halte es für notwendig, dass wir uns Klarheit verschaffen, was ist möglich - vom Elterngespräch in der Schule bis zu rechtlichen Regelungen - und das umsetzen, was geht", so die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, die CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz vergangene Woche. Einige Unionspolitiker lassen ein Verbot derzeit juristisch prüfen. Nach Informationen der Zeitung "Welt" soll dazu bis zum Herbst ein Rechtsgutachten erstellt werden.
Frauenrechtlerinnen plädieren für Verbot
Die nordrhein-westfälische schwarz-gelbe Landesregierung geht ähnlich vor. Hier schwelt die Debatte seit über einem Jahr. Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) hat ein Gutachten aus entwicklungspsychologischer und theologischer Sicht in Auftrag gegeben, das derzeit noch ausgewertet wird. Angeheizt wird die Verbotsdebatte durch Rechtsaußen.
Die AfD geißelt das Kopftuch als "rückständiges und sexistisches Symbol". Kopftücher als Form der Verschleierung gehörten "genauso wenig wie der Islam an sich zu Deutschland". Aber auch Frauenrechtlerinnen sowie die Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes" plädieren für ein Verbot. Letztere startete vor einem Jahr eine Kampagne gegen das "Kinderkopftuch", da dieses das Recht der Kinder auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit einschränke und nicht vereinbar mit der UN-Kinderrechtskonvention sei.
Konkrete Zahlen fehlen
SPD, Grüne und Linke halten gegen ein Verbot. Der Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange der Religionsgemeinschaften, Lars Castellucci, wertet es als überzogen. Ohnehin gebe es in Deutschland nur wenige Kinder mit Kopftuch:
"Erstmal müsste klar sein, dass wir nicht nur theoretisch Regelungsbedarf haben, sondern tatsächlichen Regelungsbedarf. Also nicht nur vereinzelte Erfahrungsberichte sondern belastbare Zahlen. Da könnte Frau Widmann-Mauz ja beispielsweise einmal eine Studie veranlassen. Das würde ich sehr begrüßen."

Tatsächlich gibt es bislang keine Erhebungen, wie viele Mädchen unter 14 Jahren überhaupt Kopftuch tragen. Die Studie "Muslimisches Leben in Nordrhein-Westfalen" belegte zwar 2011, dass das Kopftuch in Nordrhein-Westfalen auch von Mädchen in der Altersgruppe von bis zu zehn Jahren getragen wird. Insgesamt dürfte die Zahl der Mädchen mit Kopftuch marginal sein im Vergleich zur Gesamtzahl der muslimischen Schülerinnen. Schule, sagt Castellucci, sei nun mal kein neutraler Ort. Schule bilde gesellschaftliche Vielfalt ab:
"Wenn wir alles verbannen, was stören könnte, was machen die jungen Leute eigentlich dann, wenn sie aus der Schule in die reale Welt kommen? Ich finde in Schulen muss man ein Kopftuch, eine Kippa oder ein Kreuz tragen können wie im Leben draußen auch. Wenn ich also das Kopftuch verbiete, dann dürfte ein anderes Mädchen streng genommen auch keine Kette mit einem Kreuz offen tragen, die ihr vielleicht die Oma geschenkt hat."
Lars Castellucci, Mitglied des Bundestags, SPD
Schule kann kein neutraler Ort sein, meint Lars Castellucci (imago images / Oryk HAIST)
Islamverbände: Debatte ums Kopftuch stigmatisiert
Castellucci befürchtet, dass mit einem Verbot die Diskriminierung von muslimischen Frauen und Mädchen verstärkt würde. Ähnlich verurteilen Islamverbände, darunter der Zentralrat der Muslime, die Debatte als stigmatisierend. Die Türkisch-Islamische Union Ditib spricht von einer "Scheindebatte, die populistisch missbraucht" werde. In einer Erklärung heißt es:
"Die Tatsache, dass insbesondere AfD-Wähler zu 90 Prozent ein entsprechendes Verbotsvotum abgeben, zeigt, aus welcher Ecke das Islambashing dominiert wird. Es ist diesbezüglich keine relevante Problematik vorhanden, die einen Aktionismus rechtfertigt. Bei Einzelfällen ist immer eine genaue Analyse des Falles notwendig."
Zugleich stellte die Ditib klar, dass die religiöse Pflicht für das Tragen eines Kopftuchs erst "ab der religiösen Mündigkeit, also ab der Pubertät" gelte. Ein Verbot hätte eine kontraproduktive Wirkung, sagt die Bremer Erziehungswissenschaftlerin Yasemin Karakaşoğlu. Keinesfalls könne man die Einstellung der Eltern damit ändern, vielmehr gerieten die Schülerinnen in einen Loyalitätskonflikt:
"Man würde die Kinder eigentlich in einen Widerspruch zwischen dem, was das Elternhaus für schicklich und angemessen hält und dem, was die Schule von ihnen erwartet, bringen und damit meines Erachtens pädagogisch keinesfalls zu einem angemessenen Ergebnis für die Entwicklung dieser Mädchen sorgen. Und gegebenenfalls bringt man die Mädchen, aber auch ihre Eltern gegen die grundlegende Bildungsintension der staatlichen Schule auch auf. Man bringt sie ja in einen Konflikt. Und das ist völlig ohne Not."
Erziehungswissenschaftlerin: Nicht immer religiöse Gründe oder Anpassungsdruck
Leider sei die öffentliche Wahrnehmung des Kopftuches darauf beschränkt, es als Symbol der Unterdrückung und des politischen Islam zu brandmarken, bedauert Karakaşoğlu. Die Professorin für Interkulturelle Bildung von der Universität Bremen hat schon vor bald zwanzig Jahren erforscht, weshalb junge Frauen und Mädchen das Kopftuch tragen. Es seien nicht immer religiöse Gründe oder Anpassungsdruck, gar Zwang durch die Familie.
"Es gibt aber auch junge Frauen, die sagen, gerade weil der Islam so in der Kritik ist, gerade weil ich auch erlebe, wie meine Eltern und meine Großeltern in der Gesellschaft nicht achtungsvoll behandelt werden, möchte ich hier ein Zeichen setzen gegen diese öffentliche Brandmarkung des Islam als frauenfeindlich und mache hiermit mich selber und mein Tragen des Kopftuches zum Symbol einer individuellen Entscheidung. Und ich möchte damit auch nach außen wirken und deutlich machen, dass Frauen, die ein Kopftuch tragen im Leben alles schaffen können was auch Frauen schaffen, die kein Kopftuch tragen."

Einmal Kopftuch, immer Kopftuch? Wenn Schülerinnen im jungen Alter das Kopftuch anlegten, hieße das nicht zwangsläufig, dass sie es ihr Leben lang tragen, sagt die Bremer Erziehungswissenschaftlerin Yasemin Karakaşoğlu. Sie hat in einer Studie junge Frauen und Mädchen zu ihren religiösen Einstellungen befragt:
"Genauso wie junge Frauen, die lange Zeit überhaupt kein Kopftuch getragen haben, dann entscheiden, ein Kopftuch zu tragen, gibt es umgekehrt auch die Fälle, in denen junge Frauen entscheiden es abzulegen. Also, es gibt hier Bewegungen in beide Richtungen."
Die Erziehungswissenschaftlerin Yasemin Karakasoglu
Das Kopftuch könne auch Symbol einer individuellen Entscheidung sein, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Yasemin Karakasoglu (Hannibal/dpa)
Rechtslage für Kopftuchverbot umstritten
Fraglich ist, ob Kopftücher für Schülerinnen in Deutschland überhaupt verboten werden dürfen. Bislang liegt dazu keine Rechtsprechung vor. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags kam 2017 in einer Ausarbeitung zum Thema zu dem Ergebnis, dass das verfassungsrechtlich "wohl nicht zulässig" wäre. Ein solches Verbot wäre ein massiver Eingriff in das Grundgesetz. Und zwar zum einen in das Grundrecht auf Religionsfreiheit - das der Eltern und das des Kindes. Und es wäre auch ein massiver Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern. All diese Rechte sind im Grundgesetz festgeschrieben.
Dem gegenüber gibt es im BGB den Paragraphen 1666, den Paragraphen zur Kindeswohlgefährdung. Jörg Ennuschat, Professor für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Verwaltungsrecht an der Ruhruniversität Bochum:
"Wenn das Kindeswohl gefährdet wird, kann der Staat durch das Jugendamt und das Familiengericht eingreifen. Aber das Kindeswohl, also es geht um das seelische, das körperliche Wohl des Kindes, das müsste ganz erheblich gefährdet werden. Und allein durch ein Kleidungsstück wird das nicht gefährdet."
Schüler in einem Klassenzimmer in einer Grundschule in Berlin-Tempelhof.
Schüler in einem Klassenzimmer in einer Grundschule in Berlin-Tempelhof. (imago images / photothek)
Gefährdet das Kopftuch das Kindeswohl?
Genau das, also ob durch das Kopftuch das Kindeswohl gefährdet ist, will die nordrhein-westfälische Landesregierung prüfen. Auf eine kleine Anfrage der Grünen, wie das Verbot mit dem Grundgesetz vereinbar sei, antwortete sie Ende Mai mit Verweis auf die UN-Kinderrechtskonvention:
"Zu prüfen ist insbesondere, ob kopftuchtragende Mädchen die gleichen Entwicklungschancen haben wie Mädchen, die kein Kopftuch tragen, und ob etwaige Nachteile durch ein Kopftuchverbot für jüngere Schülerinnen gemindert werden könnten. Sodann hat eine Güterabwägung zwischen dem Kindeswohl und dem religiösen Erziehungsrecht der Eltern zu erfolgen, ob eine gesetzliche Regelung gerechtfertigt beziehungsweise gegebenenfalls sogar zwingend erforderlich ist."
Dem gegenüber gibt Ennuschat zu bedenken: "Wenn der Staat den Eltern vorschreibt, wie die Kinder angezogen werden dürfen oder nicht, ist das ein ganz erheblicher Eingriff in das Elternrecht. Und das Elternrecht ist im Grundgesetz stärker geschützt als in anderen Verfassungen Europas. Das erklärt sich vor dem Hintergrund der Nazi-Diktatur, das erklärt sich auch in der Absage an die damals sich abzeichnende DDR. Man muss sich immer klar machen: Das Grundgesetz verlässt sich darauf, dass die Eltern am besten wissen, was das Beste für ihr Kind ist. Es ist - in aller Regel - nicht Sache des Staates, das zu entscheiden. Das entscheiden die Eltern, solange das Kindeswohl nicht gefährdet wird."
Rechtswissenschaftler sieht keine rechtlichen Möglichkeiten für Verbot
In einer gemeinsamen Erklärung des stellvertretenden Unionsfraktions-Chefs Carsten Linnemann, des für Religion zuständigen CDU-Politikers Christoph de Vries und des ehemaligen bayerischen Justizministers Winfried Bausback von der CSU, heißt es, man wolle ein Gesetz auf Bundesebene angehen. Bausbacks und Linnemanns Aussagen zufolge wolle man ansetzen beim "Gesetz über die religiöse Kindeserziehung". Der Rechtswissenschaftler Jörg Ennuschat sieht in dem Gesetz keinen Hebel, der einen staatlichen Eingriff in Elternrecht möglich machen würde:
"Dieses Gesetz soll regeln, was passiert, wenn die Eltern sich nicht einigen können über die religiöse Erziehung. Aber in unserem Fall wären sich die Eltern ja einig. Und die andere Frage, die das Gesetz regelt, ist, in welchem Verhältnis steht die Religionsfreiheit des Kindes zur Religionsfreiheit der Eltern. Also wenn das Kind größer wird, entwickelt es ja vielleicht seine eigenen Glaubensvorstellungen und könnte dann seinen Eltern widersprechen. Das würde das Gesetz unterstützen. Aber bei einem Grundschulkind würde das Kind wahrscheinlich ja genau das machen, was die Eltern erwarten, sodass wir gar keinen Konflikt hätten zwischen dem Kind und den Eltern."
Jörg Ennuschat vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Ruhr-Universität Bochum
Der Rechtswissenschaftler Jörg Ennuschat sieht keine rechtlichen Möglichkeiten für ein Kopftuchverbot an Schulen (Marijan Murat/dpa)
Auf Landesebene könnte noch das Schulrecht ein Ansatz für ein mögliches Verbot sein. Im Schulrecht gibt es Vorschriften, die sicherstellen sollen, dass die Schule ihren Auftrag erfüllen kann und dazu gehört etwa ein funktionierender Unterricht. Der Rechtswissenschaftler sieht aber auch hier kaum Chancen für ein Verbot:
"Ein Kopftuch einer Schülerin stört den Unterricht nicht. Das könnte anders sein, wenn eine Schülerin eine Vollverschleierung trüge, weil dann die Lehrerin, der Lehrer nicht mehr sehen könnte, wie die Schülerin guckt: Versteht das Kind gerade, was ich ihm unterrichte? Ist es aufmerksam oder nicht aufmerksam? Da würde der Schulunterricht gestört. Aber ein Kopftuch? Da sehe ich keine Störung des Schulunterrichts."
Störung des Schulfriedens – besonderer Fall in Berlin
Ist allerdings der Schulfrieden gefährdet, so sieht das landesweite Schulrecht besondere Maßnahmen vor. In einem Fall in Berlin wurde 2011 einem Schüler gerichtlich untersagt, seine rituellen Gebete in der Schule zu verrichten. Ennuschat erklärt das Besondere an dem Berliner Fall:
"Da ist der Konflikt so eskaliert, dass die Schule gesagt hat, wir müssen jetzt das Schulgebet verbieten, damit dieser Streitpunkt, dieser Konfliktpunkt aus der Schule rausgehalten wird. Und das haben die Gerichte bis zum Bundesverwaltungsgericht gebilligt. Aber dafür bräuchten wir eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens. Und wenn ein Kind in der Schule ein Kopftuch trägt wird nach allem was man bisher in den Medien lesen konnte, der Schulfrieden eben nicht gestört."
"Kopftuchstreit" bei Lehrerinnen zeigt Problematik
Auch das österereichische Kopftuchverbot ist nicht rechtssicher. Das Gesetz hat keinen Verfassungsrang, weil es nicht mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet wurde.
In Deutschland zeigt sich am so genannten "Kopftuchstreit", wie schwierig rechtliche Regelungen hierzulande durchzusetzen sein dürften. Seit mittlerweile zwanzig Jahren wird darüber gestritten, ob muslimische Lehrerinnen mit Kopftüchern in der Schule unterrichten dürfen. Bis heute gibt es keine bundesweite Regelung. Das Bundesverwaltungsgericht entschied 2003, dass ein Verbot nur möglich sei, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage im jeweiligen Bundesland verabschiedet wird.
Vor drei Jahren aber wurde diese Praxis gekippt und das Bundesverfassungsgericht entschied: Ein pauschales Kopftuchverbot sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Ein Verbot sei nur dann gerechtfertigt, wenn dadurch eine - so wörtlich - "hinreichend konkrete Gefahr" für den Schulfrieden ausgehe. In den vergangenen Jahren erstritten Lehrerinnen in den meisten Bundesländern die Lehrerlaubnis.
Rechtswissenschaftler sieht Islamverbände in der Pflicht
Vor diesem Hintergrund erscheint vielen die Debatte um ein Verbot für Grundschülerinnen als rückwärtsgewandt und aufgebauscht. Wer Kopftuch trage, geriete zwangsläufig unter Fundamentalismusverdacht, kritisiert Karim Fereidooni, Juniorprofessor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhruniversität Bochum:
"Wir müssen uns darüber unterhalten in diesem Kontext, was für eine Wirkung das Kopftuch auf die Lehrkräfte hat. Ich glaube, dass es im deutschen Kontext häufig die Wirkung hat, dass es ein politisches Symbol des Extremismus ist. Also nur weil jemand ein Kopftuch trägt heißt es nicht, dass sie politisch oder religiös fundamentalistisch ist, oder die Demokratie ablehnt."
Ein Mädchen mit Kopftuch und Schulranzen steht in Berlin neben einem Mädchen ohne Kopfbeckedung.
Die Debatte um ein Kopftuchverbot an Schulen geht weiter (picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
Rechtswissenschaftler Jörg Ennuschat sieht allerdings auch die großen Islamverbände in der Pflicht. Der aufgeheizten Debatte zu einem Kopftuchverbot könnten sie Aufmerksamkeit entziehen, indem sie sich explizit zur Gleichberechtigung von Mann und Frau bekennen würden:
"Wenn man sich aber zum Beispiel die Islam-Charta ansieht des Zentralrats der Muslime, dort findet man Formulierungen, die sprechen von einer gleichen Lebensaufgabe von Mann und Frau. Oder sie sprechen davon, dass die Frau selbstverständlich das Wahlrecht hat. Aber es steht nicht drin, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Und wenn die großen Islamverbände das einmal klarstellen würden, dann glaube ich, würde viel Sprengkraft aus der Kopftuchdebatte herausgezogen werden. Weil der Hauptvorwurf mit dem Blick auf das Kopftuch ist ja: Es ist ein Symbol für die Unterdrückung der Frau."
Lehrerverbände gespalten
Die Lehrerverbände sind zum Kopftuchverbot für Schülerinnen gespalten. Während der Deutsche Lehrerverbands dafür plädiert, lehnen der Verband Bildung und Erziehung sowie der Grundschulverband es ab. Gesamtschullehrerin Julia Wöllenstein glaubt nicht daran, dass sich in Deutschland das Verbot durchsetzen ließe. Eine Alternative aber könnte sein, ähnlich wie beim Lehrerinnen-Kopftuch, es den Schulen freizustellen, wie sie damit umgingen:
"Dann hätte die Schule natürlich den Auftrag mit den Eltern ins Gespräch zu kommen, mit den Schülern zu arbeiten und so weiter. Weil das muss es halt sein, es muss eine Begleitung geben, wo die Eltern irgendwann auch spüren, dass es uns um die Kinder geht und eine ehrliche Integration in Deutschland und eben nicht um eine Bevormundung."
Schulleiter die das entscheiden, müssten allerdings mit dem Vorwurf des Rassismus umgehen können. Auch Julia Wöllenstein wurde von ihren Schülern Rassismus vorgeworfen. Doch das müsse man aushalten, sagt sie.