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Kork einmal anders

Ein kleiner Familienbetrieb in Lissabon überrascht inmitten der Staatsschuldenkrisen mit innovativen Verarbeitungsmethoden für einen Rohstoff, der in Portugal seit Jahrhunderten sehr herkömmlich eingesetzt wird: Aus Kork werden Handtaschen hergestellt und neue Designprodukte entworfen.

Von Tilo Wagner | 30.05.2012
    In einer kleinen Boutique im Herzen der Lissabonner Altstadt steht Cristina Lucena und spannt einen Regenschirm auf.

    Dieses Modell, erzählt sie, haben vor gut einem Jahr die Regierungschefs der NATO-Staaten erhalten, bei ihrem Treffen in der portugiesischen Hauptstadt. Ein Regenschirm als Gastgeschenk bei Staatsbesuchen? Die Wahl dieses vielleicht etwas ungewöhnlichen Präsents war weder der damaligen Wetter- noch der klammen Haushaltslage geschuldet. Grund war vielmehr das Material des Produkts: Die Planen des Regenschirms bestehen aus feinem, laminiertem Kork.

    Portugal ist der größte Hersteller dieses Naturstoffs. Die portugiesischen Korkeichen-Wälder machen mit einer Fläche von 750.000 Hektar rund ein Drittel des weltweiten Gesamtbestandes aus. Und so wundert es kaum, dass die Kork-Ausfuhren rund drei Prozent aller portugiesischen Exporte ausmachen.

    Bisher wurde das Naturprodukt vor allem als Baustoff und für die Herstellung von Weinkorken eingesetzt – rund 70 Prozent des portugiesischen Korks landete bislang in einem Flaschenhals.

    Cristina Lucena eröffnete vor knapp zwei Jahren ihr Geschäft "Cork & Co" in Lissabon. Sie wollte Kork und Design näher zusammenbringen:

    "Unsere Modeaccessoires werden von Mitarbeitern hergestellt, die bereits in der Bekleidungsindustrie gearbeitet haben, viel Erfahrung bei der Verarbeitung von Leder mitbringen und sich auf Kork spezialisiert haben. Wir arbeiten dann mit Designern zusammen, die unsere Produkte entwerfen."

    Armbänder, Handtaschen, Geldbeutel, sogar ein Kork-Fußball findet sich in der Lissabonner Boutique. Die Designstücke stoßen vor allem im Ausland auf großes Interesse:

    "Kork ist ein nachhaltiges Produkt. Unsere Produkte werden weltweit nachgefragt. Doch gerade im nördlichen Europa lebt man nach dieser Philosophie. Die Leute sind begeistert, dass ein Naturprodukt eine vollkommen neue Anwendung findet."

    Der Umsatz von Cristina Lucenas Geschäft hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt, die Online-Bestellungen nahmen um 30 Prozent zu. Aus Südafrika, Australien und den USA kamen Anfragen, ob die Boutique ein Franchise-Konzept betreibe. Das kommt für den portugiesischen Familienbetrieb aber noch ein bisschen früh:

    "Wir exportieren immer mehr. Und wir bemühen uns zurzeit, Exportverträge in größerem Umfang auszuhandeln. Doch wir sind wirklich sehr schnell gewachsen. Wir wollen auf jeden Fall international vertreten sein, doch in welcher rechtlichen Form das passieren wird, ist bisher noch unklar."

    Das Exportkonzept von "Cork & Co" ist auch deshalb noch nicht ganz ausgereift, weil bislang nicht klar ist, ob die liefernden Betriebe bei einer stetig steigenden Nachfrage von hoch qualitativ verarbeitetem Kork überhaupt mithalten können.

    Das wird letztendlich die Zukunft zeigen. Mit dem bisher Erreichten ist Cristina Lucena aber hochzufrieden. Die mittelgroße Frau mit den langen, blondierten Haaren lacht kurz auf, klappt ihren feinen Korkschirm zusammen und verschwindet hinter der Kasse. Der nächste Kunde wartet schließlich schon.