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Korruptionsaffäre
Wenn die FIFA ein Autokonzern wäre

Seit Jahrzehnten schon verpesten Sepp Blatter und andere FIFA-Funktionäre ungestraft den internationalen Fußball, kommentiert Jonas Reese: Schade, dass der Fußball-Weltverband kein Wirtschaftsunternehmen wie VW ist - sonst wären Blatter und Co. längst weg vom Fenster.

Von Jonas Reese | 27.09.2015
    Fifa-Chef Josef Blatter
    Fest im Visier der Schweizer Ermittler: Noch-FIFA-Chef Sepp Blatter. (AFP / FABRICE COFFRINI)
    Wenn die FIFA ein Wirtschaftsunternehmen wäre, dann hätte es, möglicherweise keine Woche gedauert, bis die Konzernspitze und einige Top-Manager hätten gehen müssen. So wie bei Volkswagen in der vergangenen Woche. Ganze fünf Tage hatte es gedauert, bis Vorstandschef Winterkorn in der Abgasaffäre gehen musste. Und das obwohl noch gar nicht klar ist, inwieweit er darin verstrickt ist. Allein sein Amt hat ihn zum Mitverantwortlichen gemacht.
    Die Fußball-Welt hält seit Jahrzehnten still
    Jetzt hat die FIFA ihren eigenen Abgas-Skandal. Und das nicht erst seit einer Woche. Sondern seit rund 15 Jahren verpesten Blatter und seine Funktionärskollegen den Fußball. Für die Sportwelt sind sie mindestens genauso gesundheitsschädlich wie Millionen Diesel-Motoren für die Umwelt. Doch der Fußball-Weltverband ist offiziell eben kein Unternehmen, sondern ein gemeinnütziger Verein. Obwohl seit mehr als einem Jahrzehnt gerichtsfest bekannt ist, dass zwischen der Rechte-Agentur ISL und der FIFA Schmiergelder in dreistelliger Millionenhöhe geflossen sind, ist Josef Blatter immer noch im Amt. Seit nunmehr 17 Jahren. Erst die Justiz wird das ändern. Denn die Fußball-Welt hält wie immer still. Eine Selbstreinigung wie bei Volkswagen ist undenkbar.
    Wie bei der VW AG gibt es auch bei der FIFA eine Art Aufsichtsrat. Der sollte eigentlich Vorstandschef Blatter kontrollieren. Auch gibt es Compliance- und Ethikregeln, die ihn von krummen Machenschaften abhalten sollten. Selbst Aktionäre gibt es, die schließlich dem Unternehmenslenker das Vertrauen entziehen könnten. Doch auch die 209 Verbandsspitzen halten mehrheitlich zu Blatter. Anders als bei VW muss im Fußball ein Funktionär offenbar erst ins Gefängnis, damit er geht.
    "Hybris, Realitätsferne und Naivität"
    Möglich ist das, weil der Fußball-Kunde weiter fleißig konsumiert. Und weil die Justiz lange Zeit nicht erkannt hat, dass die FIFA weniger gemeinnützig als eigennützig ist und dass sie mittlerweile zu einem milliardenschweren, gewinnorientierten Konzern geworden ist. Nun ist auch der von Europa als Heilsbringer in Position gebrachte Michel Platini entblößt. Die Skepsis ihm gegenüber hat sich mit den jüngsten Erkenntnissen erhärtet. Da wundert es eher, dass die starken europäischen Verbände so treu hinter ihm gestanden haben und auch weiterhin stehen. Sowohl Wolfgang Niersbach, der DFB-Präsident als auch Karl-Heinz Rummenigge, der Vorsitzende der europäischen Klub-Vereinigung haben ihn stets unterstützt.
    Hybris, Realitätsferne und Naivität haben Volkswagen in eine fundamentale Krise gestürzt - mit unabsehbaren Folgen. Weil aber ein Autokonzern seine Kunden mehr fürchten muss als ein Sport-Verband, dürfen die alteingesessenen Fußball-Funktionäre eben immer noch fleißig die Umwelt verschmutzen. Aus denselben Gründen: Hybris, Realitätsferne und Naivität.